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Potsdam: Der Aufstieg eines Unterschätzten

Seit einem Jahr ist Mike Schubert Sozialdezernent. Und der Sozialdemokrat macht seinen Job viel besser, als es ihm die meisten zugetraut hätten. Seine Chancen auf die Jakobs-Nachfolge stehen nicht schlecht.

Überheblich. Spröde. Unnahbar. Und nicht zuletzt der Vorwurf, er habe den Posten nur aus parteipolitischem Kalkül bekommen, als Sprungbrett für den Chefsessel im Rathaus. Nein, allzu viele positive Attribute verbanden die meisten Stadtpolitiker – und auch Teile der Stadtspitze – vor einem Jahr wohl nicht mit Mike Schubert. Die Folge: Der damalige SPD-Fraktionschef im Stadtparlament brauchte drei Anläufe, um schließlich im letzten Wahlgang mit der knappsten aller Mehrheiten, mit nur einer Stimme, zum Beigeordneten für Soziales, Jugend, Gesundheit und Ordnung gekürt zu werden.

Ein Jahr ist das jetzt her und man darf getrost davon ausgehen, dass Schubert die Wahl, würde sie heute stattfinden, weitaus deutlicher gewinnen würde. Das Bild von dem Dezernenten hat sich binnen zwölf Monaten bei den meisten zum Positiven geändert. Aus dem unterschätzten Beigeordneten von SPD-Gnaden, so das allgemein gezeichnete Bild, ist ein versierter Macher geworden, der seinen Laden im Griff hat, sich engagiert und dessen Stärke die Kommunikation ist – etwas, das nicht auf jeden zutrifft, der im Rathaus eine Führungsposition innehat. Selbst erklärte Gegner von damals zollen ihm inzwischen Respekt. Schubert sei „bisher den Verpflichtungen seines verantwortungsvollen Amtes mit viel persönlichem Einsatz nachgekommen und um eine gute Zusammenarbeit bemüht“, erklärte etwa Hans-Jürgen Scharfenberg. Aus dem Munde des Linke-Fraktionschefs kommt das fast einem Ritterschlag gleich – umso mehr, als beide früher in dem Ruf standen, politische Intimfeinde zu sein.

Oberbürgermeister Jakobs kann sich Schubert als Nachfolger durchaus vorstellen

Selbst die linksalternative Wählergruppe Die Andere meint, Schubert habe seinen Job „ganz passabel“ gemacht. „Wir haben ihn als problemlösungsorientiert und kommunikativ erlebt“, sagt Fraktionschefin Julia Laabs. Nachholbedarf gebe es noch bei der Wohnungspolitik und dem Service in der Ausländerbehörde. Und leider werde Schubert bei wichtigen Fragen von den eigenen Parteifreunden nicht hinreichend unterstützt.

Tatsächlich hatte Schubert von seiner parteilosen Vorgängerin Elona Müller-Preinesberger viele Baustellen geerbt. Da waren etwa die Dauerquerelen um ein Tierheim in Potsdam oder das Aufbegehren von Feuerwehrleuten, weil die Stadt ihnen – trotz eines in zwei Instanzen verlorenen Rechtsstreits – Geld für geleistete Überstunden verweigert. In solchen Streitfällen gelang es Schubert zumindest, wieder den Gesprächsfaden aufzunehmen, zu schlichten, gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Auch für die seit Jahren ungelöste Jugendklub-Situation im Norden hat Schubert mittlerweile einen Ausweg präsentiert. Inzwischen hat ihn Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) persönlich mit der schwierigen Standortsuche für eine Moschee betraut – ein Vertrauensbeweis. Es ist kein Geheimnis, dass Jakobs Schubert nicht in dem Maße protegiert hat, wie sich dieser das vielleicht gewünscht hätte. Der Rathauschef hatte seine Vorbehalte gegen den 44-Jährigen, dem er höhere Weihen, sprich das Amt des Oberbürgermeisters, schlicht nicht zutraute. Doch auch beim Stadtoberhaupt, dessen Amtszeit im November 2018 nach 16 Jahren endet, hat ein Umdenken stattgefunden. Nicht, dass Jakobs inzwischen uneingeschränkter Schubert-Fan geworden wäre, aber er kann ihn sich als Nachfolger mittlerweile durchaus vorstellen.

