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Stand-Up-Paddling in Potsdam: Die Bretter, die die Welt bedeuten

Für den Potsdamer Kanu-Olympiasieger Sebastian Brendel ist es eine wertvolle Abwechslung, für andere ein Lifestyle-Spaß - und ganz andere streiten sich darum: Stand-Up-Paddling.

Dass Sebastian Brendel gleich einer ganzen Reihe von Kontrahenten deutlich hinterherfährt, ist für ihn eine völlig ungewohnte Erfahrung. Vergangenes Jahr machte der dreifache Kanu-Olympiasieger diese beim Weltcup im Ostseebad Scharbeutz. Dort trafen sich Top-Athleten des Stand-Up-Paddling, kurz SUP. Auf einem Brett stehend paddeln sie über das Wasser. Sebastian Brendel belegte damals Rang 33 des 500-Meter-Sprints, wurde 19. auf der 10.000-Meter-Langstrecke und hatte „einfach nur riesig viel Spaß“, wie er sagt. „Es ist echt beeindruckend, was die Spitzenleute so drauf haben.“ Am Wochenende wird sich der 30-Jährige wieder mit ihnen messen, wenn die diesjährige Eurotour erneut Station in Scharbeutz macht. Eine Woche später will er auch noch an einem SUP-Wettkampf in London teilnehmen.

SUP entwickelt Brendel motorisch weiter

Brendel bezeichnet diese Abstecher in einen anderen Wassersport als „schönen Ausgleich für Kopf und Muskeln“. Regelmäßig baue er inzwischen SUP in seinen Trainingsplan ein. Daheim wie auch auswärts – etwa beim Winter-Nationalmannschaftslehrgang in Florida, wo er sich auf dem Atlantik ausprobierte. „Das Gute am SUP ist, dass ich beide Seiten beanspruche“, erklärt der Canadierfahrer, der in seiner angestammten Disziplin nur auf einer Seite, der linken, arbeitet. Auf dem SUP-Board wird auch seine rechte gefordert, was einen interessanten Effekt nach sich gezogen hat. „Durch das SUP-Training kann ich mich jetzt auch im Canadier halten, wenn ich rechts paddle.“ Früher seien diese Versuche sofort mit einem Bad geendet. „Dass ich das nun hinbekomme, ist ein super Zeichen. Es heißt: Ich habe mich motorisch weiterentwickelt. Das macht mich also sicher auch für den Kanu-Rennsport besser.“

Während für Sebastian Brendel SUP eine wertvolle Ergänzung im Trainingsprozess ist, klettern immer mehr Menschen mit Paddel aufs Brett, um so ihre Freizeit zu verbringen. Die Beliebtheit dieser naturverbundenen Outdoor-Aktivität steigt immer mehr – erst recht, seitdem es leicht transportable Aufblasboards gibt. SUP ist wohl derzeit der größte Trendsport überhaupt. Hip mit hohem Lifestylefaktor. Überall werden die Gewässer von den „SUPlern“, wie sie genannt werden, bevölkert. Auch in Potsdam prägen sie das Bild der Havel. Längst reicht das Spektrum auch weit über das Herumschippern hinaus, denn es wird bereits SUP Yoga, SUP Polo oder SUP Crossfit betrieben.

Weltverbände der Surfer und Kanuten im Clinch

Der Markt wächst, die Aktivenzahlen werden stetig größer. Eine Entwicklung, die auch dem organisierten Sport nicht verborgen bleibt. Im Wissen um das große Potenzial von SUP hat sich ein Streit zwischen der International Surfing Association (ISA) und der International Canoe Federation (ICF) entsponnen – bis vor den internationalen Sportgerichtshof CAS. Beide Verbände wollen die Federführung für SUP, die Disziplin unter ihrem Dach verwalten.

Die ISA argumentiert, sie sei aus vielerlei Hinsicht zuständig. Der Ursprung als Sportart liegt bei hawaiianischen Surflehrern, die begannen, ein Paddel zu nutzen, um besser während der Übungseinheiten voranzukommen. Etwa zur Jahrtausendwende kristallisierte sich SUP auf Hawaii als eigenständige Disziplin heraus. Vor zehn Jahren nahm die ISA dann SUP in ihr Programm auf und führt seit 2012 eine jährliche Weltmeisterschaft durch. Ziel des Verbandes ist es, SUP olympisch zu machen. So wie sie das mit dem Wellenreiten für die Sommerspiele 2020 in Tokio geschafft hat.

