Potsdam: Die Glücksbringerin
Jette Joop ist erfolgreiche Unternehmerin, Designerin, Model und Mutter – und findet trotzdem Zeit für ehrenamtliches Engagement. Gemeinsam mit Behinderten in einer Werkstatt in Potsdam will sie sich nun einen alten Traum erfüllen
Kürzlich saß sie mal nachts am Fenster, konnte nicht schlafen, wollte nachdenken, ganz intensiv. Jette Joop starrte in den schwarzen Himmel über Berlin, und da flog sie ihr plötzlich entgegen. Eine Sternschnuppe. Wie ein Gruß aus einer anderen Welt, eine Glücksbotin.
Jetzt steht Jette Joop in einem großen Büro ihrer Unternehmenszentrale an der Chausseestraße in Berlin-Mitte und blättert Zeichnungen und „Mood Boards“ durch. Die zeigen die Trends der kommenden Winter- und Sommersaison, Aquatic, Reflections, Navajo. Manchmal hat sie erste Entwürfe für Schmuckstücke direkt zwischen die abgebildeten Kleider und Accessoires gezeichnet. Das Los der Kreativen ist es, bereit zu sein für Einfälle. Um sie dann festzuhalten, wo immer sie gerade sind, was immer sie gerade tun.
Jette Joop, die Tochter des Potsdamer Modeschöpfers Wolfgang Joop, ist ein Mensch, der sich Stillstand nicht vorstellen kann. Gerade hat sie innerhalb ihrer Arbeit als Botschafterin für das Rote Kreuz ein neues Einsatzfeld entdeckt – und dabei eine neue Brücke nach Potsdam geschlagen. In Potsdam besuchte sie vor Kurzem die DRK-Werkstatt für Behinderte. Die meisten dort Beschäftigten arbeiten normalerweise mit Holz und Metall. Bei der Begegnung fiel ihr wieder ein, wie lange sie schon davon träumt, hier in der Region etwas fertigen zu lassen. Normalerweise gehen ihre Entwürfe nach Asien. Aber Jette Joop ist ein großer Fan des deutschen Handwerks. Als sie mit den Beschäftigten in der Werkstatt sprach, hatte sie die Idee, ihren alten Traum zunächst mal im Rahmen eines Charity-Projekts zu verwirklichen. Also hat sie begonnen, Entwürfe für Armbänder im Stil der Navajo-Indianer zu zeichnen, die in der Werkstatt gefertigt werden sollen, und zwar so, dass die Beschäftigten ihre eigene Kreativität einbringen können. „Das ist das erste Mal, dass unsere Beschäftigten im Kreativbereich tätig sind“, sagt Steffen Ziems vom Werkstatt-Marketing. Bisher sind die insgesamt etwa 200 Beschäftigten in der Dienstleistungsbranche tätig, Landschaftspflege, Verpackung. Auch Autoteile werden in der Metallwerkstatt gefertigt. „Schmuck – das ist mal was anderes“, so Ziems. Jetzt wird der Testlauf geplant, wenn alles klappt, beginnt mit etwa zwölf Mitarbeitern die Serienproduktion. Die DRK-Werkstatt bekommt als Vergütung einen realistisch kalkulierten Stückpreis: „Das ist wie bei jedem anderen Auftrag auch.“
Und der Erlös fließt vielleicht in neue Kinderprojekte. Als DRK-Kinderbotschafterin kämpft Joop auch gegen Malaria, weil Kinder und Schwangere besonders häufig betroffen sind und viele durch ein Moskitonetz für zehn Euro gerettet werden könnten.
Jette Joop liebt Kinder, denn sie ist, das sagt sie zwar nicht, aber das merkt man, auch eine ziemlich stolze Mutter. Zwar lässt sie sich mit ihrer 17-jährigen Tochter und ihrem 5-jährigen Sohn nicht öffentlich fotografieren, aber in ihrem Handy trägt sie jede Menge Bilder mit sich herum. Sie ist auch stolz auf die Väter der beiden, „weil beide sehr bewusste und verantwortungsvolle Väter sind, die sich auch kümmern“.
