Neoimpressionismus im Barberini: Der Maler des Glücks
Das Museum Barberini zeigt im Winter 2018 die erste Retrospektive des Neoimpressionisten Henri-Edmond Cross.
Potsdam - Während sich die Impressionisten der Natur unterworfen hatten, wollte sich Henri-Edmond Cross die farbigen Schwingungen der Natur zunutze machen. Der Neoimpressionist komponierte die Natur neu – in Harmonie mit dem Gefühl, das er mit der Natur verband und das er stets in ihr suchte. Seine Ölgemälde vibrieren fast vor den Augen des Betrachters und scheinen so den Tastsinn auszudrücken, mit dem Cross seine Umwelt untersuchte.
„Maler des Glücks“ heißt die erste große Retrospektive zu Cross, die das Museum Barberini in Zusammenarbeit mit dem Museé des impressionnismes Giverny, dem Museum für Impressionismus in Claude Monets Heimatstadt, gerade vorbereitet. Ein Symposium im Museum Barberini gab gestern den Auftakt dafür. Im kommenden Winter, vom 17. November bis zum 17. Februar 2018, wird die Ausstellung, die sowohl Ölgemälde als auch Zeichnungen und Aquarelle zeigt, in Potsdam zu sehen sein.
Henri-Edmond Cross’ Weg von der reinen Abbildung seiner Umgebung hin zum Auflösen der Welt in Pinselstriche eröffnete sich, als er 35 Jahre alt war. Der Maler Paul Signac zeigte ihm den Impressionismus – das Licht wurde zu seiner Hauptfarbe. Cross wurde Mitglied der „Vereinigung unabhängiger Künstler“, die Signac mitbegründet hatte. In diesem Rahmen lernte er auch Georges Seurat kennen, den Wegbereiter des Pointillismus, der sowohl ihn als auch Signac maßgeblich beeinflusste.
Cross begann, seine Farben nicht mehr auf der Palette zu mischen, sondern verschiedene Farbpunkte auf der Leinwand nebeneinanderzusetzen. Er überlies das Mischen der Wahrnehmung des Betrachters. Kontraste waren das A und O für die Neoimpressionisten um Seurat – und Cross war derjenige, der am stärksten mit Kontrasten arbeitete. Er bewegte sich immer weiter weg vom akademischen Ansatz und lebte künstlerisch aus, was seiner Gesinnung entsprach: Anarchie. 1898 präsentierte Cross zusammen mit Signac den Neoimpressionismus erstmals in Deutschland, in der Berliner Galerie Keller und Reiner. Der in Frankreich und England aufgewachsene deutsche Mäzen und Sammler Harry Graf Kessler machte Cross schließlich in Deutschland bekannt und gab ihm so eine internationale Dimension.
Rund 20 Jahre ist es her, dass in Paris die letzte kleinere monografische Schau zu Henri-Edmond Cross zu sehen war. Die letzte Ausstellung, die in Deutschland stattfand, liegt sogar noch viel weiter zurück. Cross scheint in Vergessenheit geraten zu sein, obwohl er doch einst gerade in Deutschland eine bedeutende Rolle spielte. Andersherum habe Cross auch eine enge Verbindung zu Deutschland gehabt, sagte Marina Ferretti, die Kuratorin des Museé des impressionnismes Giverny gestern während des öffentlichen Symposiums im Museum Barberini. Er sei ein begeisterter Nietzsche-Fan gewesen. Was ihn so begeistert habe? Die Suche nach dem individuellen Glück.
Bevor Cross zu Hause, in Ruhe mit Öl oder Aquarellfarben malte, was er von einem besonderen Moment in Erinnerung hatte, fertigte er Vorstudien an – manchmal direkt in der jeweiligen Situation mit Bleistift oder Aquarellfarben, manchmal aufwendiger in einem Raster. Durch leichten Abrieb des Bleistifts markierte er Licht und Schatten, mit der Stiftspitze zeichnete er Umrisse von Kleidung nach. Seinen Zeichnungen ist der Prozess zu entnehmen, währenddessen er versuchte, sich vom Strich zu befreien. Einige Motive sind erst auf einer gewissen Entfernung zu erkennen. Besonders wichtig war ihm das Papier: Er nutzte die Struktur des Papiers für die Strukturierung seiner Arbeiten.
Michael Philipp, Kurator des Barberini, beschrieb die Ölarbeiten von Henri-Edmond Cross während des gestrigen Symposiums als „warme Bilder“. Seine Werke leuchten und flimmern. Cross zeigte Personen nicht in ihren gesellschaftlichen Rollen als Mann oder Frau, sondern in privaten Momenten in der Natur – vielleicht ja auf der Suche nach dem Glück.
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