Interview | Wirtschaftsminister Jörg Steinbach: „Wer ordentlicher Kaufmann ist, kann unbesorgt sein“
Der SPD-Politiker über Rückzahlungen von Corona-Soforthilfen. Womit Unternehmer nun rechnen müssen.
Minister Steinbach, Unternehmer, die 2020 eine Corona-Soforthilfe erhalten haben, sind von Ihnen per Brief aufgefordert worden, die Hilfen zurückzuzahlen, wenn sich herausgestellt hat, dass die Hilfen nicht nötig waren. Wie ist der Stand der Dinge?
Wir haben die Rückzahlfrist bis zum 18. März 2022 verlängert, um etwas Druck aus der Angelegenheit herauszunehmen. Rund 3500 Unternehmen und Selbstständige haben schon Soforthilfe – teils vollständig, teils anteilig – zurückgezahlt, seit das Schreiben dazu seitens der Investitionsbank am 11. Januar 2022 versandt wurde. Zudem liegen rund 1500 Anträge auf zinsfreie Stundung oder Ratenzahlung vor. Etwa 6000 Unternehmen und Selbständige hatten schon 2020 und 2021 freiwillig die erhaltene Soforthilfe zurückgezahlt. Ich rechne damit, dass letztlich rund zehn bis 15 Prozent der gut 60 000 bewilligten Antragsteller das Geld letztlich vollständig zurückzahlen müssen.
Wir reden ja hier über die Corona-Soforthilfen. Wird es ähnliche Schreiben auch für die geben, die später im Jahr Wirtschaftshilfen erhalten haben?
Das, was wir hier machen, ist ein für alle Bundesländer einheitliches Verfahren mit dem Schreiben in der Soforthilfe. In den anderen Wirtschaftshilfen – Überbrückungshilfen, Neustarthilfen – wird es ebenso Abrechnungsverfahren geben. Die Schlussabrechnungen werden großteils über Steuerberater laufen, die Kommunikation über die digitale Plattform des Bundes. Mir sind in Brandenburg aber nur ordentliche Kaufleute bekannt, und wer ein ordentlicher Kaufmann ist, muss vor den Endabrechnungen zu den Hilfen auch keine Sorgen haben.
Wann müssen die nächsten Brandenburger Kaufleute mit diesem Brief rechnen?
Vorgestern habe ich auf der ersten außerordentlichen Wirtschaftsministerkonferenz mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und meinen Kollegen aus den Ländern genau darüber gesprochen. Bundesminister Habeck hat uns dabei signalisiert, dass er nicht möchte, dass jetzt beginnende Abrechnungsverfahren andere Unternehmen daran hindern, neue Wirtschaftshilfen zu beantragen, weil in beiden Fällen die Steuerberater benötigt werden. Wir wollen diese Termine deswegen möglichst weit voneinander entzerren.
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Das heißt im Klartext, dass weitere Aufforderungen zu Rückzahlungen erst nach Ende der Pandemie kommen werden?
Richtig. Das ist unser gemeinsames Ziel, egal ob in den Ländern oder im Bund. Wir wollen mit Steuergeldern ordentlich umgehen, was bedeutet, dass man deren Verbleib auch in einem gewissen Maße kontrollieren muss. Aber wir wollen aus der Kontrolle keine zusätzliche Belastung für die Unternehmen generieren.
Besonders stark von der Pandemie betroffen sind derzeit Gastronomie und Hotellerie. Hat das Tourismusland Brandenburg noch eine Zukunft?
Ich kenne Lokalitäten in Potsdam, die auch zu Zeiten von 2G-Plus so voll sind, dass es kaum möglich ist, einen Tisch zu reservieren. Und umgekehrt gibt es Gaststätten, die in einem großen Maß vom Tourismus abhängig sind, die derzeit im Grunde keinen Umsatz machen. Deshalb ist es schwer, eine Antwort zu geben, die für alle zutreffend ist. Grundsätzlich bin ich aber überzeugt davon, dass der Tourismus in Brandenburg wieder aufleben wird. Wir haben gerade im Haushaltsausschuss über ein Projekt in Nuthetal beraten, wo mit GRW-Mitteln eine Surfhalle mit Restaurant und Übernachtungsmöglichkeit gefördert werden soll. Wir gehen fest davon aus, dass das gut investiertes Geld ist. Genauso deutlich muss aber gesagt werden, dass es Restaurants und Hotels geben wird, die sehr viel Geduld haben müssen, bis es wieder läuft. Wichtig ist, welche Lehren die Branche aus der Situation zieht.
