zum Hauptinhalt
Optimistisch. Archibald Horlitz blickt zuversichtlich der Regionalliga-Rückrunde entgegen. „Es gibt keinen Grund, weshalb es bergab gehen sollte.
© Jan Kuppert

Sport: „Es braucht Zeit, Vertrauen wiederzugewinnen“

Archibald Horlitz, Vorsitzender des SV Babelsberg 03, geht die Konsolidierung des Vereins nicht schnell genug. Nach der guten Hinrunde des Fußball-Regionalligisten sieht er noch mehr Entwicklungspotenzial. Und er lobt Trainer Cem Efe

Herr Horlitz, aus aktuellem Anlass die Frage: Was kann der SV Babelsberg 03 tun, dass zum Auftakt der Regionalliga-Rückrunde im Karl-Liebknecht-Stadion Fußball gespielt werden kann?

Wir haben unsere Bereitschaft erklärt, alles zu tun, um sicherzustellen, dass Turbine Ende Februar das erste Spiel des Jahres 2015 in unserem Stadion austragen kann. Was wir nicht können, ist die notwendigen Aufwendungen für die Stadt per Vorkasse auszulegen und dann auf zeitnahe Rückerstattung durch den Fachbereich 21 zu hoffen.

Die Stadt Potsdam verlangt vom SV Babelsberg, notwendige Maßnahmen für die Stadionsicherheit zu 100 Prozent vorzufinanzieren und will ihren Zuschuss erst dann zahlen, wenn alle Rechnungen und Belege nachgewiesen werden. Bis vor wenigen Wochen hat es genügt, wenn der Verein Ausgaben und Investitionen plausibel dargestellt hat, um den vereinbarten Zuschuss zu bekommen. Wie erklären Sie sich das offenbar neue Misstrauen der Stadt gegenüber dem Verein?

Das Misstrauen des zuständigen FB 21 erscheint mittlerweile pathologisch. In chronologischer Reihenfolge wurde uns unterstellt: Erstens: Im Oktober, dass wir nicht über genügend Eigenmittel verfügen, um unseren Anteil zu leisten. Von uns wurde schriftlich bestätigt, dass wir über genügend Mittel verfügen. Zweitens: Anfang November, dass wir eine umgehende Insolvenz binnen weniger Tage planen. Hier erfolgte ein deutlicher Widerspruch von unserer Seite und entsprechende Klarstellung, dass hier böswillig Aussagen interpretiert werden. Drittens: Anfang Dezember kam das Argument, dass es angeblich „Unregelmäßigkeiten“ bei uns gäbe. Einziger halbwegs nachvollziehbarer Grund war das fehlende Wissen des Fachbereichs, was eine „BWA“, also betriebswirtschaftliche Auswertung, ist. Hier wurde die Auflistung von Verbindlichkeiten als angeblicher „Nachweis“ von Zahlungen interpretiert. Auch nach Belehrung durch uns, wie eine BWA funktioniert, fehlt bis heute das intellektuelle Verständnis. Viertens: Nun ganz frisch wird der Vorwurf erhoben, dass man zu lange auf die Rechnungsvorlage des Vereins warten und entsprechend nachhaken müsse. Wir können hierzu nur feststellen, dass seit Oktober dieses Jahres auf wundersame Art und Weise E-Mails, Faxe und Briefe im FB 21 verschwinden, die wir nachweislich korrekt versandt haben.

Lassen Sie uns sportlich werden: Sie haben zu Beginn Ihres Amtes als Vereinschef beim SV Babelsberg 03 gemeint, dass Ihre Fußball-Expertise nicht sehr ausgeprägt sei. Was ist für Sie die wichtigste und wertvollste Erkenntnis aus der Hinrunde der aktuellen Regionalliga-Saison?

Dass ich mit meiner Position goldrichtig gelegen habe, indem ich Almedin Civa als Sportlichen Leiter und zunehmend unserem Trainer Cem Efe sämtliche Entscheidungen, was den sportlichen Bereich angeht, überlasse. Der Erfolg des Teams ist ja letztlich ein Erfolg der Zusammenstellung von Spielern. Bei unserem limitierten Budget die offenbar richtigen Spieler geholt zu haben, ist eine Glanzleistung, die Civa und Efe vollbracht haben.

