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Platzecks Zeit als Potsdams Bürgermeister: Der Stimmungswandler

Als Oberbürgermeister hat Matthias Platzeck Potsdam von seinem schlechten Ruf befreit.

Potsdam und Matthias Platzeck – das ist eine besondere Beziehung. Eine Symbiose zum beiderseitigen Nutzen. Diese Stadt, in der er geboren und aufgewachsen ist, hat ihn zum Politiker gemacht. Und der Politiker Platzeck hat im Gegenzug Potsdams Image gerettet.

Hier in Potsdam wird er geboren, am 29. Dezember 1953, als Sohn eines bekannten Hals-Nasen-Ohren-Arztes und einer medizinisch-technischen Assistentin. Hier geht er zur Schule, hier werden seine politischen Sinne geschärft, hier ist er verwurzelt. Die Stadt, sein Babelsberger Kiez, bedeuten ihm viel. Bis heute ist das so. Als kritische Bürger 1987 über den zunehmenden Verfall der Innenstadt diskutieren, ist Platzeck dabei. Aus einem ersten Subbotnik am Pfingstberg erwächst die „Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung“, die Platzeck mitbegründet. Mit der Wende beginnt der politische Aufstieg, sein Krisenmanagement bei der Jahrhundertflut an der Oder hat den damaligen Landesumweltminister zum Star gemacht.

In Potsdam aber hakt es zu diesem Zeitpunkt mächtig. Ende der 90er-Jahre ist der Ruf der Stadt am Boden. Der Wahrheitsgehalt des berühmten „Spiegel“-Zitats von der „Hauptstadt der Jammerossis“ ist fast überall spür- und nachprüfbar. Die Stadt stagniert, der erst wenige Jahre zuvor erworbene Status als Unesco-Welterbestätte droht wegen der überdimensionierten Baupläne für das Potsdam-Center am neuen Hauptbahnhof zu kippen. Als Potsdams damaliger Oberbürgermeister Horst Gramlich, beim Volk ohnehin wenig beliebt, über einen Bauskandal seines Baustadtrats Detlef Kaminski (beide SPD) stolpert, schickt Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) sein bestes Pferd ins Rennen. Der Ministerpräsident hat ihn intern bereits zu seinem Nachfolger erkoren, vorher aber soll er sich im harten Alltag der Kommunalpolitik an hautnaher Problembewältigung schulen.

Saskia Hüneke, Fraktionschefin der Grünen im Stadtparlament, rechnet Platzeck bis heute hoch an, dass er den wohlversorgten Umweltministerposten damals verlassen hat und „den außerordentlich anstrengenden Job als Oberbürgermeister gemacht hat“: „Für Potsdam ist das eine ganz wichtige Zeit gewesen. Es konnten die Weichen so gestellt werden, dass die Stadt eine gute Entwicklung genommen hat.“ Hüneke erinnert an den Rückkauf der Wasserwerke in städtische Hände und die Entscheidungen zur Wiederannäherung an die Potsdamer Mitte und für den Landtagsneubau: „Das waren wegweisende Beschlüsse für Potsdam, die ohne seine Mitwirkung als OB nicht gefallen wären.“

Tatsächlich ist eine seiner ersten Entscheidungen wegweisend. Trotz finanzieller Risiken für die Stadt verhindert er den Weiterbau des Potsdam-Centers in den geplanten Dimensionen. „Platzeck war der Retter der Potsdamer Innenstadt und ich werde ihm nie vergessen, mit welchem persönlichen Einsatz er das durchgezogen hat“, sagt Wolfgang Cornelius, der damals für die CDU und heute für die Potsdamer Demokraten im Stadtparlament sitzt. Cornelius, zugleich Chef der Händlergemeinschaft AG Innenstadt, erinnert an den gemeinsamen Kampf von Innenstadt-Händlern und Stadtspitze gegen die Pläne des Investors des Potsdam-Centers, der im Bahnhof bis zu 85 Fachgeschäften ansiedeln wollte und damit dem ohnehin maroden Innenstadthandel den Garaus gemacht hätte, wie Cornelius überzeugt ist: „Platzeck war derjenige, der das klar erkannt hat.“

Selbst einstige politische Gegner zollen ihm für seine Zeit als Oberbürgermeister heute Respekt: „In dieser Zeit ist tatsächlich eine ganze Menge bewegt worden“, sagt Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg, damals wie heute Oppositionsführer in der Stadtverordnetenversammlung. Platzeck habe für einen Stimmungswandel gesorgt, „der dazu beigetragen hat, dass Potsdam heute sagen kann, dass es eine erfolgreiche Landeshauptstadt ist“. Auch die politischen Auseinandersetzungen seien seinerzeit „immer fair geführt worden“.

Doch Platzeck, den die „Bunte“ einmal als „Sozi zum Knuddeln“ bejubelte, kann auch Härte zeigen. Eine seiner ersten Entscheidungen als Rathauschef ist eine unpopuläre: Er lässt aus Kostengründen die Brandenburgische Philharmonie abwickeln. Ein Schritt, den ihm viele Kulturschaffende bis heute übelnehmen. Dass Potsdam sparen muss, ist seinerzeit harte Realität, viel mehr als heute. Die defizitäre Weisse Flotte lässt er privatisieren – heute ist sie ein florierendes Unternehmen. Auch im Rathaus werden Hunderte Stellen abgebaut, um den Etat zu sanieren.

Platzeck geht aus solchen Konflikten fast immer ohne Schrammen hervor – die Potsdamer lieben ihn für seine volkstümliche herzliche Art. Die kommt auch bei Potsdams Prominenten gut an. Mit dem grimmigen Horst Gramlich als Rathauschef wäre Günther Jauch mit seiner Spende für das Fortunaportal wohl baden gegangen. Mit einem unbürokratischen Trick umgeht Platzeck die Baugenehmigung und sorgt so dafür, dass der Wiederaufbau des historischen Entrées des Stadtschlosses pünktlich zum 300-jährigen Bestehen Preußens in Angriff genommen werden kann. Später, da schon als Ministerpräsident, wird er Mäzen und Milliardär Hasso Plattner die 20-Millionen- Euro-Spende für die Schlossfassade schmackhaft machen.

Seinen Nachfolger hat Platzeck – zumindest in Potsdam – ganz im Stile seines eigenen Ziehvaters Stolpe frühzeitig aufgebaut. Der Parteigenosse Jann Jakobs, unter Platzeck Sozialbeigeordneter und als Bürgermeister auch Stellvertreter des Rathauschefs, ist sich darüber im Klaren, dass sein Chef nicht acht Jahre regieren wird. Platzeck lässt ihn wissen, dass er übernehmen muss, wenn Stolpe seinen Hut nimmt. Im Sommer 2002 ist es so weit. Zu diesem Zeitpunkt – nach vier Jahren Platzeck – zeichnet sich Potsdams Aufschwung schon ab. Wenn auch noch zaghaft.

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