Landesregierung Brandenburg: Wissenschaftsministerium soll von Potsdam nach Cottbus ziehen
Die Landesregierung will Regionen jenseits von Potsdam stärken. Dafür soll unter anderem das Wissenschafts- und Kulturministerium nach Cottbus ziehen. Die Stadt Potsdam war in die Pläne nicht eingeweiht und reagiert verärgert.
Potsdam - Raus aus der Landeshauptstadt: Brandenburgs rot-rote Landesregierung will die Regionen, insbesondere die vom Strukturwandel nach dem Kohleausstieg betroffene Lausitz stärken und dafür Landeseinrichtungen verlagern. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur soll mit seinen 150 Mitarbeitern bis 2023 von Potsdam nach Cottbus ziehen. Das beschloss das Kabinett am Dienstag auf Vorschlag von Finanzminister und Vize-Regierungschef Christian Görke (Linke), wie die Staatskanzlei mitteilte.
Landeseinrichtungen in Eberswalde und Angermünde geplant
Die weiteren Umzugspläne betreffen den Landesbetrieb Forst, der von Potsdam nach Eberswalde (Barnim) umziehen soll. In Angermünde (Uckermark) ist der Aufbau einer Zweigstelle des Schulamtes Frankfurt (Oder) für die Landkreise Barnim und Uckermark geplant.
Doch der größte Umzugshammer sind die Pläne für das derzeit von der Cottbuserin Martina Münch (SPD) geführte Ministerium. Dass ein Ministerium nicht in der Landeshauptstadt angesiedelt ist, ist die große Ausnahme. Als einziges Bundesland ist bislang Bayern so verfahren, das - unter großem Protest - sein Gesundheitsministerium von München nach Nürnberg verlagerte.
Viele Arbeitsfelder des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur seien mit der Lausitz verbunden, erklärte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Mit einer Verlagerung des Ressorts nach Cottbus biete sich für die dortige Hochschul- und Wissenschaftsregion die Chance, Synergien zu erzielen. Das passe auch gut zu den Plänen, Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer-Institut und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt in der Lausitz anzusiedeln, um Perspektiven nach dem Ausstieg aus der Braunkohle zu bieten.
Standortgarantie für die Mitarbeiter
Das Ministerium soll auf einer der beiden Landesliegenschaften in Cottbus angesiedelt werden. Ein Neubau würde nach Angaben von Finanzminister Christian Görke (Linke), dessen Ressort für Landesliegenschaften zuständig ist, rund 15 Millionen Euro kosten. Für eine Sanierung eines bereits vorhandenen Gebäudes müsste das Land rund zehn Millionen Euro aufbringen. Für die Landesmitarbeiter soll eine Standortgarantie festgeschrieben werden. Das heißt, wer partout nicht nach Cottbus umziehen will, soll einen anderen Posten innerhalb der Landesverwaltung in Potsdam bekommen.
Der Platz in Potsdam wird knapp
Hintergrund der Umzugspläne sind nicht nur politische Erwägungen, sondern auch künftige Platznot in Potsdam. Der Regierungsstandort in der Heinrich-Mann-Allee 103 soll bis spätestens 2021 komplett aufgegeben werden, um das Areal der Bundespolizei zur Verfügung zu stellen, die dort hochdotierte Mitarbeiter unterbringen will. Für Landeseinrichtungen wie das Sozialgericht, die ursprünglich auf dem Gelände untergebracht werden sollten, müssen deshalb andere Liegenschaften gefunden wurden. An den beiden Regierungsstandorten Heinrich-Mann-Allee 107 und Henning-von-Tresckow-Straße 9-13 sind die Kapazitäten begrenzt.
Das Wissenschaftsministerium ist bisher als einziges Ressort an keinem der Regierungsstandorte angesiedelt, sondern ist zur Miete in der Dortustraße untergebracht. Dort könnte nach dem Ministeriumsauszug die Landesdatenschutzbeauftragte untergebracht werden, die derzeit in Kleinmachnow sitzt. Um aber das Ministerium samt seiner 150 Mitarbeiter in Potsdam halten zu können, wäre ein Neubau notwendig gewesen, erklärten Woidke und Görke. Darauf zu verzichten, sei auch eine gute Entscheidung für Potsdam, so Woidke. Schließlich werde in der wachsenden Stadt der Platz für Wohnungen dringend gebraucht. Zudem seien die Immobilienpreise in Potsdam mittlerweile sehr hoch.
