Nach dem Finaleklat des SV Babelsberg 03: „Das Urteil ist zu hart“
Der Sportrechtsexperte Christopher Wiencke hält den Pokal-Ausschluss des SV Babelsberg 03 für viel zu drastisch. Unmittelbar vor der Auslosung der ersten Pokalrunde erhöht sich der Druck auf den Fußball-Landesverband Brandenburg.
Wenn heute Mittag die erste Runde des AOK-Landespokals ausgelost wird, ist der SV Babelsberg 03 zumindest mit im Lostopf. Denn noch ist das Urteil, wonach das Sportgericht des Fußball-Landesverbandes Brandenburg (FLB) den Regionalligisten vom kommenden Pokalwettbewerb ausschließen will, nicht rechtskräftig. Der Verein wird in Berufung gehen, sodass sich das Verbandsgericht des FLB mit der rechtlichen Bewertung der Vorfälle vom Pokalfinale der vergangenen Saison beschäftigen muss. Vermummte Chaoten hatten aus der Babelsberger Nordkurve Pyrotechnik auf den Rasen und Richtung Gästeblock des FC Energie Cottbus geworfen und somit die Siegerehrung der Lausitzer verhindert.
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt
Mit dem Pokal-Ausschluss sieht das Sportgericht „die letzte Möglichkeit“, zu verhindern, dass vermeintliche Fans ihre Gewaltbereitschaft demonstrieren. Nach Ansicht des Berliner Sportrechtsexperten Christopher Wiencke von der globalen Wirtschaftskanzlei Dentons ist das jedoch eine zu drastische Strafe. „Das Urteil ist zu hart und im Ergebnis nicht verhältnismäßig“, sagt der Jurist, der an der Universität Potsdam studiert und im Sportrecht promoviert hat. Er habe den Eindruck, dass der Verband hier ein Zeichen gegen Fan-Chaoten setzen wolle, „dabei aber über das Erforderliche hinausgeht“, so Wiencke. Mit dem Ausschluss des SVB aus dem Landespokal sieht der Jurist den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Teil der Rechts- und Verfahrensordnung des FLB – verletzt.
Bevor es zu der höchsten aller möglichen Strafen kommt – ohnehin hat es in der bundesdeutschen Fußballpokal-Geschichte mit dem Fall der SG Dynamo Dresden nach massiven, dauerhaften Verstößen erst einen Wettbewerbsausschluss gegeben – gibt es Wienckes Ansicht nach eine Reihe anderer Möglichkeiten, um die Vorfälle in Babelsberg „hinreichend zu sanktionieren“. Denkbar wäre eine höhere Geldstrafe als die bislang verhängten 4500 Euro, ebenso wie ein bis zwei Heim-Pokalspiele unter Beschränkung und/oder Ausschluss der Öffentlichkeit. „Auch das hätte einen erheblichen finanziellen Einschnitt für den Verein zur Folge, wäre gleichsam zur Disziplinierung geeignet und würde verhindern, dass in den betroffenen Spielen vermeintliche Fans ihre Gewaltbereitschaft demonstrieren könnten“, so Wiencke. Nach seiner Lesart des Paragrafen 8 (Absatz 3, 4) der Rechts- und Verfahrensordnung des FLB sieht das Regelwerk auch diese Abfolge an Strafen vor, ehe es zur Ultima Ratio, dem Ausschluss, kommt.
Härtere Strafe als für Erstligisten
Mit einem Pokalausschluss würde dem SV Babelsberg 03 und seinen wahren Anhängern die Möglichkeit genommen, die Wirksamkeit der eigenen eingeleiteten Maßnahmen nach den Vorfällen des Pokalfinales nachzuweisen. In der intensiven Auseinandersetzung mit den Vorfällen und dessen Verursachern, sowie in der gemeinschaftlichen Aufarbeitung mit allen Fangruppen, in deren Ergebnis es einen Verhaltenskodex geben soll, erarbeitet der Verein verschiedene Möglichkeiten, die solche Vorkommnisse wie vom 20. Mai dieses Jahres verhindern sollen. Nach Wienckes Meinung sollte dem SVB, wie seinerzeit auch der SG Dynamo Dresden, die Chance zur Bewährung eingeräumt werden, ehe es zur Höchststrafe kommt.
Ein Pokalausschluss stehe zudem in keinem Verhältnis zu den Strafen, die in der ersten oder zweiten Bundesliga sowie im DFB-Pokal gegen Mannschaften verhängt wurden. Wiencke verweist auf den Platzsturm Hamburger Fans nach dem Abstieg des HSV, sowie auf die 45-minütigen Pyro-Attacken während des DFB-Pokalfinales zwischen Bayern München und Eintracht Frankfurt: Kein Klub wurde mit Wettbewerbsausschluss sanktioniert. Auch der Verweis der Brandenburger Fußballrichter, dass es im Karl-Liebknecht-Stadion wiederholt zu Pyro-Vorfällen kam, sieht Sportrechtsexperte Wiencke zwar als straferschwerend. „Aber in der Gesamtschau wiegt das nicht so schwer, dass es einen Ausschluss rechtfertigt, zumal ein Teil der im Urteil benannten Vorfälle länger als ein Jahr her war und daher nach Paragraf 8 Absatz 4 der Rechts- und Verfahrensordnung des FLB nicht strafschärfend zu berücksichtigen gewesen wäre", sagt er.
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