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Uwe Trinkaus (li.) und Maik Pieske von der Bürgerinitiative gegen den geplanten Bau einer Raststätte an der A10 zwischen Paaren und Paretz.
© Andreas Klaer

Proteste gegen Raststättenbau an der A 10: Der Kampf gegen das Raumschiff

„Adieu, Dunkelheit“: Gegen den Bau der Raststätte Havelseen an der A 10 im Potsdamer Norden formiert sich eine Bürgerinitiative.

Potsdam - Es ist für die kleinen, dorfähnlichen Gemeinden Satzkorn, Kartzow und Uetz-Paaren im Potsdamer Norden ein wirklich überdimensionales Bauvorhaben: Wo jetzt noch landwirtschaftliche Flächen ruhen, soll an der Autobahn 10 die neue Raststätte „Havelseen“ entstehen. Auf ihrer ersten größeren Versammlung machte die neu gegründete Bürgerinitiative (BI) am  Sonntag in der Marquardter Kulturscheune ihre Forderungen deutlich: Das Planfeststellungsverfahren, das noch in diesem Jahr beginnen sollte, müsse verschoben, nach Alternativen nochmals gesucht werden.

24 Stunden-Betrieb und nachts taghell erleuchtet

Der Widerstand gegen die erste Autobahn-Raststätte auf Potsdamer Stadtgebiet formiert sich. Auf 50 Personen war die Besucherzahl wegen Corona begrenzt, aber ein Dutzend Bürger harrte trotz des unwirtlichen Herbstwetters vor der Scheune aus. Die Menschen regt auf, was ihnen da mit Baubeginn 2023 vor ihre Nasen gesetzt werden soll. Ingo Kunde rief für die BI die Entstehungsgeschichte des Vorhabens in Erinnerung. Mit der Planung sei 1998 begonnen worden, auf 30 Hektar sollen nun bei Kilometer 130 auf der Westseite der A 10 unter anderem 103 Plätze für Lkw entstehen. Ein Problem, das die Bürger umtreibt: Die Raststätte werde pro Tag 24 Stunden in Betrieb und nachts taghell erleuchtet – und von der Bebauung in Paaren nur 800 Meter entfernt sein. „Das Raumschiff landet inmitten einer kleinteiligen Landschaft mit Hecken, Weiden, Apfelkulturen und Biotopen“, so Kunde.

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Silke Beckedorf, eine der Sprecherinnen der BI, machte deutlich, was die Menschen vor Ort verärgert: „Die Planung läuft seit 22 Jahren, und wir haben vor viereinhalb Wochen davon erfahren.“ Sie sei „geschockt“ gewesen, habe schlecht geschlafen, nachts am Fenster gestanden und gedacht: „Adieu, Dunkelheit.“ Dann habe sich die BI formiert, eine Petition an den Landtag sei vorbereitet worden, und sie habe sich mit Experten ausgetauscht, darunter auch mit Biologen und Lichtforschern. Beckedorf plädierte dafür, das Planfeststellungsverfahrung „nicht zu starten“, es sei „hochgradig bedenklich“, einen demokratisch ausgelegten Prozess inmitten der Corona-Pandemie zu beginnen. Es werde noch schwieriger als bisher, Demonstrationen zu organisieren.


Die Raststätte werde „so groß wie unser Dorf sein“, die Zufahrtswege während der mehrjährigen Bauphase „führen durch unser Dorf“. Es klinge zwar „nach einem Schmuddelargument“, aber es gebe an Raststätten „häufig Bandenkriminalität“. Andere Bürgerinitiativen hätten zudem berichtet, dass die Verkehrsbehörden taktisch vorgingen und Einzelheiten über Nachteile für Gemeinden der Umgebung von Projekten „sukzessive bekanntgeben, wenn die Bagger schon rollen“. Die BI-Sprecherin wies zudem auf die Umweltproblematik des Vorhabens hin, das für die Flächen, für Menschen und Tiere bedenklich sei. Es sei zu prüfen, ob ein Ausbau des bestehenden Rasthofs Wolfslake nicht doch eine Alternative zur Raststätte Havelseen sein könne.

Idee: Alternativen oder Ausbau der bestehenden Raststätte prüfen

Mehrere Ortsbeiratsvorsitzende der Umgebung waren gekommen. Jens König, Vorsitzender in Paaren und als Landwirt von Berufs wegen sachkundig, wies auf die hohe Qualität der Erde hin, die der Landwirtschaft durch den Raststättenplan genommen werden würde: „Das ist ein Stück Land mit einem fruchtbaren Boden, wie es ihn in Brandenburg nicht oft gibt.“ In Wolfslage zum Beispiel sei der Boden schlechter. Christiane Schröder, brandenburgische Geschäftsführerin des Naturschutzbundes NABU sprach sich dafür aus, Alternativen zur Raststätte „Havelseen“ wie Wolfslake oder den Autohof in Groß Kreutz zu prüfen, „anstatt neue Flächen zu versiegeln“.

Ein Urgestein der Potsdamer Bürgerinitiativen-Bewegung machte der neuen BI indes Mut. Der Marquardter Josef Grütter und Mitstreiter hatten es vor elf Jahren nicht hinnehmen wollen, dass eine neue Hochspannungsleitung quer durch den Ort führen sollte. „Nach fünf Jahren Protest hatten wir Erfolg. Die Pläne wurden verworfen, die Leitung wurde entlang der Bundesstraße 273 gelegt“, sagte Grütter den PNN. Der Initiative gegen die Raststätte gab er ein paar Ratschläge mit auf den Weg: Es sei zielführend, eine bestehende Planung nicht nur abzulehnen, sondern auch Alternativen zu entwickeln.

Auch für den Fall, dass das Unheil am grünen Potsdamer Stadtrand letztlich nicht abzuwenden sei, könne die BI etwas herausholen. Die Muttererde etwa, die für den Rasthof ausgehoben werde, könne in Paaren und Satzkorn für einen Lärmschutzwall verwendet werden, eine dezentrale Stromversorgung für Lastwagen sei sinnvoll. Silke Beckedorf stimmte die Protestgemeinde am Ende kraftvoll auf die nächste Zeit ein: „Seid nicht still! Seid laut! Wehrt euch!“

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