Bürgerbegehren zur Potsdamer Mitte: Eine Frage der Fragestellung
Die Stadt erklärt das Bürgerbegehren zur Potsdamer Mitte für unzulässig. Doch ganz eindeutig scheint die Sache nicht zu sein.
Potsdam - Die Stadt hatte sich um Geheimhaltung bemüht, sogar der Termin für die Pressekonferenz war erst am Tag selbst verkündet worden. Erst kurz vor dem Hauptausschuss sollte die Öffentlichkeit darüber informiert werden, dass das Bürgerbegehren zur Potsdamer Mitte für unzulässig erklärt wird – und sich das Stadtparlament somit mit dem Anliegen, für das fast 15.000 Potsdamer unterschrieben haben, gar nicht erst inhaltlich befassen muss.
Doch zumindest zu den Initiatoren des Begehrens war die Info trotzdem durchgesickert – so konnten sie den Journalisten direkt im Anschluss an die Pressekonferenz am Mittwochnachmittag schon eine ausgedruckte Pressemitteilung übergeben. Darin erklären sie, dass sie die Bewertung der Stadt rechtlich prüfen lassen. Und sollten die Stadtverordneten Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) folgen und das Bürgerbegehren für unzulässig erklären, wollen sie vor das Verwaltungsgericht ziehen. Und darauf deutet alles hin.
Ausreichend: 14.742 gültige Stimmen
Noch Ende Juli war aus dem Rathaus ein positives Signal für das Bürgerbegehren gekommen. Der Wahlleiter hatte nach Durchsicht aller Unterschriftenlisten bekanntgegeben, dass 14 742 gültige Stimmen abgegeben wurden – 1132 mehr als für das Quorum erforderlich. Ein Bürgerentscheid schien damit wahrscheinlich, denn hätte das Stadtparlament das Bürgerbegehren inhaltlich abgelehnt, wäre ein solcher der nächste Schritt gewesen.
Im April hatte die Initiative „Potsdamer Mitte neu denken“ mit dem Unterschriftensammeln begonnen. Zuvor wurde lange an der Fragestellung gefeilt, mit Unterstützung vom Verein Mehr Demokratie. Zwei Aussagen standen am Ende auf dem Zettel. Zum einen solle die Stadt keine kommunalen Grundstücke mehr in der Mitte verkaufen, zum anderen solle für den Abriss von Fachhochschule (FH), Mercure-Hotel und Staudenhof-Wohnblock keine öffentlichen Gelder eingesetzt werden. Wer diese Forderungen unterstützte, sollte unterschreiben.
Dennoch hat das städtische Rechtsamt gleich mehrere Punkte gefunden, an denen sie die Unzulässigkeit des Bürgerbegehrens festmacht – und sich dies von einer Berliner Kanzlei bestätigen lassen. Unter anderem wird bemängelt, dass dem Bürger suggeriert werde, dass mit dem Begehren der Erhalt der drei Gebäude erreicht werden könne. „Tatsächlich haben aber das Eigentum an einem Gebäude und dessen möglicher Abriss nichts miteinander zu tun“, so Rechtsamtschefin Karin Krusemark. Außerdem befänden sich nicht alle Grundstücke in städtischer Hand, auch könnten Fördergelder nicht einfach von der Stadt umgewidmet werden. Es werde nicht deutlich, was die Initiatoren mit „kommunalen Grundstücken“ und „städtischen Eigenmitteln“ meinten, darüber hinaus fehle ein sogenannter Kostendeckungsvorschlag.
Kommunalrechtler: Die Fragestellung sei hinreichend klar
Dass all dies auch anders gesehen werden kann, zeigt allerdings die Einschätzung von Thorsten Ingo Schmidt, Lehrstuhlinhaber für Kommunalrecht an der Universität Potsdam. Aus seiner Sicht sei die Fragestellung „hinreichend“ klar – schließlich sei eindeutig, was mit dem Verkauf kommunaler Grundstücke und dem Einsatz von Fördermitteln gemeint ist. Streiten ließe sich höchstens darüber, ob städtische Gesellschaften damit auch gemeint seien, so Schmidt. „Da es in der Fragestellung aber explizit ,Die Stadt Potsdam oder von ihr Beauftragte’ heißt und die Pro Potsdam GmbH zudem eine 100-prozentige Tochter der Stadt ist, könnte das hinreichend geklärt werden.“ Auch dass die Stadt einen fehlenden Kostendeckungsvorschlag anprangere, halte er für „unrealistisch“. Schließlich würde bei einem Erfolg des Bürgerbegehrens ja der Status quo erhalten bleiben und somit keine weiteren Kosten entstehen. „Deshalb müssen selbige auch nicht gedeckt werden.“ Aus Sicht des Verwaltungsexperten könnte man sogar so weit gehen und sagen, dass der Stadt mit einem Verzicht auf Erwerb und Abriss des Mercure-Hotels Kosten ersparen würden.
Kritik an der Entscheidung kam auch von der Potsdamer Linke. „Es überrascht mich nicht, dass man diesen Weg wählt. Es ist der bequeme Weg“, sagte Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg. Kreischef Sascha Krämer bezeichnete die Entscheidung als „herben Schlag“ für die Demokratie und die politische Kultur. Die Initiative selbst reagierte „mit Verwunderung“. Jakobs Vorschläge, mit denen er den Initiatoren entgegengekommen will, überzeugen sie nicht. Dass die Stadt den Fokus nun auf das „emotionale Thema Wohnungsbau“ lege, sei nicht die Antwort auf die Forderung nach mehr öffentlicher Nutzung in dem Bereich, so Mitglied Steffen Pfrogner.
Jakobs hatte angekündigt, auf dem Grundstück der FH eine Bebauung durch die Wohnungsbaugenossenschaften zu ermöglichen und auf dem Gelände des Staudenhofs Sozialwohnungen durch die Pro Potsdam errichten zu lassen – wobei letzteres schon länger geplant ist. Am Abriss des Mercure-Hotels will Jakobs festhalten, das Projekt soll aber „erstmal“ ausgeklammert werden. Von der Linken wurden diese Vorschläge hingegen wohlwollender aufgenommen. „Wenn wir uns auf diesem Weg bewegen, können wir den Zielen des Bürgerbegehrens entgegenkommen“, so Scharfenberg. Auch Sascha Krämer erkannte zumindest ein „leichtes Umdenken“ bei der Stadt.
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