Was meinen Sie damit?
Nehmen Sie den Verlust an Fachkräften, der in der Branche überall beklagt wird. Das ist auf der einen Seite sicher der allgemeinen pandemiebedingten Frustration geschuldet, aber wir haben durchaus auch Situationen erlebt, in denen sich gezeigt hat, dass 450 Euro-Jobs alles andere als hilfreich sind – denn wer einen 450-Euro-Job hat, hat ein Problem, wenn es zum Beispiel um Kurzarbeit geht.
Also plädieren Sie für eine Abkehr von schlecht bezahlten, vielleicht sogar befristeten Jobs in der Gastronomie?
Ich sage ganz klar, dass sich der Anteil schlecht bezahlter, befristeter Jobs in der Gastronomie reduzieren muss. Nur so kann die Branche attraktiver für Fachkräfte werden.
Braucht es auch insgesamt mehr Qualität in der Branche? Mehr Klasse statt Masse?
Ich bin mit so einer Kritik sehr vorsichtig. Wir haben eine gebeutelte Branche, und das, was diese Branche am wenigsten gebrauchen kann, ist besserwisserische Kritik. Ich glaube, jedes Unternehmen hat genug Bedenkzeit gehabt, um zu überlegen, wie man nach der Krise weitermachen kann. Und in der Summe muss man sagen, der Gastronomiebereich hat überwiegend von den Coronahilfen profitiert. In Brandenburg haben wir fast 1,5 Milliarden Euro Hilfsgelder in die Wirtschaft gesteckt – davon ist der mit Abstand größte Brocken in die Gastronomie geflossen. Das macht mich optimistisch, dass wir die Betriebe über die Zeit retten werden.
Sie haben gerade das Wort „profitiert“ benutzt. Haben die Betriebe wirklich von den Hilfen „profitiert“? Wären das nicht unter Normalbedingungen Gelder gewesen, die die Unternehmen sowieso erhalten hätten?
„Profitiert“ meine ich in dem Sinne, dass der Staat sich große Mühe gegeben hat, dass die Wirtschaft so wenig wie möglich unter der Situation leiden sollte. Es ging darum, so wenig wie möglich Wirtschaftskraft am Ende zu verlieren. So hat man ja auch versucht, die Spielregeln für die Beantragung der Hilfen zu formulieren und spezielle Regelungen für besonders betroffene Branchen einzubauen. Wenn die Hotels und Gaststätten so einen großen Anteil der Hilfen erhalten haben, dann war die Passfähigkeit der Hilfen für diese Branche offenbar groß – und das sollte sich dann am Ende auch an der Überlebensfähigkeit bemerkbar machen.
Das Thema, mit dem man Sie über die Grenzen von Brandenburg hinaus identifiziert, ist die Ansiedlung von Tesla. Wie geht es Ihnen beim Warten auf die Baugenehmigung?
Eigentlich will ich zu dem laufenden Verfahren gar nichts mehr sagen. Aber wenn diese zwei Jahre demnächst zu einem Ende kommen, werde ich auch richtig tief durchatmen. Es ist ja nicht nur die Belastung der einzelnen Mitarbeiterin und des einzelnen Mitarbeiters in den Behörden: Das Projekt kostet viel Kraft und Energie, und ich freue mich, wenn ich dann auch mal durchatmen kann.
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Dennoch würden sich viele Mittelständler ein Tempo wie bei Tesla wünschen. Wie kann man erreichen, dass auch andere Projekte solch ein Tempo bekommen könnten?
Wir müssen und wollen den gesamten Arbeitsablauf bei der Tesla-Ansiedlung analysieren und daraus Schlüsse für die Zukunft ziehen. Vieles ist ja bei der Tesla-Ansiedlung gut gelaufen. Aber es braucht eine Handreichung, wie solche Prozesse künftig noch besser gestaltet werden können. Wie man beispielweise verhindert, dass Unterlagen unvollständig eingereicht werden und dann durch Nachforderungen viel Zeit verloren geht. Was wir mit Sicherheit angehen werden, ist die Frage der Beschleunigung in Planungsverfahren – daran hat ja auch der Bund ein Interesse. Wir müssen die Stellen identifizieren, wo unsere rechtlichen Verfahren verbessert werden können.
Das Gespräch führte Benjamin Lassiwe
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