Stadtkämmerer Burkhard Exner ebenfalls mit Ambitionen

Nicht für jedes Problem hat Schubert schon eine Lösung parat, doch er hat sein Haus gut aufgestellt. Vorlagen für die Stadtverordnetenversammlung werden von den Fachbereichen auf seinen Druck hin nunmehr verständlich verfasst. Man könne nicht andere von etwas überzeugen, von dem man selbst nichts verstehe, davon ist Schubert überzeugt. Und für seine Überzeugungen kämpft er – auch gegen ressortinterne Widerstände. Bürgerfreundlichkeit ist ihm wichtig. Bis heute ist er der einzige Beigeordnete, der eine Bürgersprechstunde anbietet.

Schubert führt Gespräche, hört zu, versucht zu vermitteln und bringt sich damit in eine sehr gute Position im Kampf um die Jakobs-Nachfolge, in der Stadtkämmerer Burkhard Exner sein derzeit ärgster Konkurrent ist. Letzterer, offiziell seit vielen Jahren Jakobs’ Stellvertreter, lässt derzeit kaum noch einen pressewirksamen Termin aus. Den Zeremonienmeister und Grüßaugust zu geben, ist Exner eigentlich zuwider. Und doch hat er das in den letzten drei Monaten bereits so oft getan wie gefühlt in den vergangenen 15 Jahren seiner Amtszeit zusammengenommen – sichtbarer Beleg für seine Ambitionen.

Schubert hätte einen Trumpf im Duell um das Amt als Oberbürgermeister

Kontrahenten sind beide auch im Kampf um das Geld. Schuberts Ressort ist das bei Weitem kostenintensivste und der Kämmerer, schon qua Amt knauserig, steht nicht in dem Ruf, dem steigenden Finanzbedarf der schnell wachsenden Stadt bislang besonders aufgeschlossen gegenüberzustehen. Schubert bekommt das vor allem bei der Kitaproblematik zu spüren, beim virulenten Thema des schlechten Personalschlüssels in den Einrichtungen. Doch die Träger erkennen an, dass der Beigeordnete um mehr Geld kämpft. So sagt etwa Arbeiterwohlfahrt-Chefin Angela Basekow, er habe diese Herausforderung „spürbar angenommen“. Intern soll Schubert schon mehrfach geklagt haben, dass Exner ihn finanziell ausbremse.

Obwohl Exner als Kämmerer, der mit dem Geld haushalten muss, die deutlich undankbarere Position im Wahlkampf hat, ist das Rennen offen. Die Landes-SPD soll sich dem Vernehmen nach für Exner aussprechen, die Unterstützung von Jakobs hat er aber wohl nicht. Dafür ist offenbar SPD-Fraktionschef Pete Heuer ein Bündnis mit Exner eingegangen. Anders ist sein zuletzt auffällig häufiges Lob für den Finanzdezernenten in den sozialen Netzwerken kaum zu deuten. Womöglich spekuliert Heuer auf Exners Job, sollte dieser Oberbürgermeister werden. Entsprechend sparsam fällt Heuers Schubert-Würdigung aus: „Spontan denke ich an Speedy Gonzales, und das nicht ohne Respekt vor der medialen Präsenz, die Mike Schubert in kurzer Amtszeit erreicht hat.“

Doch Schubert verfügt über einen Trumpf, der, richtig ausgespielt, am Ende den Ausschlag geben könnte. Im Gegensatz zu Exner ist Schubert Ur-Potsdamer. Dass sein Herz für diese Stadt schlägt, merkt man ihm an. Der Kämmerer hingegen hat seinen Wohnsitz noch immer in Berlin-Kladow. Und durch übergroß zur Schau gestellte Potsdam-Liebe ist er bislang nicht aufgefallen.

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