"Wolfsfreie Zonen" in Kommunen: Wölfe in Brandenburg: Bürgermeister fordern Abschusserlaubnis
Weil immer mehr Wölfe in Brandenburg leben, fordern Kommunen von der Landesregierung Abschüsse und wolfsfreie Zonen
Potsdam - Reinhard Jung macht sich Sorgen. „In der Gegend, wo ich lebe, werden jetzt ständig Schafe gerissen“, sagt der Landwirt, der seinen Hof mit 30 Weidekühen in Lennewitz in der Prignitz hat. Selbst sogenannte Wolfzäune würden die Herden der Bauern nicht schützen. „Schrecklich“ sei das, zumal er im Herbst Kälber erwartet, um die sich Jung sorgt. „Das ist kein schönes Gefühl.“
Geschätzt 240 Wölfe gibt es in Brandenburg, jedes Jahr steigt ihre Population um ein Drittel. Landwirte wie Jung fürchten um ihre Existenz, sollten Wölfe mehrere ihrer Tiere reißen. Jung, der nicht nur Bauer, sondern auch Geschäftsführer des Brandenbuger Bauernbunds ist, gilt als einer der größten Kritiker der Wölfe. Anfang des Jahres initiierte sein Verband eine Petition, die wolfsfreie Zonen sowie den geregelten Abschuss der Tiere fordert. Fast 7000 Menschen haben bereits unterschrieben, darunter viele Bauern. Um zusätzlichen Druck auszuüben, haben sich inzwischen auch einige Kommunen symbolisch zur wolfsfreien Zone erklärt. „Die Kommunen sind zwar nicht zuständig, aber wir wollen ein Zeichen an die Landesregierung senden. Das Leben auf dem Land wird schlechter“, sagte Jung bei einem Pressegespräch am Montag in Potsdam.
Als erste Kommune hatte sich die Stadt Lenzen (Prignitz) im April zur wolfsfreien Zone erklärt. Ein Hilferuf, erklärte Bürgermeister Christian Steinkopf in dem Gespräch: „Im ländlichen Bereich kann nicht viel unternommen werden, denn die politische Mehrheit kommt aus den städtischen Bereichen.“ Dort verstünde man die Probleme der Landwirte und vor allem die Folgeschäden der größer werdenden Wolfspopulation nicht. „Wenn beispielsweise Wildtiere wie Rehe Angst haben, schließen sie sich zu Rudeln zusammen.“ Dann sei es aber fast unmöglich, sie zu jagen, weshalb die Förster nur noch deutlich niedrigere Pachten in den Wäldern zahlen wollen. Nur eines von vielen Problemen.
„Wir sind längst weg von dem Punkt, an dem wir jeden Wolf bejubeln“
Acht weitere Kommunen haben sich inzwischen ebenfalls zur wolfsfreien Zone erklärt: Plattenburg und Breddin (Prignitz) sowie Gransee, Sonnenberg, Großwoltersdorf, Schönermark und Stechlin in Oberhavel. Aus Potsdam-Mittelmark hat bislang einzig die Gemeinde Buckautal einen entsprechenden Entschluss getroffen. Landesweit beraten, Reinhard Jung zufolge, 18 weitere Kommunen über derartige Beschlüsse.
Unterstützung bekommen Jung und die Kommunen auch von der Politik. CDU und FDP unterstützen die Forderung nach wolfsfreien Zonen, die Wölfe sollen vielmehr auf alten Truppenübungsplätzen zusammengehalten werden. „Die Übergriffe von Wölfen auf Nutztiere haben sich versechsfacht“, sagte der umweltpolitische Sprecher der CDU, Dieter Dombrowski. Er prognostizierte, dass immer mehr Wölfe immer mehr Nutztiere reißen werden. Er machte sich deshalb für Schutzjagden nach schwedischem Vorbild stark. Dabei dürfen Wölfe wie andere Wildtiere geschossen werden, solange ein „günstiger Erhaltungszustand“ dadurch nicht gefährdet wird. Andernfalls drohe nicht nur für Schafe, Ziegen und Rinder Gefahr: „Es ist nur eine Frage der Zeit, dass auch Menschen zu Schaden kommen.“
Wölfe dürfen laut Bundesnaturschutzgesetz nur geschossen beziehungsweise entnommen werden, wenn sie sich Menschen nähern oder als Problemwölfe ganze Herden reißen. In Brandenburg gilt seit diesem Jahr zudem die Wolfsverordnung, wonach aggressive Tiere, die Menschen gefährden, sofort getötet werden. Auch wenn Wölfe zweimal auf Weiden eindringen und Nutztiere reißen, dürften sie erlegt werden – allerdings nur, wenn die Weide mit Zäunen oder anderen Maßnahmen ausreichend geschützt wurde. „Die Wolfsverordnung kann nicht funktionieren, weil die Voraussetzungen zu hoch sind“, kritisiere Jung und kündigte an: „Die Weidetierhaltung in Brandenburg wird immer weniger werden.“
Aus dem Brandenburger Landwirtschaftsministerium hieß es auf Anfrage, man wolle die Wolfsverordnung nach zwei Jahren evaluieren. Gleichwohl sieht man schon jetzt Handlungsbedarf. „Wir sind längst weg von dem Punkt, an dem wir jeden Wolf bejubeln“, sagte Sprecher Jens-Uwe Schade den PNN. Beim Thema Entnahme von Wölfen brauche es Rechtssicherheit. „Da gibt es erhebliche Defizite“, sagte er. Außerdem müsse man in Zusammenarbeit mit dem Bund klären, wie viele Wölfe einen „günstigen Erhaltungszustand“ bilden. Die Veranstaltung des Bauernbund sieht Schade als Signal, schnelle Lösungen könne man aber nicht versprechen. „Wolfsfreie Zonen klingen schön, sind aber eben nicht so einfach.“
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