Babelsberger Gastronom bittet um Spenden: Corona-Bürokratie bringt Café Kellermann in Not
Babelsberger Lokalität soll keine Staatshilfen bekommen. Inhaber Uwe Kellermann bittet um Spenden.
Potsdam- Schweren Herzens hat sich Uwe Kellermann, Inhaber des Babelsberger „Café Kellermann“, vor eine Videokamera gesetzt, um zu Spenden in eigener Sache aufzurufen. „Das ist heute keine leichte Aufgabe für mich“, sagt er ernst, „man ist der Meinung, wir waren nicht hilfsbedürftig“. Aber weil die erwarteten staatlichen Corona-Hilfsgelder für den Szenetreff nicht fließen würden, sei er „nicht in der Lage, die Kosten des Cafés allein zu stemmen“. An seine Stammgäste gerichtet fügt er hinzu: „Wir brauchen euch, und ich wollte euch um Unterstützung bitten.“
Das Café an der Rudolf-Breitscheid- Ecke Karl-Liebknecht-Straße ist in den drei Jahren nach seiner Gründung zu einem beliebten Ort der Begegnung geworden. Es gab vor Corona nicht nur Frühstück mit den hoch gestapelten skandinavischen Smörgasbroten und am Abend kleine Imbisse, das Café wuchs auch zu einem Ort der Kultur: Konzerte, Lesungen und Diskoabende fanden statt. Dem Spendenaufruf auf Facebook seien in den ersten zweieinhalb Tagen „etliche Stammgäste“ gefolgt, sagt Kellermann, „in Beträgen zwischen zehn und 200 Euro sind schon rund 1500 Euro zusammengekommen“.
In die missliche Lage ist der 47 Jahre alte Gastronom gekommen, weil er der Politik vertraute. Vollmundig hatte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am 22. November etwas angekündigt, das wie ein Versprechen klang. Sollte der Lockdown verlängert werden, würden auch die Staatshilfen verlängert werden: „Es wird so sein, dass wir niemanden im Regen stehen lassen.“
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Nun ist Kellermann mit seinem Vertrauen pudelnass geworden. Der Café-Besitzer hatte fest damit gerechnet, Hilfsgelder auf der Basis von 75 Prozent der Umsätze des Vorjahres zu erhalten. Kellermann beantragte nicht einmal Kurzarbeitergeld für seine sieben festangestellten Mitarbeiter: „Es wäre ja von den Hilfen abgezogen worden, und mit den 30 000 bis 35 000 Euro, die ich erwartet habe, wäre ich hingekommen.“ Da er fand, dass der Staat mit der Unterstützung der Wirtschaft „sehr großzügig“ war, „wollte ich gegenüber meinen Mitarbeitern nicht knauserig sein und zahlte ihre Löhne weiter“.
Der gebürtige Potsdamer, der mit seiner Lebensgefährtin Daniela Berg, einer Theologin und Supervisorin, „um die Ecke“ wohnt, hat Schlosser gelernt. Nach einem Maschinenbaustudium entwickelte er als Ingenieur bei Bombardier in Henningsdorf Sanitätsysteme für Hochgeschwindigkeitszüge, ehe er sich zu einem radikalen Berufswechsel entschloss. 2007 eröffnete er in Babelsberg einen Regionalladen mit Produkten von Biobauern der Umgebung, zehn Jahre später das Café in der früheren Rathausapotheke. In Corona-Zeiten erwirtschaftet er nur 15 bis 20 Prozent seiner früheren Einnahmen durch Außer-Haus-Verkauf, „das deckt die Kosten lange nicht“. Die Freude, mit der er seine Existenz aufbaute, wich einem Schock, als er von seiner Steuerberaterin erfuhr, „dass ich gar nichts bekommen werde“.
Investitionsbank bemängelt Mischbetrieb
Die Beraterin schrieb ihm, wie die Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB) ihr gegenüber begründet hatte, dass ihr Mandant leer ausgehen werde. Bei dem Café und dem Regionalladen handele es sich „um einen Mischbetrieb, der nicht zu mehr als 80 Prozent seiner Umsätze einer der Schließungsverordnung zu Grunde liegenden Branche zuzuordnen“ sei. Übersetzt bedeutet das bürokratische Kauderwelsch: Kellermann hätte vier Fünftel seines Gesamtumsatzes mit dem Café erwirtschaften müssen, nicht, wie es der Wirklichkeit entsprach, die Hälfte.
Die Steuerberaterin argumentierte schlüssig dagegen. Kellermann betreibe das Café und den Laden an unterschiedlichen Standorten und setze unterschiedliches Personal ein. Mehr noch: die Umsätze wie auch die Miete und die Personalkosten seien „den einzelnen Unternehmen zuzuordnen“, die Umsätze verteilten sich zu je 50 Prozent auf die Objekte. Sie sei zudem zu der Auffassung gekommen, „dass kein Mischbetrieb vorliegt, da getrennte Kassensysteme“ existierten und die Kosten auch sonst fein säuberlich getrennt erfasst würden.
Rückzahlung droht
Kellermann ist verbittert. Das Altmaiersche Versprechen sei gebrochen worden: „Ich fühle mich so, als sei ich in den Regen gestellt worden“, sagte er den PNN am Donnerstag – zumal er damit rechnen muss, einen bereits erhaltenen Abschlag auf die Hilfsgelder in Höhe von 10.000 Euro zurückzahlen zu müssen.
Olaf Lücke, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DeHoGa) in Brandenburg, weiß, dass die Causa Kellermann „kein Einzelfall“ ist. Die Bewertung von sogenannten Mischbetrieben sei „Haarspalterei“, die Betroffenen regten sich „völlig zu Recht auf“. Möglicherweise werde die Auszahlung der Überbrückungshilfe III im Januar anders gehandhabt.