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Der vierte Streich. Zum vierten Mal nacheinander sicherte sich Sebastian Brendel den WM-Titel im Canadier-Einer über die olympischen 1000 Meter. Zudem gelang ihm bei der diesjährigen WM sein vierter Medaillen-Hattrick. 
© Ute Freise

Potsdam und die Kanu-WM 2018: Der Mythos wird immer größer

Die Potsdamer Kanuten gewannen bei der Weltmeisterschaft in Portugal sieben Medaillen. Dabei hatten die Erfolge durch Sebastian Brendel, Ronald Rauhe & Co. zum Teil historische Dimensionen. Es gelangen auch einige Überraschungen.

Sie sind schon längst Legenden im Kanu-Rennsport. Im Sport überhaupt. Und ihr Mythos ist nun jeweils noch größer geworden. Bei der Weltmeisterschaft im portugiesischen Montemor-o-Velho lieferten Sebastian Brendel und Ronald Rauhe vom KC Potsdam wieder Leistungen ab, die ihren Status als sagenhafte Ausnahmeathleten weiter bekräftigten. Während Kajak-Ass Rauhe seinen 15. Titel bei der 15. WM-Teilnahme erkämpfte, gelang dem Clubkollegen zum vierten Mal ein Medaillen-Hattrick im Canadier. 

Nach Silber über 500 Meter zum Finalauftakt am Freitag gewann Sebastian Brendel dann am Wochenende die Einer-Rennen über 1000 und 5000 Meter, sodass er nunmehr zehnfacher Weltmeister ist. „Ich bin einfach nur stolz und glücklich. Es ist nicht einfach, das jedes Jahr aufs Neue zu schaffen“, sagte der Serientäter. Im olympischen 1000-Meter-Wettbewerb erklomm er bereits das vierte Mal nacheinander den WM-Thron, über die Langstrecke war es gar der fünfte Triumph in Folge. Das hat historische Dimensionen. Nur ganz wenige Paddler legten in Einer-Disziplinen bisher einen Goldlauf über vier Welt-Titelkämpfe hin. Fünf Siege gab es nur noch durch Rüdiger Helm (DDR/Kajak 1000 Meter/1978 bis 1983) und Ivan Klimentiev (Lettland/Canadier 1000/1989 bis 1994). Die Neuseeländerin Lisa Carrington machte am gestrigen Sonntag im Kajak-Sprint über 200 Meter gar ihren sechsten WM-Erfolg ohne Unterbrechung perfekt. 

„Er ist der absolute König“

Schrammte Brendel beim 500-Meter-Finale noch knapp an seiner ersten Goldmedaille in dieser Disziplin vorbei, demonstrierte er auf den anderen beiden Strecken seine atemberaubende Klasse. Unangefochten ließ der 30 Jahre alte Dreifach-Olympiasieger die Konkurrenz in seinem Kielwasser zurück. „Er ist der absolute König“, sagte Martin Fuksa anerkennend, aber auch schon fast etwas resignierend. Der Tscheche hatte diese Saison alle vorherigen 1000-Meter-Rennen für sich entschieden, auch schon 2017 Brendel geschlagen. Doch zum Jahreshöhepunkt ist es immer das Gleiche:Der Gigant aus Potsdam steht ganz oben auf dem Podium. In Montemor war das auch deshalb wieder der Fall, weil der dort oft herrschende Rechtswind diesmal nicht über die Regattaanlage pustete. Kaum ein Lüftchen wehte. Faire Bedingungen. Für Linksschläger Brendel wäre der Wind von rechts ein großer Nachteil gegenüber seinen auf der anderen Seite paddelnden Dauerrivalen Fuksa und Isaquias Queiroz dos Santos aus Brasilien gewesen. 

So aber überstrahlte Sebastian Brendel erneut alles und stand an der Spitze der erfolgreichsten Nation bei der WM 2018. Deutschland holte sieben Gold-, vier Silber- und zwei Bronzemedaillen. In den besonders wichtigen olympischen Disziplinen sprangen viermal Gold sowie je einmal Silber und Bronze heraus. Chefbundestrainer Jens Kahl gab zu, aufgrund einiger Probleme im Saisonverlauf mit „Bammel“ zur WM gereist zu sein. „Aber wir haben die richtigen Schritte eingeleitet. Das hat sich ausgezahlt.“ Thomas Konietzko, der Präsident des Deutschen Kanu-Verbandes, sprach von einer Übererfüllung der Erwartungen und lobte die Macher des Erfolgs: Es sei eine „hohe Schule im Trainer-Alltag“ gewesen. Eine Adelung etwa für Ralph Welke und Arndt Hanisch aus Potsdam, die als Mitglieder des Bundestrainerstabs ihre Schützlinge auf den Punkt topfit gemacht haben.