Was haben Sie zu Saisonbeginn von der Mannschaft erwartet?

Die Erwartungshaltung war natürlich, dass wir nicht wieder in einen Abstiegsstrudel geraten, sondern uns einen Platz im Mittelfeld sichern. Und wir haben gehofft, dass wir im Gegensatz zur letzten Saison zu Hause guten Fußball zeigen. Und zum Glück hat sich unser Stadion als feste Burg erwiesen. Bis auf die äußerst unglückliche Niederlage gegen Zwickau haben wir hier kein einziges Spiel verloren.

Es gab den schönen Satz von Cem Efe nach dem 2:2 gegen Wacker Nordhausen, dass er Eintritt zahlen würde, um diese Mannschaft zu sehen

ja, super Spruch!

Warum würden Sie Potsdamern und Berlinern empfehlen, Eintritt für Nulldrei im Karl-Liebknecht-Stadion zu zahlen?

Zunächst gibt es bei Nulldrei einen Fußball der „ursprünglichen Art“. Angefangen von der Lage des Stadions mitten in der Stadt bis hin zu einer tollen Atmosphäre mit fantastischen Fans, die die Mannschaft auch durch kleine Täler heben. All das zusammen macht einen Reiz aus, wie ihn kaum ein anderer Fußballverein zu bieten hat.

Nach der guten Hinrunde gibt es etwas Sorge aufgrund der Erfahrungen aus den vergangenen Jahren, dass das Niveau in der Rückrunde nachlässt. Was macht Sie zuversichtlich, dass es diesmal anders ist?

Zunächst mal haben wir 23 Punkte auf dem Konto. Selbst wenn wir nur noch drei Spiele gewinnen würden, wäre das schon fast der Klassenerhalt. Was mich aber absolut positiv stimmt, ist eine Entwicklung des letzten halben Jahres, in der sich die Mannschaft zu einem wirklichen Team geformt hat, in dem jeder für jeden kämpft, es weder Neid noch Missgunst gibt und wo das Spielverständnis von Spiel zu Spiel besser wird. Wir haben eine klar aufsteigende Kurve und wenn wir jetzt nicht ein ungemeines Verletzungspech haben oder außergewöhnliche Dinge eintreten, gibt es keinen Grund, warum es bergab gehen sollte.

Wie groß werden die Anstrengungen sein, diese Mannschaft zu halten und weiterzuentwickeln?

Wenn wir auch nur ansatzweise mit dem Gedanken spielen, uns irgendwann wieder Richtung Dritter Liga zu orientieren, dann müssen wir ein solches Team, wie wir es heute haben, natürlich halten können und gezielt auf drei, vier Positionen auch verstärken. Wir haben ja insgesamt eine relativ dünne Mannschaftsdecke, man hat das zuletzt in der Abwehr gesehen, als drei von vier Stammspielern ausfielen. Umso bemerkenswerter, welche Leistung die Mannschaft gezeigt hat. Aber wenn man dauerhaft ganz oben mitspielen will, braucht man zwei, drei Spieler mehr. Wir werden natürlich versuchen, die Spieler zu halten. Andererseits ist es ja der Reiz von Babelsberg, dass sich Spieler hier ins Rampenlicht spielen können. Wer hätte letztes Jahr gedacht, dass wir einen Spieler in unseren Reihen haben, der in kürzester Zeit in der Bundesliga landet (Süleyman Koc, Anm. d. R.). Ich finde das gut und das sollte auch ein Argument sein, sich als Spieler für Babelsberg zu entscheiden.

Jedoch wird es dann schwierig, einen guten Kader über einen längeren Zeitraum zu halten und zu entwickeln, wenn man die besten Spieler ziehen lässt – oder lassen muss.