Zieht auch der Landesrechnungshof weg?
Er schließe nicht mehr aus, dass der Landesrechnungshof perspektivisch auch nach Cottbus ziehe, erklärte Finanzminister Görke. Dort gibt es bereits eine Außenstelle der Behörde. Wie berichtet soll der Landesrechnungshof aus dem Landtag ausziehen und in den Roten Kasernen in Potsdam untergebracht werden, um nach der Landtagswahl Platz für ein größeres Parlament mit mehr Fraktionen als jetzt zu machen. Die Mietkosten für die Räume in den Roten Kasernen lägen bei einer halben Million Euro jährlich, so Görke.
Ihm sei bewusst, dass die gesamten Pläne nicht nur auf Zuspruch stoßen werden, erklärte Woidke. "Es wird nicht nur Applaus geben." Dennoch halte er die Entscheidung gerade mit Blick auf die Entwicklung in der Lausitz für richtig und notwendig.
Potsdams Oberbürgermeister kritisiert die Entscheidung
Kritik gibt es prompt von der Stadt Potsdam. Die Landeshauptstadt sei von der Entscheidung der Landesregierung überrascht worden, erklärte Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD). "Wir hätten nicht damit gerechnet, dass die Landesregierung nach der abgesagten Kreisgebietsreform und nur wenige Monate vor der Landtagswahl eine solch weitreichende strukturpolitische Entscheidung trifft, ohne uns als betroffene Kommune vorher einzubinden", so Schubert. Er fordere landesweite Gespräche über Behördenstandorte. Die Entscheidung, die Lausitz und die Stadt Cottbus zu stärken, sei nachvollziehbar. So hätte einiges dafür gesprochen, dass Energieministerium nach Cottbus zu verlegen, erklärte Schubert. Die Entscheidung, das Wissenschafts- und Kulturminister umzuziehen, sei jedoch nicht nachvollziehbar. "Die Landeshauptstadt Potsdam hat sich auch über die Grenzen der Region hinaus einen Ruf als Wissenschafts- und Kulturstadt erworben", sagte Schubert. Dazu habe die enge Zusammenarbeit mit dem Ministerium beigetragen. Als Standort des größten Weltkulturerbes im Land Brandenburg, diverser Landesverbände von kulturellen Trägern, einer Vielzahl von Hochschulen, zwei Universitäten und einer Vielzahl von Forschungseinrichtungen sei in Potsdam wie in keiner anderen Stadt in Brandenburg eine enge Abstimmung mit dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur nötig.
CDU-Fraktions- und Parteichef Ingo Senftleben erklärte: „Grundsätzlich ist eine Stärkung der Region zu begrüßen. Die Woidke-Regierung hat in der Vergangenheit aber, bis auf kleinere Einzelprojekte, einen eigenen Plan für die Lausitz sträflich vermissen lassen." Vielmehr sei die Region vor der geplatzten Kreisgebietsreform fast abgeschrieben worden. Ihn verwundere der Zeitpunkt, die Pläne zu verkünden. "Kurz vor den Wahlen etwas zu versprechen ist deshalb unglaubwürdig, da SPD und Linke seit Jahren als Regierung nicht gehandelt haben", sagte Senftleben. Die CDU bleibe bei ihrem Vorschlag, ein eigenes Lausitzministerium in der Region einzurichten. Dieses solle alle Akteure und Aktivitäten bei der Strukturentwicklung bündeln.
Kritik auch von der IHK Potsdam
AfD-Fraktionschef Andreas Kalbitz hält den Umzug für ein „Wahlgeschenk“, das eine Belastung für die Steuerzahler werde. Es gebe viele gute Vorschläge, die Lausitz zu stärken, erklärte Grünen-Landeschefin Petra Budke. „Aber die Verlegung eines Ministeriums mit allen Folgekosten und Problemen gehört bestimmt nicht dazu“, erklärte sie. Die Industrie- und Handelskammer Potsdam befürchtet, „dass Kosten steigen, gute Leute verloren gehen, die interministerielle Zusammenarbeit leidet und die Erreichbarkeit für Unternehmen, Institute und Bürger abnehmen wird“.
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