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Abgefackelt. Im August 2015 steckten Neonazis eine Sporthalle in Nauen (Havelland) in Brand, die als Flüchtlingsunterkunft dienen sollte. 2017 wurden sie verurteilt.
© J. Stähle/dpa

Brandenburg: Urteil gegen Neonazi-Brandstifter zeigt Wirkung

Politisch motivierte Gewalt, speziell gegen Asylheime, geht in Brandenburg zurück. Gestiegen ist die Zahl der Wahlkampfdelikte

Potsdam- Nach den besorgniserregenden Jahren 2015 und 2016 mit vielen Angriffen auf Asylbewerberheime spricht Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) nun von einer „Wegscheide“: Die Zahl rechter Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte ist 2017 im Vergleich zum Vorjahr stark von 72 auf 19 gesunken, wie Schröter am Freitag bei der Vorstellung der Polizeistatistik zur politisch motivierten Kriminalität im Land Brandenburg bekanntgab.

Der Minister führt das auch auf die Verurteilung des NPD-Politikers Maik Schneider und eines Mittäters nach dem Brandanschlag auf eine geplante Asylunterkunft 2015 in Nauen (Havelland) zurück. Das Landgericht Potsdam verurteilte die beiden Neonazis im Februar 2017 zu langen Haftstrafen von neuneinhalb und sieben Jahren. Von dem harten Urteil sei eine „gewisse generalpräventive Wirkung auf die gewaltbereite rechte Szene“ ausgegangen, ist Schröter überzeugt.

Insgesamt ist die politisch motivierte Gewalt in Brandenburg um fast 33 Prozent zurückgegangen. 176 Gewaltstraftaten wurden im Vorjahr registriert – bei einer Aufklärungsquote von 80 Prozent, die nach Prognose von Schröter deutlich über dem Bundesschnitt liegen dürfte. Rückläufig waren sowohl die rechts als auch die links motivierten Gewaltstraftaten.

Insgesamt 124 rechte Gewaltstraftaten wurden 2017 erfasst. Dabei spielte Fremdenfeindlichkeit als Motivation die dominierende Rolle: 84 Prozent der Attacken richteten sich gegen „Ausländer und Fremde oder solche Menschen, die Rechtsextremisten dafür halten“, sagte Schröter. In zwölf Fällen übten Rechte Gewalt gegen den politischen Gegner aus. Erfreulich: Keine einzige antisemitische Gewaltstraftat wurde im Vorjahr in Brandenburg festgestellt. Links motivierte Gewaltstraftaten sanken um fast 55 Prozent auf 24 derartige Delikte.

Die politisch motivierte Kriminalität in Gänze ist allerdings um vier Prozent gestiegen. Dieses Phänomen sei eine Begleiterscheinung des Bundestagswahlkampfes, der in einem „deutlich angespannten politischen Klima“ stattgefunden habe, sagte Schröter. So wurden im Vorjahr allein 413 sogenannte Wahlstraftaten gezählt, also etwa Beschädigungen und Diebstahl von Wahlplakaten. Die Aufklärungsquote bei diesen Delikten lag bei niedrigen 22 Prozent. Es sei eben schwer, Täter zu fassen, die „meist bei Nacht und Nebel“ Plakate demolierten, so der Minister.

Regional bleiben die Schwerpunkte der verschiedenen Szenen bestehen: Die meiste Kriminalität von extremen Rechten gab es in Cottbus und Spree-Neiße, auch die meisten Gewaltstraftaten aus diesem Milieu. Bei den Tätern handle es sich zum einen um bekannte Neonazis, die gut vernetzt seien, so Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke. Aber auch Einzeltäter, die zuvor nicht in Erscheinung getreten seien, wurden gefasst. Brandenburgweit ermittelte die Polizei 1779 Tatverdächtige aus dem rechten Spektrum.

Linksextremisten wurden vor allem in Potsdam straffällig. Insgesamt 52 Fälle politisch links motivierter Kriminalität wurden im Vorjahr in der Landeshauptstadt registriert, darunter waren neun Gewaltstraftaten. Brandenburgweit wurden 238 Tatverdächtige aus der linken Szene ermittelt.

Trotz eines Rückgangs der Gewaltstraftaten will der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) keine Entwarnung geben. „Gerade die Ermittlungsverfahren im Bereich der politisch motivierten Kriminalität gestalten sich immer komplizierter und umfangreicher“, erklärte die Vize-Landesvorsitzende des BDK, Heike Trautmann, am Freitag. Sie würden durch Sprachbarrieren und große kulturelle Unterschiede erschwert. „Diese Zunahme der Sonderbelastungen ist insbesondere durch Ermittlungen im Zusammenhang mit islamistischen Radikalisierungen gekennzeichnet“, konstatierte Trautmann. Auch sogenannte Reichsbürger und Selbstverwalter erschwerten die Arbeit der Ermittler.

Die Brandenburger Polizei stuft derzeit eine niedrige zweistellige Anzahl von Personen des islamistischen und salafistischen Spektrums als Gefährder ein – die Zahl hat sich gegenüber 2016 nicht verändert. Mehr als 80 Prozent der Gefährder seien russische Staatsbürger aus dem Nordkaukasus, die vornehmlich in Ostbrandenburg aktiv seien. Die Gefahr eines terroristischen Anschlags in Brandenburg wird weiter als hoch eingeschätzt. Gestiegen ist die Zahl der sogenannten Reichsbürger, also jener Personen, die weiter an die Existenz des Deutschen Reiches glauben und die Bundesrepublik nicht anerkennen wollen. Derzeit wird laut Polizeipräsident Mörke davon ausgegangen, dass 588 Personen in Brandenburg der Gruppe der Reichsbürger angehören. Dass die Zahl um etwa 27 Prozent gestiegen sei, hänge aber auch damit zusammen, dass Kommunen inzwischen sensibilisiert sind und krude Auftritte von Bürgern eher einordnen können und dann melden. 26 Waffengenehmigungen wurden 2017 laut Mörke von Reichsbürgern eingezogen. Insgesamt wurden 70 Delikte der Staatsablehner registriert, darunter waren zehn Gewaltdelikte.

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