Wohnungsmarkt in Potsdam: Die Stadt braucht 9000 neue Wohnungen
Die Einwohnerzahl in Potsdam steigt, mehr Wohnungen müssen her. Beim Neujahrsempfang beziffern die kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen den Bedarf bis 2030.
Potsdam - Die kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen sollten eine Vielzahl neuer bezahlbarer Wohnungen bauen und ihren Anteil am Wohnungsmarkt der Landeshauptstadt von aktuell 38 Prozent halten und künftig erhöhen. Das forderte Bodo Jablonowski, Vorstand der Genossenschaft „Karl Marx“, am Mittwochabend vor rund 180 Gästen beim Neujahrsempfang des Arbeitskreises Stadtspuren in der „Fabrik“ an der Schiffbauergasse.
Auf Anfrage der PNN konkretisierte der „Karl Marx“-Chef am Mittwoch seine Vorschläge: „Jetzt hat Potsdam 182.000 Einwohner, bis 2030 wird die Zahl auf rund 200.000 steigen. Für dieses Plus von 18.000 Menschen muss man 9000 Wohnungen vorhalten. Das heißt für uns, dass wir, um unseren Anteil am Markt zu halten, etwa 3500 neue Wohnungen bauen müssen.“
Beim Neujahrsempfang hatte Jablonowski einen Appell formuliert: „Jede kommunale Wohnung mehr auf dem Markt, jede Genossenschaftswohnung mehr bedeutet mehr soziale Sicherheit und ist ein Baustein der Stadt für alle“, sagte er vor hochrangigen Repräsentanten der Wohnungswirtschaft, der Stadt, der Kommunalpolitik und Vertretern der Banken.
Die Potsdamer Wohnungsbaugesellschaften, die sich 1997 zum Arbeitskreis Stadtspuren zusammenschlossen, verfügen über rund 40 Prozent der Mietwohnungen, 70.000 Bürger der Landeshauptstadt leben darin. Ihr Neujahrempfang gibt alljährlich Gelegenheit zu Bilanz und Ausblick.
Mehr soziale Gerechtigkeit gefordert
Leidenschaftlich machte sich „Karl Marx“-Chef Jablonowski für soziale Gerechtigkeit auf dem Wohnungsmarkt stark, vor allem angesichts der steigenden Einwohnerzahl. Die Wohnungsbauer hätten schon jetzt dafür viel getan: Die Pro Potsdam mit Wohnräumen für gemeinschaftliche Lebensentwürfe, die Potsdamer Wohnungsbaugenossenschaft mit dem Anbau von Aufzügen, die Wohnungsbaugenossenschaft 1903 mit dem Ausbau von Dachgeschossen zu Wohnungen. Und noch mehr: Die PWG 1956 habe vakante Gebäude von privaten Unternehmen gekauft, um sich bezahlbare Wohnungen zu sichern, „Karl Marx“ habe Wohngemeinschaften für Demenzkranke sowie Kitas geschaffen.
„Ist es richtig, dass Potsdamer Adressen mit Armut identifiziert werden? Wollen wir, dass soziale Spaltung die Topografie unserer Stadt prägt“, fragte Jablonowski. Die Genossenschaften müssten dagegenhalten: in der Potsdamer Mitte Wohnungen zu sozialverträglichen Mieten bauen und dasselbe in Krampnitz mit der Pro Potsdam leisten. Sie sollten „gemeinsam den Schlaatz neu erfinden“ - als gemischten und vielseitigen Stadtteil. Der „Karl Marx“-Vorstand plädierte zudem für neue kommunale und genossenschaftliche Wohnungen in Babelsberg, der Waldstadt II und im Bornstedter Feld.
In einem Markt mit steigenden Mieten ist die Bilanz der im Arbeitskreis kooperierenden Unternehmen erfreulich. Ihre Durchschnittsmiete liegt aktuell bei 5,98 Euro. „Die stadtweite Durchschnittsmiete der anderen Vermieter liegt fast zwei Euro darüber, während unsere Mieten und Nutzungsgebühren in den letzten zehn Jahren um etwa 12 Prozent anstiegen, schaffte die Durchschnittsmiete der anderen einen Anstieg von 35 Prozent“, sagte er.
Jablonowski sparte nicht aus, dass der Neubau von Wohnungen durch die Zahl von freien Grundstücken begrenzt sei. Seine Lösungsvorschläge: ergänzender Neubau auf bereits bebauten Arealen, auch wenn sich für die Bewohner „Wege und Aussichten ändern und der Parkplatz künftig weiter entfernt liegt“. Und: Die Renaturierung der Nuthe würde „die Zahl Potsdamer Wohnstandorte in Wasserlage erhöhen, der Schlaatz würde dann auch ein Ort am Wasser sein und nicht nur ein Stadtteil neben der Nuthe“.
Mit ihrem großen Anteil an Wohnungen sollten Genossenschaften und Wohnungsbauunternehmen, so der „Karl Marx“-Chef, auch langfristig für Sicherheit sorgen. Sie könnten der Stadt „nicht nur für 15 oder 20 Jahre Belegungsrechte einräumen, wir können das das auch für 30 oder gar 40 Jahre anbieten“.
Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) musste seine Zusage für ein Grußwort wegen des Cyber-Angriffs auf die Stadtverwaltung kurzfristig zurückziehen. Für ihn würdigte die Sozialbeigeordnete Brigitte Meier (SPD) die Arbeit der Genossenschaften, sie leisteten „Hervorragendes für die Stadt“.
Kritischer Blick auf Berliner Mietendeckel
Maren Kern, Vorstand des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), nutzte die Gelegenheit, die Unternehmen der Stadtspuren vor bedenklichen Entwicklungen zu warnen. Die Debatte über die Umlagefähigkeit der Grundsteuer etwa sei „schädlich“. Wohnungsunternehmen wären davon „im großen Umfang betroffen und ihre Ertragskraft erheblich geschwächt“.
Auch dem Berliner Mietendeckel steht der BBU ablehnend gegenüber. „Sehenden Auges rennt man in eine Situation, in der das Landes- oder das Bundesverfassungsgericht in ein oder zwei Jahren“ entscheiden müssten, ob der Mietendeckel überhaupt zulässig sei. Der Mietendeckel sei „eine Operation am offenen Herzen“, er werde „nicht dazu beitragen, dass der soziale Friede in der Stadt gewahrt wird“. Experimente, sagte Kern, „gehören ins Chemielabor“.
„Lassen Sie sich von Ideen, die man in Berlin hat, nicht anstecken“, rief sie ihren Zuhörern in der „Fabrik“ zu.
Kritisch hatte sich der Potsdamer Barde Christian Näthe gleich zu Beginn des Abends mit der Entwicklung seiner Heimatstadt auseinandergesetzt. Begleitet von der Pianistin Beate Wein sang er ein selbst komponiertes und getextetes Liebeslied auf Potsdam, das von Wehmut und Skepsis getränkt war. Die ersten Zeilen: „Kleineres, sauberes Städtchen, du bist wunderschön, aber bist du noch mein Mädchen? Ich weiß es nicht, mal sehn.“
Carsten Holm
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