Filmstudio Babelsberg: Drehtag, Matheklausur, Drehtag
In Potsdam gedreht: Wie der 19-jährige Isaiah Michalski Schauspieler im Berlinale-Film „Das schweigende Klassenzimmer“ wurde.
Potsdam - Wahrscheinlich sei der gute Kuchen schuld gewesen, den er 2016 ans Set mitbrachte. Isaiah Michalski dreht lachend das Basecap zur Seite und schiebt gleich eine Frage hinterher: Ob denn überhaupt genug Zeit sei, die ganze Geschichte zu seiner Rolle in Lars Kraumes jüngstem Film „Das schweigende Klassenzimmer“ zu erzählen.
Die Geschichte ist nämlich etwas kompliziert. Ursprünglich wollte Michalski – zu der Zeit Schüler am Babelsberger Filmgymnasium – dem Regisseur Lars Kraume bei seiner Arbeit über die Schulter gucken. Er kam an den Kontakt, wurde prompt eingeladen, einmal das Set von „Terror – Ihr Urteil“ zu besuchen und ein paar Tage später saß er schon samt Kuchen neben seinem Vorbild. Nicht nur einmal, sondern über mehrere Wochen hinweg, immer mit süßer Verpflegung für die gesamte Crew. Er bekam sogar einen eigenen Regiestuhl.
Großes Interesse an Politik
Irgendwann fragte Kraume ihn, ob er in seinem neuen Film den Schüler Erik spielen wolle. Hierfür stand Michalski jedoch sein englischer Akzent im Weg – er hat einen Teil seiner Kindheit in Großbritannien verbracht. Das Drehbuch wurde umgeschrieben und ein halbes Jahr später war er als Schauspieler dabei – anders als zunächst geplant in der Rolle des Paul. Er musste seine Zeit von da an sehr gut einteilen: „Drehtag, Matheklausur, Drehtag, mündliche Englischprüfung, Drehtag“, zählt er auf. Zu guter Letzt gingen beide Pläne auf: Es klappte mit dem Abitur und auch am Set. Seit vergangenem Donnerstag ist der 19-Jährige in den deutschen Kinos zu sehen.
Michalski fühlt sich wohl in Situationen, in denen er unter Druck gerät. Seit August studiert er in Harvard, schnuppert während des Grundstudiums mal hier, mal dort hinein. Außerdem leitet er eine Studentengruppe, die US-amerikanische Parlamentarier bei Fragen rund um Themen wie „Junge Wähler“ oder Datenanalyse berät. „Demokratische Parlamentarier“, fügt Michalski schnell hinzu. Er interessiert sich sehr für Politik. Ganz im Gegensatz zu Paul, seinem Charakter in „Das schweigende Klassenzimmer“. Der – ebenfalls Abiturient, aber in Stalinstadt, dem heutigen Eisenhüttenstadt, im Jahr 1956, in der tiefsten DDR also – interessiert sich in erster Linie für Mädchen. Paul selbst wäre nie auf die Idee gekommen, bei seinem Großonkel amerikanischen Rundfunk zu hören, um mehr über den Volksaufstand in Ungarn zu erfahren. Aber seine Mitschüler überreden ihn und für seine Freunde ist er da, wenn es drauf ankommt.
Gut vorbereitet in die Rolle
Kraumes Film, der bereits am 20. Februar im Rahmen der Reihe „Berlinale Spezial“ Premiere feierte, beruht auf wahren Begebenheiten, die sich in Storkow abspielten. Eine Schulklasse solidarisiert sich im Kollektiv mit Budapester Demonstranten und organisiert eine Schweigeminute. Für diese politische Haltung wird sie bestraft: Keine Zulassung zum Abitur innerhalb der DDR, Schulverweise. Und Pauls Onkel wird an die Volkspolizei verraten.
„Ich vermisse Paul sehr“, sagt Michalski. Er sei sehr traurig gewesen, als er die Rolle nach 22 Drehtagen à zehn bis 14 Stunden ablegen musste – vielleicht gerade, weil Paul sich nicht viele Sorgen macht, weil ihm Schule nicht so wichtig ist. Dass er, dem Schule sehr wichtig war, zur selben Zeit für das Abitur büffeln musste, habe ihm sehr gut in den Kram gepasst: Das Thema „Leben in der DDR“ kam auch im Leistungskurs Geschichte vor. Lars Kraume habe den jungen Schauspielern sehr viel Zeit zur Vorbereitung auf die Rollen gegeben, erzählt Michalski – so nahm er zum Beispiel Boogie-Woogie-Tanzunterricht.
Eigenes Theaterstück
Michalski wurde in Berlin geboren, wuchs dann zunächst in London auf, bis er im Alter von fünf Jahren mit seiner Familie wieder zurückzog. Seine große Schwester fing mit den Filmen an. Ohne sie, die mittlerweile Film studiert, hätte er sich nicht „Der siebente Kontinent“, „2001: Odyssee im Weltraum“ oder „Vertical“ angeschaut, sagt Michalski. Er konnte nicht genug kriegen. Deswegen wollte er auch unbedingt auf das Filmgymnasium gehen, obwohl andere Schulen in Berlin näher lagen. In Babelsberg schrieb er 2015 auch das Theaterstück „Into The Haystack“, eine politische Satire, die sich um einen Überwachungsstaat dreht. Das Jugendensemble des English Theatre Berlin inszenierte das Stück. Lars Kraumes Nichte übernahm die Hauptrolle. Diese Gelegenheit konnte sich Michalski nicht entgehen lassen – der Politthriller „Der Staat gegen Fritz Bauer“, bei dem Kraume Regie führte, war zu dieser Zeit sein Lieblingsfilm. Er fragte sie nach Kraumes Kontakt.
Traumberuf Regisseur
Auf welcher Seite er denn jetzt lieber stehe, vor oder hinter der Kamera? Das könne er nicht so genau sagen, denn bisher habe er nur Studentenfilme gedreht. Vor der Kamera stand er schon öfter: Sein Debüt gab er 2011 als der junge Robert Cecil in „Anonymus“. Und auch jetzt komme er gerade von einem spontanen Casting – um was es genau geht, dürfe nicht verraten werden.
Sein größter Traum ist es, nach dem Studium selbst Regie zu führen. Schon sein Urgroßvater hätte sich dafür interessiert, beim Film zu arbeiten. Kraume berate ihn bei seinen Plänen. Ein Geheimnis muss aber doch verraten werden: Es war Millionaire’s Shortbread – Mürbeteiggebäck, ursprünglich aus Schottland, mit viel Karamell und obendrauf Schokolade.
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