Potsdam: Der Zeitmanager
Mit 28 Jahren wurde David Kolesnyk Anfang Juni zum Potsdamer SPD-Chef gewählt. Ein Porträt.
Potsdam - Politik hat für David Kolesnyk viel mit Organisation zu tun. Mit der Organisation von Sitzungen, vom Wahlkampf, der Strukturierung von Ideen, aber auch mit Selbstorganisation. Im Gespräch mit ihm wird schnell klar: Da sitzt ein Zeitmanager mit viel Selbstdisziplin. Der 28-Jährige ist derzeit Rechtsreferendar bei der Potsdamer Staatsanwaltschaft, Stadtverordneter, Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses – und seit Anfang Juni Chef der Potsdamer SPD.
Sein frühes politisches Engagement – trotz des jungen Alters ist der Potsdamer in der Stadtpolitik schon ein alter Hase – erklärt Kolesnyk auch mit seiner Herkunft. „Ich bin in Drewitz aufgewachsen, mit fünf Geschwistern, in einer Umgebung, in der nicht immer alles super läuft“, beschreibt er. In der Plattenbausiedlung sei gerade Chancengleichheit ein großes Thema. Später lebte die Familie in einer Sozialwohnung im Kirchsteigfeld. „Ich habe auch erlebt, wie es ist, wenn nicht so viel Geld zu Hause ist, auch mal ein Elternteil arbeitslos ist“, sagt Kolesnyk, der fast immer in Jeans, T-Shirt und Turnschuhen unterwegs ist.
Zunächst hatte er sich in der Schule engagiert, als Klassen-, Jahrgangs- und schließlich als Schulsprecher im Evangelischen Gymnasium Hermannswerder. Ein wichtiges Erlebnis war ein Praktikum bei der Ausländerseelsorge der evangelischen Kirche. Dort betreute er eine Familie aus dem Kosovo. „Der Sohn wurde in der Schule als Schwarzer beschimpft“, empört sich Kolesnyk noch heute. „Da läuft doch etwas schief, wenn Achtjährige mit rassistisch gemeinten Beleidigungen um sich werfen!“
Mitgliedschaft bei der Linken? „Dort waren noch die ganzen Stasi-Bonzen, die das System mitgetragen hatten“
Sein Mitgliedsantrag bei der SPD sei auf seinen 17. Geburtstag datiert, erinnert er sich. Dass nur Parteien links von der Mitte für ihn in Frage kamen, sei immer klar gewesen. Er fuhr zu Demos gegen Nazis nach Dresden, ging am 1. Mai in Potsdam auf die Straße. Die Linke schloss er aus: „Dort waren noch die ganzen Stasi-Bonzen, die das System mitgetragen hatten“, sagt er deutlich. Die Grünen, so empfand er es, waren damals „im Kampf mit sich selbst, ob sie ein historisches Potsdam wollen oder eines, in dem Menschen leben“.
Die SPD also, für die er anfangs bei den Jusos aktiv ist. Kolesnyk gilt als ehrgeizig, und so liest sich auch der Aufstieg innerhalb der Partei: stellvertretender, dann Vorsitzender der Potsdamer Jusos; dann stellvertretender Landesvorsitzender. Seine Themen sind vor allem Kinder und Jugend, Schulen und Kitas. Während des Jurastudiums an der Universität Potsdam engagiert er sich auch im Studierendenparlament und im Senat der Uni. „Selbst etwas tun, und dann auch irgendwann das Ergebnis der eigenen Arbeit sehen“, so beschreibt Kolesnyk seine Motivation für die politische Arbeit.
Während des Studiums entdeckt er das Thema bezahlbares Wohnen für sich. Mit Mitstreitern erstellt er eine Forderungsliste, „daran orientiere ich mich heute noch“. Er selbst lebt in einer Wohngemeinschaft in Babelsberg, etwas anderes könne er sich vom Referendariatsgehalt nicht leisten, sagt er.
„Da wollte ich Stadtverordneter werden“
Sobald es um seine Themen geht, er von teuren Wohnungen, fehlenden Studentenwohnheimen und zu niedrigen Einkommensgrenzen für den Wohnberechtigungsschein spricht, richtet er sich auf. Die Gesten werden größer, nach Politikerart. Er artikuliert klar, ohne dabei laut zu werden. Nutzt die Rhetorik der SPD, spricht direkt an, nennt Beispiele. Man merkt ihm an, dass er es mittlerweile gewohnt ist, vor Publikum zu sprechen – als Politiker oder beruflich vor Gericht.
Bei der Kommunalwahl 2008 trat er erstmals an, „aber vor allem, um Stimmen für die SPD zu sammeln“. Im Jahr 2014, mittlerweile war er Vorsitzender der SPD Babelsberg, sei es dann anders gewesen, „da wollte ich Stadtverordneter werden“. Wurde er auch. Ende des Jahres wurde er zum Vorsitzenden des Jugendhilfeausschusses gewählt.
Mit den Strukturen sei er gut klargekommen. „Studierendenparlament und Senat waren eine gute Schule, dort habe ich gelernt, wie man agiert, um Respekt zu bekommen“, sagt er. Man habe ihn ernst genommen. Wer Kolesnyk im Jugendhilfeausschuss beobachtet, erlebt ihn eher diskret. Er spricht dort meist ruhig, moderierend, greift aber ein, wenn die Diskussion abdriftet. „Inhaltlich war das am Anfang sehr komplex und anspruchsvoll“, gibt er zu. Er musste sich erst einarbeiten, sitzt dort schließlich mit Trägern mit jahrelanger Facherfahrung. Einige wichtige Entscheidungen der letzten Zeit sieht er durchaus auch mit als seinen Verdienst an, wie etwa die Einführung von Schulsozialarbeitern an allen Schulen der Stadt.
Politik soll nicht zum Hauptberuf werden - zumindest vorerst
Als SPD-Vorsitzender will er dranbleiben an seinen Themen. Er weiß aber auch, dass er nun Ansprechpartner ist für die unterschiedlichsten Belange, Position beziehen muss auch zu Landesthemen. Angst scheint ihm das nicht zu machen, er geht es strukturiert an. Das Referendariat sei zeitlich flexibel, er arbeite an den Akten, zu anderen Zeiten an Themen für die SPD, dann hat er wieder Termine. Und dann ist da noch der anstehende Oberbürgermeister-Wahlkampf, der organisiert werden muss. Für Privatleben bleibe wenig Zeit, sagt er. Aber er versuche, das Wochenende frei zu halten.
Ob er später beruflich Politik machen will, weiß Kolesnyk heute noch nicht. Zumindest sagt er das. „In den nächsten fünf bis zehn Jahren will ich für kein Hauptamt kandidieren.“ Wenn er Anfang 2020 fertig wird mit dem zweiten Staatsexamen, wolle er erst einmal arbeiten und Erfahrungen sammeln.
Und danach? „Da bin ich offen“, sagt er. Auf die Frage, ob er sich auch ein Engagement für die SPD auf Landes- oder Bundesebene vorstellen könne, antwortet er: „Ich schließe nichts aus.“ Es klingt vorbereitet, ein wenig einstudiert, nach professionellem Politiker.
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