zum Hauptinhalt

Streit um den Wiederaufbau: Das Kreuz mit der Kirche

Die Stadtpolitik spielt teilweise bizarre Szenarien durch, wie mit dem Bürgerbegehren gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche umgegangen werden soll. Ein Überblick.

Die Stadtverordneten spielen Politik-Schach: Dabei geht es um den Umgang mit dem Bürgerbegehren gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche und den Weg zu einem möglichen Bürgerentscheid. Es gibt verschiedene, teils bizarre Szenarien. Nach PNN-Informationen erwägt etwa die Rathauskooperation aus SPD, CDU, Grünen und Potsdamer Demokraten, das von ihr eigentlich abgelehnte Bürgerbegehren durchzuwinken – das von den Gegnern erhoffte Plebiszit zur Landtagswahl am 14. September wäre dann unmöglich. Doch auch ein Rechtsstreit droht.


Die Ausgangslage

In den vergangenen Monaten haben die Initiatoren des Bürgerbegehrens 16 042 Unterschriften gesammelt – davon müssen zunächst einmal rund 13 500 gültig sein. Das prüft gerade Kreiswahlleiter Matthias Förster. Sind genügend Unterschriften vorhanden, muss sich die Stadtverordnetenversammlung mit dem Bürgerbegehren befassen – und zwar laut Kommunalverfassung unverzüglich. Das wollen auch die Gegner: Denn wenn der Bürgerentscheid tatsächlich mit der Landtagswahl gekoppelt werden soll, ist mindestens ein Monat Vorbereitung nötig – daher müssten sich die Stadtverordneten spätestens am 6. August mit dem Bürgerbegehren abschließend befassen.

Einen Rückschlag erlitten Die Linke und Die Andere, die das Begehren unterstützen, am Mittwoch. Sie scheiterten in der Stadtverordnetenversammlung mit einem Dringlichkeitsantrag, der mit der Mehrheit der Rathauskooperation abgelehnt wurde. Beide wollten eine Sondersitzung zur Debatte über das Bürgerbegehren beantragen. Unter anderem verwies SPD-Fraktionsvize Pete Heuer  darauf, dass 25 Prozent der Parlamentarier auch ohne einen solchen Beschluss eine Sondersitzung herbeiführen können. Dies werden im Fall einer erfolgreichen Unterschriftensammlung denn auch die Stadtverordneten von Linke und Die Andere tun – gemeinsam kommen sie auf mehr als 25 Prozent. Die Kopplung mit der Landtagswahl soll dem möglichen Bürgerentscheid eine breitere Basis geben – ihm müssen mindestens 25 Prozent der Potsdamer zustimmen, sonst scheitert er.

Eine Sondersitzung in der Urlaubszeit?

Ob in der Ferienzeit überhaupt genug Stadtverordnete in Potsdam sind, damit das Plenum beschlussfähig ist, ist unklar. Nötig sind laut Stadtpräsidentin Birgit Müller 29 Stadtverordnete. Kommt diese Zahl nicht zusammen, muss Müller laut Kommunalverfassung aber formlos innerhalb von sieben Tagen eine weitere Sitzung einberufen. Dann gibt es keine Mindestzahl nötiger Stadtverordneter, ein Beschluss könnte gefasst werden.

Warum droht ein Rechtsstreit?

Spannend macht die mögliche Sondersitzung nicht nur die Ungewissheit, wie viele Stadtverordnete erscheinen und ob sich daraus neue Mehrheitsverhältnisse ergeben. Denn dabei müssten die Stadtverordneten zunächst feststellen, ob sie die Fragestellung des Bürgerbegehrens überhaupt für zulässig halten. „Sind Sie dafür, dass die Stadt Potsdam alle rechtlich zulässigen Möglichkeiten nutzt, um auf die Auflösung der Stiftung Garnisonkirche Potsdam hinzuwirken?“, hieß es auf den Unterschriftenlisten.

