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Erbaut als architektonisches Juwel im Potsdamer Seenland, verfiel die Sacrower Heilandskirche im Todesstreifen der DDR-Grenze – und wurde nach dem Mauerfall behutsam restauriert.
© Andreas Klaer

Vor dem Verfall gerettet: Die Heilandskirche in Sacrow wird 175 Jahre

Der König ließ sie bauen, die DDR ließ sie verfallen, die Westberliner halfen, sie zu retten: Die Sacrower Heilandskirche ist ein Zeugnis der Zeitgeschichte und architektonisches Schmuckstück.

Potsdam - Ist es ein Schlösschen, Tempel oder doch ein Schiff, was da am Wasser in Sacrow liegt? Die Heilandskirche, so der Wunsch des Bauherrn Friedrich Wilhelm IV., sollte jedenfalls etwas Besonderes werden. Von seiner Bildungsreise nach Italien hatte er die Vorliebe für die Antike und italienische Renaissance mitgebracht. Die neue Kirche für die Sacrower skizzierte er als Basilika mit umlaufendem Arkadengang. Ein zartes, luftiges Gebilde in einer lieblichen Uferlandschaft, ein Haus für die Gläubigen und ein Blickfang für alle, die von Potsdamer Seite übers Wasser schauten.

1844, vor 175 Jahren, wurde der Bau fertig gestellt, am 21. Juli war Kirchweih. Das wird am kommenden Sonntag feierlich von der Gemeinde und dem Verein Ars Sacrow begangen. Gefeiert wird eine Kirche, die es beinahe heute nicht mehr geben würde. Denn die Kirche stand 1961 plötzlich mitten im Grenzstreifen, im plattgemachten Areal hinter der Mauer – Richtung Westen. Die Nutzung der Kirche wurde unmöglich. Und die Sacrower mussten, wieder einmal, ohne Kirche zurechtkommen.

Ludwig Persius wird mit dem Bau beauftragt

Die erste Kirche ist ein Feldsteingebäude, gebaut Mitte des 7. Jahrhunderts. Sie steht mitten im Dorf und nicht lange. An selber Stelle wird 1694 eine Fachwerkkirche errichtet. Die Gemeinde ist anscheinend nicht sonderlich reich und die zuständigen Hauptpfarreien wechseln häufig. Fontane zitiert in seinen „Wanderungen durch die Mark“ einen Pfarrer von 1790 folgendermaßen: „Meine Pfarre ist eine beschwerliche Pfarre…ein verdrießlich Filial, und doch muß ich es alle 14 Tage bereisen. Gott! Du weißt es, wie ich dann … bis Abend fahren und reden muß, wie sauer es mir jetzt wird.“ 1822 wird das Kirchlein wegen Baufälligkeit abgerissen. Als Ersatz richtet man einen Betsaal in einem Haus in der Nähe des Schlosses ein. Bis dann 1844 die neue, die jetzige Kirche kommt. Zunächst erwarb Friedrich Wilhelm IV. das frühere Rittergut für 60.000 Taler. Anschließend wurde Hofarchitekt Ludwig Persius mit dem Bau der Kirche beauftragt. In der Schilfzone des abschüssigen Ufers ist das eine Herausforderung. Es müssen zahlreiche Pfähle in den Boden gerammt werden. Das verschlingt einen Großteil der Baukosten. Doch der Bau dauert nur drei Jahre, dann ist Kirchweih. Im Schloss wird die Amtswohnung für den ersten Pfarrer eingerichtet. Aber Sacrow bleibt nur kurz eine eigenständige Pfarrei, später gehört es mal zur Friedenskirche, zu Bornstedt, zu Klein Glienicke, St. Peter und Paul auf Nikolskoje oder Stolpe – und heute zur Potsdamer Pfingstgemeinde. Ab August 1961 ist das Ufer innerdeutsches Grenzgebiet, die Kirche steht bis 1989 im gerodeten Mauerstreifen. Grenztruppen haben jetzt das Sagen. Heiligabend 1961 findet mit Pfarrer Joachim Strauss und unter Bewachung der Grenzer der letzte Gottesdienst statt.

Spende aus dem Westen

In den folgenden Jahren wir das Innere von deutschen und russischen Soldaten verwüstet, die Bausubstanz wird mehr und mehr beschädigt. Das ist für Westberliner von der Wasserseite her zu erkennen. So kommt es Mitte der 1980er-Jahre zu einer besonderen Hilfsaktion: Auf Vermittlung des West-Berliner Regierenden CDU-Bürgermeisters Richard von Weizsäcker spendet der Senat 500.000 D-Mark für die dringende Sanierung von Dach und Außenhülle, Tagesspiegel-Leser spenden weitere 500.000 D-Mark – eine weitsichtige, mutige Investition in die Zukunft. Die nahezu komplette Zerstörung im Inneren wird sichtbar, als die Grenzer Ende November den Kirchenschlüssel an Pfarrer Hans Schalinski übergeben. Bis auf das Wandgemälde der Apsis ist nahezu aller Schmuck zerstört und verschwunden, der Putz abgebröckelt, das Kirchgestühl fehlt komplett. Der erste Gottesdienst nach Grenzöffnung findet dennoch schon Heiligabend 1989 statt. Pfarrer Strauß, mittlerweile im Ruhestand, darf ihn halten. Zu Gast sind unter anderem Richard von Weizsäcker, Walter Momper, damals Westberlins Bürgermeister, und Manfred Stolpe, damals Konsistorialpräsident der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg. Man sitzt auf einfachen Stühlen in der ungeheizten, nackten Kirche, Tannenzweige schmücken die kahlen Wände. Heute ist die Kirche ein Schmuckstück und auch aufgrund der Intimität – es sind nur etwa 110 Plätze – für Trauungen und Taufen sehr gefragt ist. Auch für Filmaufnahmen: Til Schweiger drehte hier eine Schlüsselszene für „Keinohrhasen“.

Alle 14 Tage findet ein Gemeindegottesdienst statt, regelmäßig gibt es sonntags Kirchenmusik. Die Kirche ist ein beliebtes Ausflugsziel, sagt Küsterin Regina Mollenhauer. „Wenn das Wetter schön ist, kommen die Leute gerne hierher.“ Manchmal zu gerne. „Dann legen die hier mit ihren Partyflößen an, laden Bierkästen ans Ufer und machen Party gleich neben der Kirche – da wünsche ich mir etwas mehr Respekt und Rücksicht.“ Richtige Sorgen hat man in der Gemeinde nicht. 2009 kam eine neue Orgel, 2012/13 wurde der Glockenturm saniert. Sogar der Keller ist trocken, stellte man kürzlich überraschend fest. Es würde sie aber freuen, sagt die Küsterin, wenn sich mehr Helfer für die Besucherbetreuung fänden.

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