Keine Gemeinschaftsunterkünfte mehr: Eigene Wohnungen für Geflüchtete in Potsdam
Potsdam will langfristig Gemeinschaftsunterkünfte abschaffen. Nun ist das Rathaus in der Pflicht. Ein Maßnahmen- und Zeitplan muss her.
Potsdam - Eine eigene Küche oder ein eigenes Badezimmer ist nicht für alle Potsdamer selbstverständlich. Hunderte Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften müssen auf derartige Privatsphäre verzichten. Betroffen sind viele Flüchtlinge. Derzeit leben nach Rathausangaben rund 400 Geflüchtete in Potsdam in Unterkünften, in denen sie sich Küchen und Bäder teilen. Das will die Stadt nun ändern.
Potsdam wird einen Plan erarbeiten, um langfristig alle Geflüchteten in Wohnungen unterzubringen. Die Stadtverordneten beschlossen am Mittwochabend einen entsprechenden Antrag der Fraktionen SPD, Linke, Grüne und Die Andere mit deutlicher Mehrheit. 43 Stadtverordnete stimmten zu, zum Beispiel auch aus der eigentlich oppositionellen CDU. In die Planung sollen auch der Migrantenbeirat und die Beauftragte für Migration und Integration einbezogen werden. Bei Ausschreibungen für Betreiber von Unterkünften sollen künftig mindestens die Empfehlungen der Sars-CoV-2 Arbeitsschutzstandards des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales gelten. Darin wird festgelegt, dass Mehrfachbelegungen von Schlafräumen grundsätzlich nur für Partner oder enge Familienangehörige zulässig sind.
Oberbürgermeister muss Maßnahmen- und Zeitplan erarbeiten
Mit dem Beschluss wird der Oberbürgermeister beauftragt, einen Maßnahmen- und Zeitplan zu erarbeiten, um alle Flüchtlinge in eigenen Wohnungen oder in Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen, in denen die Unterbringung in wohnungsähnlicher Form möglich ist, heißt es im Beschlusstext. Wohnungsähnlich bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Wohnräume, Bäder und Küchen nicht mit haushaltsfremden Personen geteilt werden müssen.
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Eigentlich sieht das Integrationskonzept der Landeshauptstadt schon seit einigen Jahren eine Unterbringung in Wohnungen als Ziel vor. Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) sagte vor den Stadtverordneten, man habe sich in den Jahren 2015 und 2016 von den eigenen Zielsetzungen entfernt. Es sei nun an der Zeit, sich diesen wieder anzunähern. Die Umsetzung werde nicht leicht.
Erhöhte Risiken in Unterkünften
Vor der Abstimmung hatte Maria Pohle, Vorstandsvorsitzende des Migrantenbeirats, auf den Widerspruch zwischen der Wohnsituation in Gemeinschaftsunterkünften und dem Abstandsgebot wegen der Coronapandemie hingewiesen. In neun von 14 Potsdamer Gemeinschaftsunterkünften teilen sich demnach Bewohner Küchen und Bäder. Daraus ergäben sich erhöhte Risiken für die Bewohner. Auch aus der Wissenschaft gebe es Belege für einen Zusammenhang zwischen Gemeinschaftsunterkünften und einer erhöhten Ausbreitung des Coronavirus, so Pohle. Vier Potsdamer Gemeinschaftsunterkünfte standen während der Coronakrise bisher unter Quarantäne. In allen Fällen mussten sich die Bewohner Küchen und Bäder teilen.
Auch eine Sprecherin der Initiative Seebrücke sprach zu den Stadtverordneten. Sie wies auf Potsdams Mitgliedschaft im Netzwerk „Städte Sichere Häfen“ hin. Das sei aber nur glaubhaft, wenn auch innerhalb der Stadt die Sicherheit gewährt werde – auch vor der Ansteckung mit einem Virus. Teilweise jahrelanges Wohnen in Gemeinschaftsunterkünften führe zu gesundheitlichen Schäden und behindere die Integration. Problematisch sei, dass viele Geflüchtete ohnehin traumatische Erlebnisse hinter sich hätten und durch beengte Wohnverhältnisse besonders belastet würden.
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In der Debatte zeigte Lutz Boede von der Fraktion Die Andere Verständnis dafür, dass es noch nicht gelungen sei, alle Geflüchteten in eigenen Wohnungen unterzubringen. Allerdings solle schnell dafür gesorgt werden, dass sich Menschen Bad und Küche nicht mit haushaltsfremden Personen teilen müssen. Natürlich sei klar, dass „nicht morgen alle Geflüchteten eine eigene Wohnung bekommen, nur weil wir das hier beschließen“. Es komme aber darauf an, die Richtung vorzugeben.
Mehrheit der Geflüchteten wohnt in Wohnungen
Potsdams Sozialbeigeordnete Brigitte Meier (SPD) sagte, in der Coronakrise sei es gelungen, das Ausbruchsgeschehen in den Unterkünften relativ schnell unter Kontrolle zu bringen. Es hätte sich jedoch gezeigt, dass es Mängel bei der Vorbereitung auf eine Pandemie gegeben habe. Mehrere Einrichtungen hätten über keinen Pandemieplan verfügt, wie es auch für den Fall anderer ansteckender Krankheiten wie Masern vorgeschrieben sei. Dennoch sei die Zielsetzung des Antrags richtig, so Meier.
Die Mehrheit der 2865 Geflüchteten, die Potsdam seit dem Jahr 2015 durch das Land zugewiesen wurden, sei bereits in Wohnungen untergebracht. Man sei also auf einem guten Weg. Im vergangenen Jahr konnten 225 Geflüchtete in Wohnungen vermittelt werden, im Jahr 2018 waren 372, teilte das Rathaus auf PNN-Anfrage mit. Auch hat die Stadt bereits Gemeinschaftsunterkünfte wieder geschlossen, die 2015 und 2016 kurzfristig eröffnet worden waren. So waren zeitweise mehrere hundert Menschen im früheren Landtagsgebäude auf dem Brauhausberg untergebracht.
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