Medaillensammler. Ronald Rauhe (2.v.l.) gewann mit dem Kajak-Vierer. Es ist seine 25. Edelmetallplakette bei Weltmeisterschaften – 15 davon sind aus Gold. 
Medaillensammler. Ronald Rauhe (2.v.l.) gewann mit dem Kajak-Vierer. Es ist seine 25. Edelmetallplakette bei Weltmeisterschaften – 15 davon sind aus Gold. 
© Ute Freise

Welke machte dies mit den Canadier-Herren, Hanisch mit den männlichen Kajak-Spezialisten. Zu Letzteren zählt Ronald Rauhe. Im Vierer über 500 Meter, der ab 2020 zum Olympiaprogramm gehört, wiederholten er und seine Crew den Triumph aus dem Vorjahr. Sie nahmen damit Revanche an Spanien für die diesjährige EM-Niederlage. „Wir wussten, wo die Spanier mit ihrem Spurt anfangen, daher wollten wir eher beginnen“, erklärte Rauhe die Taktik. Sie ging auf. Der 36-jährige Altmeister hat jetzt 15 goldene sowie je fünf silberne und bronzene Plaketten bei Weltmeisterschaften gesammelt. Mehr als jeder andere deutsche Paddler.

Auch Gold für Weber und Gecsö

Aus Potsdamer Sicht gab es in Portugal noch drei weitere Fahrten auf das Podium zu bejubeln. Alle hatten überraschenden Charakter. Deutschlands mit Nachwuchshoffnungen gespickter Kajak-Vierer über 1000 Meter siegte angetrieben von Schlagmann Tamas Gecsö. Für den 21-jährigen KCP-Athleten war es nach Bronze im Vorjahr das zweite WM-Edelmetall. Angesichts von Platz sechs bei der Europameisterschaft vor zwei Monaten kam dies eher unerwartet. „Wir wollten diesmal zeigen, dass wir es besser können als bei der EM“, meinte Gecsö und war zufrieden, das Vorhaben optimal umgesetzt zu haben. 

Zufriedenheit verspürte auch Franziska Weber. Zwar reichte es am Sonntag mit dem olympischen Kajak-Vierer über 500 Meter – dem deutschen Quartett gehörte auch Conny Waßmuth als zweite Potsdamerin an – nur zu Rang fünf. Doch tags zuvor hatte Weber ja bereits Goldglanz erlebt. Im Duo mit ihrer seit acht Jahren angestammten Bootskollegin Tina Dietze (Leipzig) sprintete sie zum 200-Meter-Titel. „Das hätte Anfang des Jahres keine von uns beiden geglaubt“, musste die vierfache Olympiamedaillengewinnerin Weber gestehen. Sie trainierte diese Saison verhältnismäßig wenig, um ihr Bauingenieurwesenstudium voranzutreiben – Dietze musste lange Zeit wegen einer schweren Schulterverletzug pausieren. Und trotzdem sind sie Weltmeisterinnen geworden. 


Vizeweltmeisterin darf sich Annika Loske nennen. Die 20-Jährige, die zunächst Rang zehn im Einer über 500 Meter belegte hatte, sicherte sich zum Abschluss durch eine couragierte Leistung Silber beim 5000-Meter-Rennen. Diese Medaille bedeutete ein geschichtliches Novum. Noch nie zuvor hatte eine deutsche Canadierfahrerin eine Elite-WM-Medaille geholt. Erst 2010 wurde die Canadierdisziplin für Frauen offiziell ins internationale Wettkampfgeschehen aufgenommen, ab 2020 ist sie olympisch. Nun Deutschlands erster großer Erfolg. Dank einer Sportlerin vom KC Potsdam. 

Damit verbuchte der KCP fünfmal Gold und zweimal Silber beim Championat von Montemor-o-Velho. Macht in der Vereinschronik mittlerweile 186 WM-Medaillen. Auch der sagenhafte Ruf des weltbesten Kanu-Clubs wurde also weiter kräftig genährt. (mit dpa)

Weitere Potsdamer WM-Ergebnisse: Jan Vandrey wurde Vierter im Canadier-Vierer über 500 Meter, Stefan Kiraj Fünfter im Canadier-Einer über 200 Meter. 

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