Wie immer hängt alles am Geld. Und wenn man viel Geld hat, kann man sich Erfolg kaufen. Das zeigen Vereine wie Leipzig. Hier in Babelsberg ist es die Kunst, mit minimal steigendem Budget, aber einem stimmigen Umfeld diese Mannschaft zusammenzuhalten. Und wenn Leute primär wegen des Geldes spielen und die anderen Vorzüge von Babelsberg nicht sehen, dann tut es mir ehrlich gesagt auch nicht so leid, wenn sie gehen. Wir haben sehr um Lovro Sindik gekämpft, der Superangebote hatte, in Kroatien in der ersten Liga zu spielen. Sindik hat hier letzte Saison für 250 Euro gespielt, unglaublich. Er hätte einen dramatischen, finanziellen Sprung machen können. Aber er ist hiergeblieben, weil er vom Verein überzeugt ist. Das sind Spieler, die wirklich groß sind.

Der Vertrag von Trainer Cem Efe läuft am Ende der Saison aus. Wohin deuten die Zeichen?

Auch hier müssen wir miteinander reden, ganz klar. Cem Efe hat seine Meisterprüfung mit der Hinrunde dieser Saison bestanden. Er hat eine extrem steile Lernkurve gezeigt. Momentan kann ich nur sagen, dass wir bei dieser Lösung bleiben sollten, wenn es so weiter läuft. Aber da wage ich mich schon wieder auf das Terrain des Sportlichen Leiters. Doch ich glaube, dass dessen Wertschätzung für Cem Efe ähnlich groß ist wie die meine.

Sportlich ging die Kurve in den letzten Monaten stetig nach oben. Wie gut geht es aber dem Verein?

Das letzte Jahr musste ja im Hauruck-Verfahren eine Grundkonsolidierung durchgeführt werden. Das ist uns soweit auch gelungen. Das Tempo der weiteren Konsolidierung in diesem Jahr ist für mich nicht befriedigend. Es geht nicht schnell genug. Wir merken, dass es doch einige Zeit dauert, Vertrauen wieder zurückzugewinnen bei Sponsoren. Punktuell aber haben wir schöne Erfolge wie den Drei-Jahres-Sponsorenvertrag mit SAP. Auch andere Sponsoren kehren so langsam neugierig zurück. Aber ich hatte gehofft, dass wir in diesem Jahr noch mehr bewegen können. Das geht aber einher mit den sportlichen Erfolgen, sodass ich glaube, in der Rückrunde den einen oder anderen Sponsor an Bord holen zu können, wenn wir uns weiter so präsentieren. Wenn das klappt und wir bei der Zuschauerzahl, da rücke ich nicht von meiner Prognose ab, die 4000 erreichen, darunter gern auch 500 Gästefans, und wenn wir weitere Vereinsmitglieder gewinnen – dann schaffen wir uns wieder Bewegungsspielraum, der uns irgendwann davon träumen lässt, vielleicht wieder aufzusteigen.

Schadet der Image-Politur, dass der Verein derzeit noch in Gerichtssälen um sein Recht streitet?

Wir haben bisher eine vorläufige Niederlage einstecken müssen im Prozess gegen die kartellrechtlich verurteilte Radeberger-Gruppe. Die hat uns zu abstrusen Preise Bier geliefert – 119 Euro für ein 50-Liter-Fass. Maßgebliche Argumente sind vom Gericht nicht gewürdigt worden, sodass wir in Berufung gehen. Es geht dabei ja um die Frage, ob wir zulassen wollen, dass sich an unserem Verein bereichert wird. Und der andere maßgebliche Prozess ist der gegen die Sportman Group, der für einen Teller Linsen unsere Seele verkauft wurde. Da zu agieren, ist absolut notwendig gewesen. Wobei sich die Sache ohnehin erledigt hat, weil in dem Vertrag eine Ausstiegsklausel steht, die wirksam wird, weil wir das zweite Jahr vierte Liga spielen.

Im kommenden Frühjahr wartet auf die Fußballfans in Brandenburg ein schönes Pokalspiel zwischen dem SV Babelsberg und Energie Cottbus. Wie ging es Ihnen nach der Auslosung?

Zunächst habe ich gedacht, dass Cottbus als Finalgegner schöner gewesen wäre. Ich erhoffe mir eine „volle Hütte“ und eine gute Stimmung. Und ich rechne unserer Mannschaft durchaus Chancen aus. Das Herz ist da. Und das Wollen auch.

Das Gespräch führte Peter Könnicke

Zur Startseite