Flüchtlinge aus Ungarn kommen in Brandenburg an: „Wir wollen schlafen“
Sie sind erschöpft: Flüchtlinge, die aus Ungarn ausreisen durften, sind in Eisenhüttenstadt angekommen. Der Bahnhof war weiträumig abgesperrt.
Eisenhüttenstadt - Den Augen der Menschen, die am Bahnhof aus dem ICE steigen, sind ihre tagelangen Strapazen abzulesen. „Wir wollen schlafen“, sagt ein älterer Herr aus Syrien völlig erschöpft. Seit 36 Stunden sei er wach. Ein Sonderzug brachte laut Innenministerium rund 900 Flüchtlinge aus München über Berlin nach Eisenhüttenstadt (Oder-Spree). Für die Mehrheit soll ihre Flucht-Odyssee über Ungarn und Österreich hier in Brandenburg ein Ende nehmen. Es sind Familien mit kleinen Kindern, ältere Menschen und vor allem junge Männer, die sich am Montagmorgen auf dem Bahnsteig sammeln.
Viele Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und Pakistan
Viele kommen aus Syrien, andere aus Afghanistan und Pakistan. Die Polizei leitet die Flüchtlinge durch eine Unterführung zum Vorplatz, wo es eine medizinische Erstversorgung gibt. Mitarbeiter des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) nehmen sie in Empfang. „Einige sind krank“, sagt DRK-Sprecherin Iris Möker über die Flüchtlinge. Sie sollen ins Krankenhaus gebracht werden. Die Mehrheit der Menschen kommt in die Erstaufnahmestelle in Eisenhüttenstadt und ein weiterer Teil, 310 Personen, mit Bussen nach Berlin.
Kaum Koordination
Der Vize-Landeschef der Linken, Sebastian Walter, sagt vor Ort, dass es ohne die ehrenamtlichen Helfer nicht so reibungslos funktionieren würde, teilweise übernehmen sie auch die Registrierung der ankommenden Flüchtlinge. „Alle Stellen versuchen zwar an einem Strang zu ziehen. Dafür, dass voraussehbar war, dass die Leute kommen, fehlt aber ein Stück weit Koordination“, sagt er.
Viele der Flüchtlinge sind verunsichert und haben Fragen. Einige wollen zum Beispiel wissen, wann es weiter nach Hamburg geht. Im Zug habe man gesagt, dass die Stadt das Ziel sei. „Wo sind wir hier?“, fragt ein junger Syrer. Andere strecken einem Geldscheine entgegen und bitten darum, dass man ihnen eine Sim-Karte kauft, damit sie mit ihren Familien telefonieren können.
Schlechte Erfahrungen mit Polizei in Ungarn
„Mein Bruder wohnt in Hamburg, dort will ich hin“, sagt der 22 Jahre alte Omar. Er schildert, wie er sich in Ungarn zu Fuß Richtung österreichische Grenze aufgemacht habe. „Wir hatten nichts zu trinken, nichts zu essen.“ Der Großteil seiner Familie sei noch in Syrien. In Ungarn habe er schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht.
Am Wochenende waren Tausende Flüchtlinge aus Bayern in andere Bundesländer per Zug oder Bus gebracht worden. Berlin, Wien und Budapest hatten vor dem Wochenende entschieden, dass die Flüchtlinge aus Ungarn ausnahmsweise ohne bürokratische Hürden einreisen können. Das nutzten viele tausend Menschen. Sie hatten tagelang in Ungarn ausgeharrt.
Bahnhof Eisenhüttenstadt blieb weiträumig abgesperrt
In vielen deutschen Städten gab es Menschen, die die Flüchtlinge mit Geschenken und Essen willkommen hießen. In Eisenhüttenstadt ist das anders. Der Bahnhof ist weiträumig abgesperrt. Anwohner fragen, was überhaupt los sei. Nur wenige Menschen stehen am Rande des Vorplatzes und beobachten das Geschehen. Lange war am Wochenende unklar, wann die ersten Flüchtlinge kommen würden.
Bürgermeisterin Dagmar Püschel (Linke) ist am Morgen am Bahnhof, sie will ein Zeichen setzen und kündigt an, dass Eisenhüttenstadt den Flüchtlingen helfen wolle. Aber es gibt auch die andere Seite. In einem Café in der Innenstadt unterhält sich eine Gruppe und regt sich dabei darüber auf, dass der Bahnhof abgesperrt sei. Und dass jetzt in Eisenhüttenstadt bald mehr Flüchtlinge als Einwohner leben würden. In der Stadt wohnen 28 000 Menschen. (mit René Garzke)
Anna Ringle
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