„Kreativität ist ein Geschenk, das man mit möglichst vielen Menschen teilen sollte“, sagt Joop. Inzwischen sitzt sie am schlichten weißen Konferenztisch, vor sich den lustigen bunten Elefanten, den sie vom Verein „Nestwärme“ bekommen hat für ihren Einsatz bei der Charity-Aktion „Elepunk“. Mit dem von ihr gestalteten Elefanten „Lovely Elepunk“ erzielte der Verein bei einer Auktion im letzten Jahr ein Rekordergebnis von 15 000 Euro, die Familien mit schwer kranken und behinderten Kindern zugutekommen.
Dass sie ihr Talent teilt, meint eben nicht nur, das unzählige Menschen ihre Entwürfe tragen, Ringe, Ketten und Ohrstecker, dass Frauen nach ihren Parfüms duften, dass sie schöne Kleidung entworfen hat und nützliche, zum Beispiel Uniformen für Air Berlin oder für einen Gebäudereiniger. Schon seit über zehn Jahren engagiert sie sich fürs Rote Kreuz. Gleich die erste große Aktion hat ihr klargemacht, dass dies ein langfristiger Einsatz werden würde. Als sie die Schule im nordbrasilianischen Busch besuchte, die sie bauen half, mit Polizeieskorte, weil es da nicht ungefährlich war, tat sie etwas ganz Untypisches. Hier ist in den Einkaufszentren ihr Name überall präsent: Jette, Jette, Jette. Dort hatten die Schüler ihren Namen ganz groß an der Schule angebracht. Das gefiel ihr gar nicht. „Eine kleine Plakette reicht doch.“
Jette Joop weiß, dass jede Menge Klischees über sie im Umlauf sind, die ihr heute nicht mehr entsprechen. Powerfrau? „Bin ich gar nicht.“ Eine „Celebrity“ will sie auch nicht sein. Sie fühlt sich als Designerin durch und durch. „Dafür brenne ich.“ Klar hat sie früher immer die harte Geschäftsfrau gegeben. Sie musste sich ja durchsetzen als Unternehmerin, musste ihr Profil schärfen, was besonders schwierig ist, wenn man einen berühmten Vater hat, der in derselben Branche tätig ist. Mit ihm hatte sie viel beachtete Auseinandersetzungen, aber inzwischen hat sie ihren Frieden geschlossen.
Sie fühlt sich wohl in einem Alter, in dem man nicht mehr dauernd kämpfen, sich und anderen etwas vormachen muss. Inzwischen steht sie dazu, eine verletzliche, verträumte Seite zu haben. „Stark ist man nur dann, wenn man Schwäche auch zeigen kann.“
Sie wäre auch gerne Ärztin geworden, aber brauchte immer mehr Freiraum und war immer der Überzeugung: „Du kannst nur erfolgreich sein mit dem, was du liebst.“ Als sie später das Familienunternehmen übernehmen sollte und unter anderem bei Ralph Lauren in New York lernte, spürte sie irgendwann, dass sie sich trennen musste. Nachdem das väterliche Unternehmen verkauft worden war, machte sie in der ersten Phase der Selbstständigkeit viele Fehler, so sieht sie es heute. Aber sie stünde nicht dort, wo sie steht, wenn sie nicht auch jede Menge richtiger Entscheidungen getroffen hätte.
Wie die Entscheidung fürs Rote Kreuz. Sie versteht Menschen nicht, die mit ihrem Leben nichts anfangen können, besonders solche, die auf Arbeit nicht dringend angewiesen sind. „Es gibt so viel zu tun, man braucht doch nur mal in Kitas zu schauen, in Schulen.“ Für sie ist es ein gutes Gefühl, das Funkeln in den Augen zu sehen. Zum Beispiel dann, wenn sie die Kunst der Indianer in die Potsdamer Werkstatt bringt, damit sie sich mit deutscher Handwerkskunst verbindet.
Das Wort Kunsthandwerk mag sie gar nicht, ein guter Handwerker ist für sie auch ein Künstler, ein Künstler muss auch ein guter Handwerker sein. Offensichtlich gibt es auch Jette, die Philosophin. Und Jette, die Himmelsleserin. Die Sternschnuppe steht noch in Bleistift gezeichnet auf dem Papier. Nächstes Jahr, wer weiß, gibt es sie vielleicht auch als Schmuck. Womöglich in Kombination mit einem bunten Perlenarmband nach Navajo-Art aus Potsdam. (mit spy)
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