Eine einfache Frage nach dem Sinn oder Unsinn des privaten Wiederaufbauprojekts war nicht möglich, weil sich Bürgerbegehren in Brandenburg auf Themen beziehen müssen, über die Stadtverordnete tatsächlich auch entscheiden können. Doch zu der besagten Stiftungsfragestellung gibt es eben Bedenken: So erklärte SPD-Vize Heuer den PNN, er nehme die große Zahl der Unterschriften gegen das Wiederaufbauprojekt zwar ernst: „Die Frage der Zulässigkeit des Begehrens ist aber schwierig – ich hätte mir eine Formulierung gewünscht, die juristisch weniger angreifbar ist.“ Noch deutlicher wird die CDU, die etwa den Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen zitiert: „Das Bürgerbegehren ist völliger Unsinn und Verschwendung von Zeit und anderen Ressourcen.“ Auch im Kuratorium der Stiftung hätte die Stadt nur einen Sitz und nicht die für eine Auflösung notwendige Dreiviertel-Mehrheit. So wäre ein Szenario denkbar, dass bei einer Sondersitzung eine Mehrheit der Stadtverordneten – immerhin sind SPD und CDU/ANW zusammen mit Grünen und Freien/ Wählern in der Rathauskooperation organisiert – das Bürgerbegehren als nicht zulässig erklärt.

Denn in seinem Kooperationsvertrag hat sich das Bündnis eindeutig zum Wiederaufbau der Kirche bekannt und lehnt das Begehren ab, „da gerade die Gründung der Stiftung dem Zweck diente, der Stadt eine Mitsprache bei dem Projekt zu sichern“. Zudem habe die Stadt keine rechtlichen Möglichkeiten, auf die Auflösung der Stiftung hinzuwirken, so die Kooperation. Sollte das Bürgerbegehren tatsächlich als unzulässig verworfen werden, könnten dessen Initiatoren dagegen vor dem Verwaltungsgericht klagen. Der Rechtsweg würde sich dann aber derart in die Länge ziehen, dass eine Kopplung des Bürgerentscheids mit der Landtagswahl unmöglich würde.

Kirchengegner gegen das Begehren?

Es könnte aber auch eine andere bizarre Situation eintreten: Um ein Plebiszit zur Kirchenfrage durchzusetzen, könnten Die Andere und die Linke gezwungen sein, dass von ihnen unterstützte Bürgerbegehren abzulehnen. Das wäre der Fall, wenn bei der besagten zweiten Sondersitzung die Rathauskooperation nur mit so wenigen Stadtverordneten vor Ort wäre, dass die Wiederaufbaugegner um Linke und Die Andere die Mehrheit hätten. Diese müssten dann – wenn sie tatsächlich eine Befragung der Potsdamer zum Kirchenbau mittels eines Bürgerentscheids wollen – gegen den Inhalt des eigentlich von ihnen unterstützten Bürgerbegehrens stimmen. Andersherum geht es auch: Nach PNN-Informationen wird in der Rathauskooperation auch die Möglichkeit durchgespielt – als notwendiges Opfer –, dem Inhalt des ungeliebten Bürgerbegehrens zuzustimmen. Dann müsste die Stadt ihre – wie beschrieben eingeschränkten – rechtlichen Möglichkeiten nutzen, um die Stiftung aufzulösen. Die von den Gegnern erhoffte Abstimmung der Bürger über die Kirche käme aber so nicht mehr zustande.

Welchen Sinn hätte der Bürgerentscheid?

Sollten die Stadtverordneten das Bürgerbegehren bei der Sondersitzung aber ablehnen, könnte der Bürgerentscheid zur Landtagswahl anstehen. Dann würde zwar wieder über die umständliche Frage zur Auflösung der Stiftung entschieden – doch die eigentliche Kontext-Frage wäre, ob die Potsdamer in Mehrzahl für oder gegen den Wiederaufbau wären. Dazu gibt es bislang keine verlässlichen Angaben. Die Gegner glauben aber, dass eine breite Mehrheit der Potsdamer gegen das Projekt ist – sollte sich das bei so einer Abstimmung herausstellen, wäre dieses politische Signal für die Bemühungen um den Wiederaufbau ein herber Schlag. Denn das Projekt soll vor allem über Spender finanziert werden – doch welcher Mäzen gibt schon gern sein Geld für ein Bauprojekt, gegen das sich die Mehrheit der Bürger einer Stadt ausgesprochen hat, so das Kalkül der Gegner.

Zur Startseite