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Die Brandenburger Straße in Potsdam.
© Sebastian Rost

Brandenburger Straße: Die Potsdamer Einkaufsmeile schwächelt

Immer mehr Läden in der Potsdamer Innenstadt müssen schließen. Dafür ist das Geheimnis um den Standort des neuen Ikea-Studios gelüftet.

Potsdam - Ein Ansiedlungserfolg in Potsdams Zentrum, aber auch drei weitere Geschäftsschließungen: Nach PNN-Informationen wird der schwedische Möbelhandelsriese Ikea sein sogenanntes Planungsstudio in den Räumen der C&A-Filiale in der Brandenburger Straße eröffnen, auch wenn Ikea dies selbst noch nicht bestätigt hat. C&A hatte jüngst angekündigt, seine Innenstadtfiliale zu schließen. Gleichzeitig wurde bekannt, dass drei Geschäfte in der Brandenburger Straße aufgeben und schließen. Darunter ist die Filiale der weltweit tätigen Kaffeehauskette Starbucks. Das Lokal an der Brandenburger Straße/ Jägerstraße schließt bereits am 29. Februar, hieß es aus Mitarbeiterkreisen. Ebenfalls zum Ende des Monats wird der Glas- und Dekorationsladen Leonardo in der Brandenburger Straße 19 zumachen – „nach 18 Jahren an dieser Stelle“, wie Mitarbeiterin Ilona Irmler mit Bedauern sagte. Drittes Geschäft, das in Kürze schließt, ist die WMF- Filiale in der Brandenburger Straße 61. Über die Schließungen hatte zuerst die Märkische Allgemeine Zeitung berichtet. 

Gründe für die Schließungen wurden offiziell nicht genannt. Nach PNN-Informationen haben die hohen Ladenmieten in der Potsdamer Innenstadt sowie damit verbundene Querelen mit Vermietern einen entscheidenden Anteil. Hinzu kommt in bestimmten Bereichen auch ein immer gravierender Fachkräftemangel. Aber auch schwindendes Kundeninteresse wurde auf Nachfrage genannt. 

SEB-Bankräume stehen seit Jahren leer

Geschäftsaufgaben und leerstehende Ladenräume nehmen im Innenstadtbereich zu. Im Luisenforum und Lindenhof, zwei Innenhöfen an der Brandenburger Straße gibt es freie Geschäftsflächen, auch in der Einkaufsmeile selbst stehen mehrere Ladenflächen frei, am auffälligsten wohl der nun schon jahrelange Leerstand der einstigen SEB-Bankräume an der prominenten Ecke Brandenburger Straße/ Friedrich-Ebert-Straße. Auch in den Seitenstraßen der Brandenburger Straße suchen freie Ladenflächen neue Einzelhändler. Zudem schließt das „Badezimmer Potsdam“ in der Gutenbergstraße ebenfalls Ende Februar. An Neuansiedlungen konnte auf der Einkaufsmeile Ende 2019 die Eröffnung eines Netto-Discounters in der früheren „Börse“ verzeichnet werden. Derzeit wird ein früheres Modegeschäft zu einem Café umgebaut. 


Manfred Gerdes, Insider für den Innenstadthandel und bis 2018 Vorsitzender der AG Innenstadt prophezeite: „Es werden demnächst sicher noch ein paar Läden in der Innenstadt schließen.“ Von einer Krise wollte Gerdes indes nicht sprechen, als Warnsignal sollte man die Schließung und den Leerstand aber schon sehen, sagte der Einzelhandelsexperte auf PNN-Anfrage. Gerdes sagte, in die Gewerbemieten in der Innenstadt sei Bewegung gekommen, „einige Händler haben in Nachverhandlungen mit den Vermietern niedrigere Quadratmeterpreise erreichen können“, so Gerdes. Er forderte neue Ideen für den Innenstadthandel im Einzelhandelskonzept, das derzeit fortgeschrieben wird. Seine Kritik: „Für die Brandenburger Straße ist kein Konzept zu erkennen.“ Gerdes kritisierte unter anderem auch die Verkehrssituation und die Planungen der Stadt für das Zentrum. Bekanntlich gibt es konkrete Pläne, die Friedrich-Ebert- Straße zwischen Nauener Tor und Charlottenstraße autofrei zu gestalten. „Wie sollen die Kunden zu den Geschäften kommen?“, so Gerdes.

Hoher Wettbewerbsdruck durch Onlinehandel

Der Referent für Handel bei der Potsdamer Industrie- und Handelskammer, Malte Gräve, sah die drei neuerlichen Geschäftsschließungen in der Brandenburger Straße als Ergebnis eines „schleichenden Prozesses“. Zum einen gebe es bei Einzelhändlern einen Wettbewerbsdruck durch den Onlinehandel. Aber auch die Standorte untereinander – also Innenstadt, Stern-Center, Bahnhofspassagen, Babelsberg und nicht zuletzt Berlin – stünden im Wettbewerb miteinander, so der IHK-Handelsexperte. „Der Kunde erwartet heutzutage ein Einkaufserlebnis.“ Die Stadt könne zumindest strategisch dabei vorgehen und die Ansiedlung von Attraktionen wie Kino oder Theater in der Innenstadt unterstützen. Auch Gräve sah die Verkehrssituation in Potsdam als Hemmnis für florierenden Innenstadthandel – und kritisierte dabei die schon beschwerliche Anfahrt ins Potsdamer Zentrum.

Chef der Wirtschaftsförderung war von den Schließungen überrascht

Der Chef der Potsdamer Wirtschaftsförderung, Stefan Frerichs, gab gegenüber den PNN zu, „von den Geschäftsschließungen überrascht“ worden zu sein. Die Möglichkeiten der Stadt, Einfluss auf Mietpreise oder einen Branchenmix zu nehmen, seien begrenzt, so Frerichs. „Wir sind da auf die Zusammenarbeit und das gemeinsame Interesse von Vermieter und Händler gleichermaßen angewiesen“, so Frerichs. Dennoch arbeite man bei der Verwaltung an einer Förderung der Brandenburger Straße. Er verwies auf die kommende Sanierung des Straßenbelags in der Brandenburger Straße, die ab 2021 in vier Bauabschnitten durchgeführt werden soll. „Wir qualifizieren die Brandenburger Straße“, so Frerichs, der gleichzeitig von Händlern und Gastronomie in der Innenstadt Eigeninitiative erwartet. „Der Wildwuchs an Werbeaufstellern darf genauso wenig sein wie die ausufernden Außengastronomieflächen“, nannte Frerichs Beispiele, die nicht für Aufenthaltsqualität in der Einkaufsstraße sorgen. Er kündigte an, das Einzelhandelskonzept, das derzeit fortgeschrieben wird, werde sich auch mit der Qualität des Einzelhandels und der Handelsstandorte beschäftigen. Erste Ergebnisse kündigte Frerichs für das zweite Halbjahr an. 

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