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Wolfgang Bräsicke lebt seit Oktober im Hospiz auf Hermannswerder und fühlt sich gut aufgehoben. Im Durchschnitt bleiben die Gäste – wie es im Hospiz heißt – nicht so lange. Man versuche alles, damit sie nicht leiden müssen.
© Andreas Klaer

Nach dem Urteil zur Sterbehilfe: Ein Besuch im Potsdamer Hospiz auf Hermannswerder

Wolfgang Bräsicke verbringt seine letzten Tage im Hospiz auf Hermannswerder. Ein Besuch.

Potsdam - Wenn Wolfgang Bräsicke aus dem Fenster seines Zimmers schaut, dann sieht er hinter einigen Bäumen die Havel. Der Fluss fließt hier an Hermannswerder vorbei. Von Bräsickes ebenerdigem Zimmer aus, vor dem sich eine kleine Terrasse befindet, kann der 75-Jährige auch einen Steg sehen, der vom nahegelegenen Ufer einige Meter in die Havel hinein ragt. Seit Ende Oktober vergangenen Jahres wohne er hier, sagt Bräsicke. Sein jetziges Zuhause, das ist ein Zimmer im Hospiz auf Hermannswerder. Hier verbringen todkranke Menschen ihre letzten Lebenstage. Manchmal sind es auch Wochen oder, wie bei Wolfgang Bräsicke, sogar Monate. „Was Besseres kann man sich in der Situation nicht vorstellen“, sagt Bräsicke über sein Leben als unheilbar Kranker im Hospiz.

Zuvor hatte der 75-Jährige in Werder gewohnt. Nun also Hermannswerder, im Hospiz. „Das ist eine Einbahnstraße hier“, sagt der Senior. Man kümmere sich jedoch sehr gut um ihn. „Da kann man den Schwestern ein großes Dankeschön sagen – die bemühen sich sehr.“ Woran er erkrankt ist, das tue jetzt nichts zur Sache. Wichtig für ihn sei, dass er in der ihm verbleibenden Zeit praktisch schmerzfrei bleibe. „Das ist so meine Hoffnung“, ergänzt Bräsicke. Und nach dem derzeitigen Stand, so sagt er selbst, werde ihm die Medizin diesen Wunsch voraussichtlich auch erfüllen können.

„Niemand muss unerträgliche Leiden aushalten“, sagt auch Barbara Kothe, stellvertretende Pflegedienstleiterin des Hospizes auf Hermannswerder. „Ich habe immer die Möglichkeit, die Panik, die Schmerzen, die Luftnot und die Übelkeit zu nehmen beziehungsweise zu lindern“ – also jene Leiden zumindest abzuschwächen, die in der letzten Lebensphase auftreten können, beschreibt Kothe die Möglichkeiten, wie den todkranken Menschen im Hospiz geholfen werden kann.

Barbara Kothe
Barbara Kothe
© Andreas Klaer

Von einem assistierten Suizid, also der Möglichkeit, Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, hält Kothe hingegen persönlich nicht viel. Für die Etablierung legaler Sterbehilfe hatte hingegen das Bundesverfassungsgericht mit seiner Grundsatzentscheidung am Mittwoch den Weg frei gemacht, zugleich aber klargestellt, dass der Staat die Sterbehilfe regulieren darf. „Ich würde es nicht machen“, sagt Kothe über die Möglichkeit, das eigene Leben unter Inanspruchnahme von Sterbehilfe zu beenden. „Ich kann andererseits auch die Menschen verstehen, die den Wunsch äußern“, so Kothe. „Ich kann es nicht verurteilen, wenn jemand so denkt.“ Sterbehilfe sehe sie selbst jedoch „zumindest sehr, sehr kritisch“, sagt die Christin. „Ich bin nicht Gott, der sagt, jetzt machen wir Schluss.“ Kothe wünscht sich hingegen, dass die Möglichkeiten der Palliativmedizin, wie sie im Hospiz praktiziert werden, noch viel bekannter gemacht werden.

Bei der Arbeit im Hospiz ist immer ein Zusammenspiel verschiedener Menschen vonnöten, um den einzelnen Gästen – wie die Bewohner des Hospizes genannt werden – die individuell passende medizinische Hilfe angedeihen lassen zu können. Ärzte, Pflegekräfte, Angehörige und natürlich die Gäste selbst entscheiden gemeinsam über den Behandlungsweg.

Im Extremfall im Dauerschlaf

Palliative Sedierung heißt es in der Fachsprache, wenn Schmerzen oder andere Leidenszustände mit Mitteln der Medizin gelindert werden. Im Extremfall könne dies für den Betreffenden bedeuten, dass er in einen Dauerschlaf versetzt werde, so Kothe. Im Hospiz auf Hermannswerder, das von der Hoffbauerstiftung und dem Evangelischen Diakonissenhaus Berlin Teltow Lehnin getragen wird, kümmern sich neben dem Pflegepersonal derzeit vier externe Ärzte abwechselnd um die medizinische Betreuung der Gäste. Wenn es angezeigt erscheint, dass ein bestimmter Gast palliativ sediert wird, dann spreche zunächst der Arzt mit dem Betreffenden und gegebenenfalls auch mit den Angehörigen über die entsprechenden Möglichkeiten, erklärt Kothe das Prozedere. Danach werde alles mit dem Team des Hospizes besprochen, „ob da jeder auch so mitgehen kann“. Und es wird ein Protokoll gefertigt.

Im Durchschnitt sind die Patienten zwölf Tge im Hospiz.
Im Durchschnitt sind die Patienten zwölf Tge im Hospiz.
© Andreas Klaer

Bei dieser Entscheidung über die weitere Behandlung sind beispielsweise Fragen nach der Art des Medikaments oder der Zeitdauer der Sedierung zu klären. Auch Themen wie die Mundpflege und die Frage nach einer etwaigen weiteren Ernährung spielen dabei eine Rolle.

Im Durchsschnitt zwölf Tage im Hospiz

Der Wunsch nach Sterbehilfe werde zuweilen auch im Hospiz auf Hermannswerder geäußert, sagt Kothe. Wenn jemand beispielsweise in Panik gerate, „da ist es klar, dass dieser Wunsch kommt“. Jedenfalls kommen kann. Im Hospiz wird dann auf die Möglichkeiten der Palliativmedizin verwiesen. Im Durchschnitt leben die Gäste zwölf Tage hier, bevor sie sterben. Dass jemand wie Wolfgang Bräsicke schon so lange hier wohnt, ist eher die Ausnahme. Manche Menschen sterben schon einen Tag, nachdem sie ihr Zimmer bezogen haben.

Um den Gästen des Hospizes das Leben so angenehm wie eben noch möglich zu machen, sind zudem mehrere Menschen ehrenamtlich im Hospiz auf Hermannswerder tätig. So erfahren die Gäste zusätzliche persönliche Zuwendung. „Eigentlich ist täglich ein Ehrenamtlicher hier“, sagt Kothe.

Sprüche, Dankes- und Abschiedsworte von Angehörigen.
Sprüche, Dankes- und Abschiedsworte von Angehörigen.
© Andreas Klaer

Im Wintergarten des Hospizes hängen an einer blauen Tafel indes viele goldfarbene Sterne. Kleine Sprüche, Dankes- und Abschiedsworte haben die Angehörigen von Verstorbenen auf den Sternen hinterlassen. „Ein wunderbares Leben zu zweit ist zu Ende“, steht auf einem der Sterne. Auf einem anderen Stern der Wunsch: „Ruhe in Frieden.“

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