Potsdam: Der Geheimrat
Erst war der Gestaltungsrat ein öffentliches Schaulaufen der Bauherren, jetzt erfahren Bürger über die Arbeit des Gremiums kaum noch etwas. Der Wandel kam nicht von ungefähr.
Potsdam - Die Idee klang eigentlich gut: Bauherren stellen sich mit ihren Projekten einem Gremium aus renommierten Experten und arbeiten die guten Ratschläge in ihre Entwürfe ein. Am Ende profitieren alle: die Investoren, weil sie ihre Entwürfe verbessern können, und die Potsdamer, weil die Stadt besser aussieht. Aus diesem Grund wurde im Jahr 2010 der Gestaltungsrat ins Leben gerufen.
Doch mittlerweile ist es um den hochgelobten Experten-Zirkel reichlich still geworden – dabei kostete er die Potsdamer von 2014 bis 2017 jährlich zwischen 23 000 und 32 000 Euro. Die Stille hat einen Grund: Nach einem Stadtverordnetenbeschluss vom November 2016 tagt der Gestaltungsrat nicht mehr öffentlich. Selbst im Nachhinein werden keine Protokolle mehr veröffentlicht. Auf Nachfrage gibt es nicht mal Auskunft, worüber gesprochen wurde. Was das Expertengremium tut, bleibt seit mehr als einem Jahr weitgehend geheim.
Vom Schaulaufen der Bauherren zum Geheimrat
Der Wandel vom Schaulaufen der Bauherren zum Geheimrat kam nicht von ungefähr: Immer mehr Investoren fühlten sich unwohl dabei, dass ihre Ideen öffentlich debattiert wurden – jedenfalls begründete die Stadtverwaltung 2016 so die Änderung der Geschäftsordnung. Es sei schwieriger, Investoren zu finden, die sich dem Urteil stellen – auch die oftmals pointiert formulierte Kritik der Experten dürfte dazu beigetragen haben. Eine Nachrichtensperre sollte schließlich die schüchternen Bauherren schützen. Ob sie nun zufriedener sind, bleibt im Dunkeln.
Zufriedenheit über neue Bauwerke ist in Potsdam dennoch nicht eingetreten. Statt über konstruktive Kritik an Bauvorhaben im Gestaltungsrat wird nun über kritikwürdige Konstruktionen debattiert: Kürzlich meldete sich die Bürgerinitiative Mitteschön mit einer Generalabrechnung zu Wort. Von Brachialbauten war die Rede. Besonders zwei Hotelprojekte neben dem Sport- und Freizeitbad blu und über der alten Wagenhalle am Hauptbahnhof hatten den Furor der Bürgerinitiative geweckt. „Das ist das Entree der Stadt“, sagte Mitteschön-Sprecherin Barbara Kuster den PNN. „Die Potsdamer sollten generell wissen, was gebaut werden soll und nicht erst informiert werden, wenn alles in Sack und Tüten ist.“ Sie würde sich wünschen, dass der Gestaltungsrat wieder öffentlich tagt – und dass die Stadt Bauherren zur Teilnahme verpflichtet. Potsdam sei so begehrt, dass man das den Investoren zumuten könne.
Repräsentative Beispiele sollen in regelmäßigen Abständen vorgestellt werden
Ganz so einfach wird es freilich nicht. Die Teilnahme am Verfahren im Gestaltungsrat ist freiwillig. So wolle es die Brandenburger Bauordnung, heißt es aus der Stadtverwaltung. Was die Frage der Öffentlichkeit angehe, verweist ein Stadtsprecher darauf, dass „in regelmäßigen Abständen repräsentative Beispiele öffentlich vorgestellt“, werden. Bisher ist das genau einmal passiert. Im September ging es um den Neubau eines Wohnhauses in der Villenkolonie Neu Babelsberg, einen Neubau am Schlaatz und eine städtebauliche Studie über eine Grünfläche an der Berliner Straße.
Die von Mitteschön kritisierten Hotelprojekte wurden laut Stadtverwaltung hingegen nicht im Gestaltungsrat besprochen. Sie seien Ergebnis von Wettbewerbs- oder Gutachterverfahren, bei denen eine Jury aus mehreren Entwürfen ausgewählt hat. An solchen Verfahren seien Mitglieder des Gestaltungsrates oder andere fachlich herausgehobene Juroren beteiligt. Nach der Geschäftsordnung des Gestaltungsrates sei deshalb eine Befassung des Gremiums nicht vorgesehen. „Dies wäre auch mit dem Wettbewerbsrecht nicht vereinbar“, hieß es.
Große Fraktionen im potsdamer Rathaus fordern mehr Transparenz
In der Stadtpolitik hat man gemischte Gefühle. Vertreter der großen Fraktionen loben die Arbeit des Gremiums, fordern jedoch mehr Transparenz: Die Arbeit des Gestaltungsrates lasse sich kaum noch bewerten, seitdem keine Protokolle mehr veröffentlich werden, so SPD-Fraktionschef Pete Heuer. Es sollten zumindest mehr Ergebnisse publiziert werden, meinen auch Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg und CDU-Fraktionschef Matthias Finken. „Es geht dabei nicht um eine Geschmacksdebatte“, so Heuer. Letztlich müssen Bauherren auch auf eine geschützte Diskussion vertrauen können. Das sieht auch die Stadtverordnete Saskia Hüneke (Grüne) ähnlich. Die Arbeit mit dem hochkompetenten Gremium sei ein Gewinn für jeden Bauherren. Ergebnisse müssten aber mindestens zweimal jährlich veröffentlicht werden.
Einen Gestaltungsrat besitzt Potsdam nicht exklusiv: In Rostock gibt es so ein Expertengremium seit 2012. Man habe sich an Potsdam orientiert, so ein Stadtsprecher. Das Rostocker Gremium tage viermal im Jahr – und zwar öffentlich. Das Interesse der Bauherren sei zwar auch leicht zurückgegangen, allerdings sei jeder, der auf Akzeptanz für seine Pläne stoßen will, gut beraten, das Gremium zu konsultieren.
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