Steven Bredow: "SUP hat ein Zwitter-Dasein"

Aber auch die ICF möchte SUP groß herausbringen. Sie sagt ganz klar: Ein Paddel ist mit im Spiel – also sind wir Kanuten verantwortlich. Die Wurzeln jener Fortbewegungsart hat auch etwas mit Kanuvehikeln zu tun, denn es waren zuerst polynesische Fischer, die stehend auf ihren Booten paddelten. Die ICF intensiviert ihre SUP-Bemühungen nun enorm. Vom 30. August bis 2. September veranstaltet sie in Portugal ihre erste Weltmeisterschaft für die „SUPler“ – Ende November steigt in Brasilien die WM der ISA. Es entsteht ein Tauziehen auf Wasser um die Bretter, die die Welt bedeuten.

Steven Bredow schätzt die Situation als schwierig ein. Der ehemalige Kanu-Juniorenvizeweltmeister aus Potsdam zählt zu den besten deutschen SUP-Athleten. 2016 und 2017 gewann er die nationale Liga, war voriges Jahr WM-Teilnehmer. „SUP hat ein Zwitter-Dasein“, erklärt er. Finden Wettkämpfe auf Flachwasser statt, werde eher gepaddelt wie im Kanu – geht es rauf aufs Meer, seien Surfqualitäten gefragt. „Daher wäre es vielleicht sinnvoll, dass beide Verbände zunächst in Kooperation treten“, sagt der Inhaber von „Süßwasser Events“. Am Ende, glaubt er jedoch, könne es nur einen geben. „Es wird sich der durchsetzen, der die besseren Veranstaltungen organisiert. Ich vermute, da hat über kurz oder lang die ICF die Nase vorne.“

Vier Brandenburger Vereine haben SUP integriert

Ein Mitglied dieser Vereinigung ist der Deutsche Kanu-Verband, bei dem Steven Bredow in einer SUP-Arbeitsgruppe mitwirkt, um die Disziplin hierzulande weiter zu profilieren. Einige wenige hundert leistungsorientierte Fahrer gebe es in Deutschland, so Bredow, der auch SUP-Fachwart des Landes-Kanu-Verbandes Brandenburg ist. Zahlreiche private Anbieter geben in der Mark SUP-Kurse, in Potsdam beispielsweise „SUP Trip“ in der Kastanienallee. Doch erst vier Brandenburger Vereine haben diese Sportart auch schon bei sich integriert – darunter Preussen-Kanu im OSC Potsdam und die Wassersportfreunde Pirschheide.

„Aber es entwickelt sich langsam eine rege Wettkampfszene“, berichtet der 32 Jahre alte Bredow. Vergangenes Jahr feierte der Inselmarathon mit der Umrundung von Herrmannswerder Premiere, die Oceansport Havel Challenge von Preussen-Kanu lockt im Herbst ebenso auf das Board wie der sich in seiner zweiten Auflage befindende SUP-Cup Berlin-Brandenburg, der 2018 zweimal in Potsdam Station macht.

Potsdamer Paul Ganse schrieb deutsche SUP-Geschichte

Auch dem internationalen Vergleich stellen sich Potsdamer. Paul Ganse, ebenfalls Ex-Kanute, schrieb dabei vorigen Monat Geschichte. Als erster Deutscher gewann er ein Event der Eurotour, bei der Preisgelder von insgesamt fast 100.000 Euro ausgeschüttet werden. Ganse siegte auf der Langstrecke im belgischen Namur.

Nun steht für ihn, Steven Bredow und weitere SUP-Begeisterte aus Brandenburgs Hauptstadt der Weltcup im Ostseebad Scharbeutz bevor. 2017 verfolgten laut Veranstalter etwa 10.000 Zuschauer vom Ufer und der Seebrücke aus die Rennen. „Eine tolle Kulisse war das“, sagt Sebastian Brendel, der sich zwei Monate vor der Kanu-WM auf den erneuten Gastauftritt in der „super entspannten“ SUP-Szene freut. „Ich möchte das wieder genießen.“ Ganz ohne Ehrgeiz kann ein Typ wie er jedoch nicht. Er sei besser geworden, betont Brendel, und hoffe, diesmal weniger Gegnern hinterherzufahren.

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