Potsdam: Ein 23 Jahre alter Antrag
Die Hohenzollern sollen 1,2 Millionen für enteignete Immobilien erhalten – 1991 hatten sie das beantragt
23 Jahre hat es gedauert, bis das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen in Beeskow den Antrag bearbeitet hatte. Das ist eine lange Zeit, aber schließlich handelte es sich auch um einen besonders umfangreichen und brisanten Auftrag. Denn gestellt hatte den Antrag 1991 Louis Ferdinand Prinz von Preußen. Er wollte erreichen, dass die Hohenzollern für die Immobilien, die ihnen während der sowjetischen Besatzungszeit genommen wurden, eine Ausgleichszahlung erhalten – seit der Wiedervereinigung gibt es dafür einen eigenen Fonds beim Bund. Nun hat das Amt entschieden, dass dem Haus Hohenzollern gut 1,2 Millionen Euro daraus zustehen. Doch entschieden ist die Sache damit noch nicht.
64 Schlösser, Villen und Ländereien inPotsdam und Brandenburg sind es, die die Hohenzollern nach dem Zweiten Weltkrieg entschädigungslos abtreten mussten (siehe Kasten). Darunter sind auch prominente Potsdamer Adressen wie etwa das Krongut Bornstedt, die Villa Liegnitz oder das Grundstück der früheren Matrosenstation Kongsnaes.
In dem nun bekannt gewordenen Entwurf der Behörde sind alle Liegenschaften einzeln aufgelistet. Das Amt ermittelte jahrelang, was genau enteignet wurde und wie viel die Immobilien zum Zeitpunkt der Enteignung wert waren. Gab es hierfür keine Dokumente mehr, musste der Wert neu berechnet werden.
Insgesamt waren die enteigneten Hohenzollern-Liegenschaften demnach 42,7 Millionen D-Mark wert. Davon soll das Haus aber nur fünf Prozent als Ausgleich zurückbekommen, nämlich die besagten 1,2 Millionen Euro. Diese Fünf-Prozent-Hürde gilt für alle enteigneten Vermögen, die die Grenze von drei Millionen Euro überschreiten. Bezahlt wird die Entschädigung beziehungsweise in dem Fall der Ausgleich aus einem speziellen Entschädigungsfonds des Bundes.
Doch unabhängig von der Summe bekommen nur solche Antragssteller Ausgleichszahlungen gewährt, die nicht aktiv mit dem NS-Regime kollaboriert haben. Das Amt in Beeskow hat deshalb die Vita des Antragstellers Louis Ferdinand unter die Lupe genommen. Dieser habe sich „in der fraglichen Zeit nachweisbar nicht im Sinne des nationalsozialistischen Regimes politisch betätigt“, heißt es in der Erklärung des Amtes. Und es verweist auf eine eidesstattliche Versicherung des Widerstandskämpfers und späteren Bundesministers Jakob Kaiser, dass Prinz Louis Ferdinand zwischen 1933 und 1944 „an den Besprechungen und Vorbereitungen, die zum Sturz Hitlers und des nationalsozialistischen Regimes führen sollten“, beteiligt war. Ebenfalls geprüft wurde das Verhalten des Vaters von Louis Ferdinand, des Kronprinzen Wilhelm (1882–1951). Dieser kommt deutlich schlechter weg. So wird aus einem Brief des Kronprinzen an Hitler zitiert, in dem er diesen bittet, nicht auf die Kanzlerschaft zu bestehen und einen Kompromiss zu ermöglichen, „damit Sie Ihre so wundervolle Bewegung aus der unfruchtbaren Oppositionsstellung wieder herausbringen“. Außerdem wohnte Kronprinz Wilhelm unter anderem einer Gedenkfeier für SA-Sturmführer Horst Wessel bei, gratulierte Benito Mussolini 1936 zum Sieg Italiens im Abessinienkrieg und Hitler 1940 zum Sieg über Frankreich. Doch die Behörde kommt zu dem Schluss, dass die Handlungen des Kronprinzen „in erster Linie einer Restauration des monarchischen Systems“ und nicht der Etablierung eines nationalsozialistischen Regimes dienten. Das Amt zitiert auch aus einem Gutachten des Historikers Christopher Clark aus Cambridge (siehe Porträt), das dieser im Auftrag der Hohenzollern anfertigte. Clark kommt ebenfalls zu dem Schluss, Kronprinz Wilhelm habe dem nationalsozialistischen System „keinen erheblichen Vorschub geleistet“. Zwar habe der Kronprinz bei einigen Anlässen in der Annahme gehandelt, dass sein Verhalten einen Nutzen für das NS-Regime haben könnte, tatsächlich sei er für das System aber irrelevant gewesen.
An dieser Interpretation der Geschichte gibt es aber auch Zweifel. So verwies der Grünen-Fraktionschef Axel Vogel auf den Historiker Stephan Malinowski. Dieser habe 2005 davon gesprochen, dass Kronprinz Wilhelm „wortstark und glücklos im Soziotop der radikalen Rechten, in ständiger Fühlungnahme mit den NS-Spitzen“ agiert habe.
Ob sich die Sichtweise des Beeskower Amtes durchsetzen wird, ist noch unklar. Letztlich entscheidet darüber das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen in Berlin – von dort würde auch das Geld kommen. Empfänger wäre Louis Ferdinands Enkel Georg Friedrich Prinz von Preußen. Denn der Antragsteller selbst lebt längst nicht mehr: 1994 starb Louis Ferdinand.
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