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Abschied. Das Foto wurde oft falsch interpretiert.
© Theo Eisenhart/Deutsches Bundesarchiv

Zum "Tag von Potsdam": Ein Foto und seine Legende

Am kommenden Freitag jährt sich mit dem „Tag von Potsdam“ der Tag, an dem sich mit einem einzigen Handschlag Nationalsozialismus und altes Preußen verbrüderten. Oder? Historiker haben die Hintergründe neu beleuchtet.

Das Bild ging um die Welt. Am 21. März 1933 wurde in der Potsdamer Garnisonkirche der neu gewählte Deutsche Reichstag in feierlicher Zeremonie eröffnet. An diesem Tag drückte der gerade erst ernannte Reichskanzler Adolf Hitler dem 86-jährigen Reichspräsidenten Paul von von Hindenburg die Hand. Doch es handelte sich nicht, wie so oft behauptet, um einen Handschlag, der das Bündnis zwischen den alten rechtskonservativen Eliten und den Nazis besiegelte. Vielmehr zeigt das Foto einen Abschiedsgruß.

Zeithistoriker haben sich mittlerweile eingehend mit der Geschichte diese Bildes beschäftigt. So erklärt John Zimmermann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Potsdamer Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, dass das Foto seine eigentliche Wirkung nicht im „Dritten Reich“, sondern erst nach dem Krieg erlangte. In der Folge sei der Schnappschuss des New-York-Times-Fotografen Theo Eisenhart mitsamt dem „Tag von Potsdam“ zum Beweis für die diabolischen Verführungskünste des NS-Regimes umgedeutet worden. Das Bild wurde weltweit zum Symbolbild des „Tages von Potsdam“.

Die historische Forschung konnte die Legende vom Propagandaakt zur Verbindung der alten mit den neuen Eliten mittlerweile dekonstruieren. Die Nationalsozialisten nutzten das Handschlag-Foto von Eisenhart anfangs nur wenig. Die Nazis bevorzugten die Bilder der jubelnden Massen. So waren Zehntausende Bürger vor der Potsdamer Nikolaikirche zusammengekommen, um Reichspräsident Hindenburg in Empfang zu nehmen, der dort vor dem Staatsakt in der Garnisonkirche den Gottesdienst besuchte.

Zum 80. Jahrestag des historischen Datums hatte der Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF), Martin Sabrow, eine Neubewertung des Tages gegeben. Die weit verbreitete Auffassung, dass hinter dem Händedruck von Hitler und Hindenburg ein bestens inszenierter Volksbetrug der Nationalsozialisten gesteckt habe, ist nach Sabrows Ansicht falsch. Nicht die listige Propaganda von Joseph Goebbels habe den Tag geprägt, sondern vielmehr die Rolle der deutschen Bevölkerung. „Längst ist der totalitäre Verführer Hitler in einen Interpretationsrahmen gestellt worden, der seine Macht und seine zunehmende Handlungsradikalität entscheidend auf die messianische Führersehnsucht in der deutschen Gesellschaft und ihre Bereitschaft zurückführt, ,dem Führer entgegenzuarbeiten’“, so Sabrow.

"Der Mann dieses Tages war nicht Hitler, sondern Hindenburg. Der Tag von Potsdam ist aus Sicht der Nationalsozialisten eigentlich recht schief gelaufen", sagte Sabrow den PNN.  Das habe nicht zuletzt an Hitler und Goebbels selbst gelegen, "die entgegen der vorher getroffenen Absprache die Auftaktveranstaltung der katholischen Peter-und-Paul-Kirche bzw. in der Nikolaikirche schwänzten, um stattdessen in forcierter Radikalität die Gräber getöteter SA-Männer auf dem Luisenstädtischen Friedhof in Berlin zu besuchen." Einem Versöhnungskonzept der revolutionären mit der reaktionäreren Rechten, als den Hitler den Potsdamer Staatsakt angeblich hatte inszenieren wollte, sei dieser Haltungswechsel geradewegs zuwider gelufen. Sabrow weiter: "Die eigentliche Reichstagseröffnung fand überdies gar nicht in Potsdam, sondern anschließend in Berlin statt, weil die Widerstände sich als übergroß erwiesen. Auch der Händedruck in Potsdam war eigentlich verunglückt, denn für die Garnisonkirche war Fotografierverbot angeordnet. Hitler verbeugte sich überdies bei dem von kaum einer Zeitung im Bild wiedergegebenen Händedruck mit Hindenburg in einer Weise, die weniger die Versöhnung von Alt und Neu symbolisierte, sondern den Nazis vor allem peinlich war. Das Bild des Händedrucks setzte sich erst nach dem Krieg und dann mit Macht in den Schulbüchern durch, weil es so wunderbar in die Selbstentlastung der Nachkriegszeit passte. Doch in den Tagen danach zeigte sich, dass am Ende die Nazis den Nutzen auch aus einer zunächst verunglückt wirkenden Veranstaltung zogen – weil die Bewegung, die sie trug, ihre Stärke und Begeisterung nicht aus inszenierter Verführung zog, sondern aus einer nationalistischen Erlösungshoffnung."

Für John Zimmermann markiert der „Tag von Potsdam“ heute den endgültigen Untergang der Weimarer Demokratie und die scheinbare Legitimierung eines zwölfjährigen Rechtsbruches – aber auch die Selbstviktimisierung der Deutschen nach 1945. Im Rahmen der Gedenkveranstaltungen zum „Tag von Potsdam“ lädt der Verein proWissen am Freitag, 21. März, zu einem Vortrag von John Zimmermann in die neu eröffnete Wissenschaftsetage ein (Bildungsforum, Am Kanal 47). Der Potsdamer Historiker wird dabei die neuesten Ergebnisse der Forschung zu dem historischen Tag darstellen und kommentieren. Jan Kixmüller

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