Eine bezaubernd schöne Preußin, der sich niemand entziehen konnte: Charlotte Joop
Geb. 28.11.1915
Sie liebte es, Hof zu halten. Freunde – es waren ihrer recht viele – lud sie in ihr Haus oder auf die Gartenterrasse nach Bornstedt ein. Und sie kamen alle zu Charlotte Joop. War man für einige Zeit mit dem Besuch nicht ganz regelmäßig, so schalt sie dem Säumigen augenzwinkernd einen „Treulosen“. Aber das könne man von nun ab ändern, war ihr Ratschlag.
Der große Freundeskreis war ausgesprochen gern in ihrer Nähe. Denn er fühlte sich bei Charlotte Joop gut aufgehoben. Stets wollte sie das Neueste erfahren, vor allem aus der Kulturszene und aus der Welt der Gärten. Sie erkundigte sich nach aktuellen Geschehnissen in der Stadt, besonders interessierten sie die Vorgänge bei der Garnisonkirche und dem Stadtschloss. Sie erzählte auch selbst gern von ihren Erlebnissen und Besuchen der vergangenen Tage, die sie sichtlich genoss. Beispielsweise davon, dass sie sich in der vergangenen Woche ins Filmmuseum fahren ließ, um einen Film über Königin Luise mit Ruth Leuwerik, einer beliebten Schauspielerin ihrer Generation, zu sehen. Luise interessierte sie sowieso. Auch der Ausflug nach Ferch war Gesprächsthema. Ihr Ziel war das dortige Museum. Die Bilder der Havelländischen Malerkolonie interessierten sie, in die kleine Fischerkirche warf sie einen Blick. Charlotte Joop hatte stets ausgefüllte Tage, die nur mit einem Kalender zu bewältigen waren. Mit sage und schreibe 94 Jahren. Immer war ihr ein klarer Geist in schönster Weise gegeben.
Sie fühlte sich als Preußin und war wirklich eine, wohl eine der letzten: immer diszipliniert und aufrecht, auch in schwierigen und traurigen Situationen. Ihre eigene Meinung, obwohl sie nicht immer mit derjenigen ihres Gegenüber übereinstimmte, gab sie deutlich zum Ausdruck. Und oftmals war sie recht treffend. Doch sie tolerierte auch das Wort des Anderen.
Und sie war bezaubernd schön bis ins hohe Alter hinein. Ihrer Ausstrahlung konnte man sich nicht entziehen. Diese zierliche Frau war nämlich eine wirkliche Dame. Sie brauchte sich nicht zu verstellen. Humor, Warmherzigkeit und Herzlichkeit waren Charlotte Joop gegeben. Aber auch ein gesundes Mitgefühl für ihre Mitmenschen. Großzügig hat sie sich immer wieder mit Spenden eingebracht, dort wo Hilfe nötig war. Gutes tun und Vernünftiges bewirken gehörte zu ihren Devisen. So hatte sie für die baulichen Anliegen der Bornstedter Kirchengemeinde stets ein offenes Ohr. An manchen Projekten beteiligte sie sich finanziell.
Charlotte Joop kleidete sich gern elegant, am liebsten mit der Mode ihres Sohnes Wolfgang. Wer meinte, die Kleider, Hosen oder Mäntel seiner Kollektionen würden nur jungen Frauen bestens zu „Gesichte stehen“, der irrte sich. Manchmal hatte man den Eindruck, der Sohn habe dieses oder jenes Stück Kleidung direkt für die Figur der Mutter zugeschnitten.
Die Karriere von Wolfgang, dem einzigen Sohn von Charlotte und Gerhard Joop – er gehört zu den berühmtesten Modedesignern unserer Zeit -, hat sie immer mit großer Anteilnahme und mit mütterlichem Stolz verfolgt, ob mit seinen eigenen regelmäßigen Berichten oder in den Medien. Gern mischte sie sich auch unter die Gäste bei Modeschauen oder Ausstellungsvernissagen ihres Sohnes. Zuletzt in Rostock. Aber auch ihren erfolgreichen Enkeltöchtern Jette und Florentine sowie den Urenkelinnen galt ihre Liebe und ganze Aufmerksamkeit. Wie froh war sie stets, wenn die ganze Familie sich im Haus und im Garten in der Bornstedter Ribbeckstraße versammelte.
Wolfgang Joop ließ vor gut 15 Jahren das ehemalige Stallgebäude als italienisierendes Landhaus umbauen, vorrangig für seine Eltern. Charlotte und Gerhard Joop siedelten 1995 von Braunschweig nach Potsdam um. In der niedersächsischen Stadt war Gerhard Joop Redakteur und Chefredakteur der renommierten „Westermann’s Monatshefte“. 1954 hatten Charlotte Joop und Sohn Wolfgang Bornstedt verlassen. Es ging nach Braunschweig zum Ehemann und Vater. In der Ribbeckstraße hat Ursula Ebert, die Schwester von Charlotte Joop, das Grundstück, das einst ein Bauernhof ihrer Eltern war, über die schwierigen DDR-Zeiten bewahrt. Die Wende begrüßten auch die Joops mit offenen Armen. Ohne eine Grenze zu passieren, konnten sie von nun an frei und ohne Angst in ihr geliebtes Potsdam fahren. Bis sie dann hier wieder ansässig wurden. Charlotte und Gerhard Joop, er starb vor drei Jahren, wurden zu einem gesellschaftlichen Mittelpunkt.
Und dann ist da ja noch der große Garten. Dort, wo früher ihr Vater Paul Ebert Gemüse anbaute, hat Ursula einen Garten angelegt, der schließlich ein Garten Eden geworden ist. Nach dem Tode ihrer Schwester hat Charlotte Joop mit Hilfe eines Gärtners sich ihm intensiv angenommen. Behutsam hat sie ihn mit ein Paar Nuancen nach ihrem Geschmack bedacht. Stillstand war für sie ein Fremdwort. Täglich machte sie mehrmals ihre Runde durch den weiträumigen Garten, freute sich am Blühen der reichen Flora. Glücklich war sie, wenn sie viele Gäste in ihrem so wunderbaren Areal persönlich begrüßen konnte, so bei den Urania-Veranstaltungen „Im Garten vorgelesen“. Dann richtete sie stets ein herzliches Wort an alle, plauderte mit diesem und jenem. Und ihren Charme versprühte sie über Hof und Garten.
Nach kurzer Krankheit ist sie am vergangenen Dienstag in ihrem Haus in der Ribbeckstraße verstorben. Ein Stück Potsdamer Geschichte ist mit Charlotte Joop, die fast 95 Jahre deutsche Geschichte in all ihren Facetten erlebte, zu Ende gegangen. Klaus Büstrin
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