zum Hauptinhalt

Potsdam: Eine Geldspritze als Werbeetikett

Überraschend bewilligt der Bund 400 000 Euro für den umstrittenen Wiederaufbau der Garnisonkirche. Obwohl von der 1968 gesprengten Kirche noch nichts zu sehen ist, gibt es die Steuergelder für „eine national bedeutsame Kulturinvestition“

Ein Bauzaun, ein paar alte freigelegte Fundamente, im Hintergrund eine provisorische Kapelle – ein Zweckbau statt einer Stadtbild prägenden Barockkirche mit einer unverwechselbaren Silhouette: Wo irgendwann die 1968 gesprengte Garnisonkirche wiederaufgebaut werden soll, am Rechenzentrum an der Breiten Straße in der Mitte der alten Stadt, ist bisher nicht wirklich viel zu sehen von dem Wiederaufbau eines der umstrittensten Gebäude Potsdams. Noch nicht. Die Frage ist seit Langem: Wie lange nicht? Kein Geld, keine Baugenhmigung. Und nun: „Projekt von nationaler Bedeutung“ – ein mächtiges Werbeetikett, das sich die Förderer gewünscht hatten; eine kleine Überweisung vom Bund dazu: 400 000 Euro haben Kulturstaatsminisster und der Haushaltsausschuss des Bundestages am Mittwochabend bewilligt. Aus Denkmalschutzsondermitteln, die es auch für „national bedeutsame Kulturinvestitionen“ gibt.

Und Potsdam hat eine alte Debatte wieder. „Jetzt muss es wieder Staatsknete sein“, sagte Linke-Kreischef Sascha Krämer am Donnerstag in einer ersten Reaktion. Für ihn ist das Geld aus der öffentlichen Hand für ein Bauwerk, „das historisch höchst belastet und dessen Aufbau höchst ungewiss ist“. Manch andere Kirche würde ein neues Dach benötigen, so Krämer – doch so würde lieber viel Geld in einem Bauwerk versenkt, welches keiner will, wenn man die Spendenbereitschaft zum Maßstab nimmt. Von der Bürgerinitiative gegen den Wiederaufbau erinnerte Sandro Szilleweit – zugleich Stadtverordneter der alternativen Fraktion Die Andere – daran, dass das Projekt „eigentlich ausschließlich aus Spenden finanziert werden sollte – nun werden glasklar Steuermittel benutzt“.

Das Geld allein wird den Aufbaufreunden von der Stiftung und von der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisionkirche nicht viel nützten. Ihr Zeitplan ist schon ehrgeizig, der Finanzplan erst recht. Der Grundstein für die Kirche wurde bereits 2005 gelegt – rein symbolisch – der Baubeginn aber mehrfach verschoben. Planung, vorbereitende Arbeiten und Fundament allein würden 12 Millionen Euro Kosten, Turm und Seitenflügel der Kirche zu errichten etwa 40 Millionen Euro, sagt Burhart Franck, Vorsitzender der Fördergesellschaft, den PNN. Dennoch ist weiterhin geplant, im Oktober 2017 zunächst den Turm einzuweihen.

Immer wieder sorgt der Wiederaufbau in Potsdam für heftige Debatten. Erst am 20. März, dem Vorabend des Gedenkens an den „Tag von Potsdam“ vor 80 Jahren, hatte es einen Eklat bei einem Demokratie-Spaziergang gegeben: Linke Demonstranten hatten die von der Stadt und den Kirchen organisierte Veranstaltung mit einem Nazi-ähnlichen Fackelzug gestört. Auch mehrere Demonstrationen gegen das Projekt hatte es schon gegeben. Beim Bürgerhaushaltsverfahren im vergangenen Jahr hatte die Forderung, den Unterhalt und die Errichtung der Garnisonkirche nicht mit städtischen Mitteln zu fördern, den ersten Platz erreicht. 8072 Punkte erhielt dieser Vorschlag – und damit mit Abstand die größte Zustimmung.

Die Stadtspitze hatte mehrfach betont, keinen Cent zu zahlen. Doch wurde bereits 2008 nach einem Stadtverordnetenbeschluss das Grundstück an der Breiten Straße für das Projekt kostenlos bereitgestellt. Zumindest ermöglicht der Umbau der Breiten Straße, der die Wucht, mit der die sozialistische Magistrale in die Stadt geschlagen wurde, mindern soll, auch, dass die Kirche wieder an ihrem historischen Standort aufgebaut werden kann.

Ebenso haben die Befürworter des 1968 gesprengten Kirchenbaus unter anderem diverse Lottomittel des Landes Brandenburg, aber auch zwei Millionen Euro aus Vermögen der ehemaligen DDR-Parteien erhalten. Die bisher größte Einzelspende in Höhe von einer Million Euro kam Mitte 2012 von einer der Siemens-Familie nahestehenden Stiftung.

Peter Leinemann, Vorstand der Stiftung für den Wiederaufbau, freute sich am Donnerstag über die Geste des Bundes. Das Geld werde für eine Tiefenbohrung für die später in der Kirche vorgesehene Geothermie-Nutzung und für statische Prüfungen verwendet. Ebenso müsse ein Konzept für den Brandschutz erstellt werden. Im Juli, so Leinemann rechne er mit der Erteilung der bei der Stadt beantragten Baugenehmigung für denWiederaufbau. Das bestätigte auch Rathaussprecher Stefan Schulz. Nach den bisherigen Plänen sollte sogar schon in diesem Jahr Baustart für den Turm der einstigen Barockkirche sein. Das hatte jedenfalls Altbischof Wolfgang Huber, der Kuratoriums-Vorsitzender der evangelischen Stiftung „Garnisonkirche“ ist, noch im Dezember gesagt. Bisher reicht das Geld dafür nicht aus. Wenn die Baubehörde grünes Licht gibt, bleiben noch drei Jahre, um genügend Geld zu sammeln und mit dem Bau zu beginnen.

Zur Startseite