Weggang von Ministerin Sabine Kunst: Unterschätzt und beharrlich
Die scheidende Wissenschafts- und Kulturministerin Sabine Kunst hat nach anfänglichem Zögern in Brandenburg einen guten Job gemacht. Am Dienstag wird sie aller Voraussicht nach zur Präsidentin der Berliner Humboldt Universität gewählt. In Brandenburg hinterlässt sie eine Leerstelle in der Landesregierung.
Berlin/Potsdam - Sollte Brandenburgs Wissenschafts- und Kulturministerin Sabine Kunst (SPD) am Dienstag zur Präsidentin der Berliner Humboldt-Universität gewählt werden, verliert die rot-rote Landesregierung eine wichtige Kraft. Nach vier Jahren war die Wissenschaftlerin im Ministeramt endgültig angekommen. Anfangs war Kunst im Politikbetrieb kaum aufgefallen. Die Umweltbiologin und ehemalige Potsdamer Uni-Präsidentin galt als zurückhaltend, manchmal fast schon zögerlich. Sie war kein Politprofi, ihre Sprache kam oft eher spröde und technokratisch daher. Antworten auf Fragen klangen bisweilen merkwürdig gedrechselt, vor allem dann, wenn sie mit der Antwort nicht so richtig heraus wollte.
Hochschulfusion, Ärzteausbildung, Landesdenkmalbeirat
Doch Sabine Kunst kann auch ganz anders. Da ist zum Beispiel dieses befreiende Lachen, das sie manchmal recht unvermittelt ausstößt. Wenn sie auftaut, bemüht sie vielsagende Sprachbilder aus ihrer norddeutschen Heimat: „Kurs halten“ und „hart am Wind segeln“ zum Beispiel, wenn es um eine Strategie oder eine Zielsetzung geht. Wie etwa bei der höchst umstrittenen Hochschul-Fusion in der Lausitz. Beharrlich und sachlich erklärte sie ihren Kritikern, dass die Zusammenlegung der Technischen Universität Cottbus (BTU) und der Fachhochschule Senftenberg so nötig wie richtig gewesen sei. Bis auch das Bundesverfassungsgericht ihr recht gab und in der Lausitz schließlich einvernehmliche Ruhe einkehrte. Auch der Einstieg von Brandenburg in die medizinische Forschung ist ihr Verdienst: Die private Ärzteausbildung ermöglicht, dass man kein eigenes Uniklinikum aufbauen musste. Die Bedeutung von langfristigen Finanzplänen, die sie für die Hochschulen durchsetzte, dürfte ihr aus der eigenen Zeit in der Wissenschaft klar gewesen sein. Womit dann sogar die aufgebrachten Hochschul-Präsidenten einigermaßen zufrieden waren. Auch in der Kultur kann Kunst positive Bilanz ziehen, ein neuer Landesdenkmalbeirat nahm in diesen Tagen die Arbeit auf, ein Kulturinvestitionsprogramm wurde zum Erfolg.
Ehrgeiz und Durchsetzungswille
Sabine Kunst, die spät erst in die SPD eintrat, wurde in der Politik oft unterschätzt, von der zierlichen Ministerin wurden Ehrgeiz und Durchsetzungswille nicht erwartet. Dass sie Dinge, die ihr wichtig sind, hingegen mit reichlich Mut und Risikobereitschaft verfolgt und fundiert zum Abschluss bringt, machte schließlich dann doch die Runde. Zur neuerlichen rot-roten Koalition 2014 war sie dann unumstrittene Wunschkandidatin für ihren bisherigen Posten. Was ein recht bequemes Polster für das Auslaufenlassen der Karriere der 61-Jährigen gewesen wäre.
Doch Sabine Kunst tickt anders. Wenn sie etwas erreicht hat, wird sie schon wieder unruhig. So wie damals, während ihrer Zeit als Potsdamer Uni-Präsidentin von 2007 bis 2012. In relativ kurzer Zeit war es ihr gelungen, die Potsdamer Hochschule nach ihren Vorstellungen umzustrukturieren. Nachdem sie die Universität gut aufgestellt wusste, wurde sie parallel zu ihrem Potsdamer Amt die erste Präsidentin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Damals bereits gab es das Gerücht, sie spekuliere auf den Chef-Posten an der Humboldt-Uni. Kurz darauf bewarb sie sich offiziell um die Präsidentschaft der Universität Leipzig, wurde hoch gehandelt und fiel doch völlig überraschend durch. Was Kunst nicht lange grämte. Sie gelobte Potsdam wieder die Treue, wurde zur Hochschulmanagerin des Jahres gekürt – und wechselte urplötzlich in die Politik. Diesmal allerdings ausnahmsweise ohne dass sie die Hand dafür gehoben hatte. Der damalige Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hatte sie eigens aus einem Flugzeug geholt, um ihr den durch einen Ministerwechsel vakant gewordenen Posten anzubieten. Kunst wechselte von einem Tag auf den anderen die Seiten – und wirkte dabei erst einmal nicht sonderlich begeistert. Doch sie fuchste sich hinein in den Politikbetrieb. Sie lernte, auf die Ziele direkt zuzugehen, was in der Wissenschaft nicht immer üblich ist.
Kurz vor ihrem Wechsel in die Politik hatte Kunst sich 2011 noch mehr Muße gewünscht, als Voraussetzung für Kreativität und Schaffenskraft – die sie brauche, um mehr Landesmittel für die Uni zu akquirieren. Muße hatte sie dann zwar keine mehr, aber doch reichlich Kreativität im Bemühen, die spärlichen Landesmittel für die Hochschulen üppiger aussehen zu lassen als sie waren.
Kritik an Woidkes Regierungsbildung
Ihr Weggang nun stellt die rot-rote Landesregierung auf die Probe. Allerdings gibt es Spekulationen, dass die Landtagsabgeordnete Martina Münch (SPD) als neue Wissenschafts- und Kulturministerin zurück in die Regierung kommen könnte. Dies hatte zunächst die „Märkische Allgemeine Zeitung“ und dann die „Märkische Oderzeitung“ unter Berufung auf SPD-Kreise berichtet. Von Regierungsseite gab es dazu keine Bestätigung. Zu allem Überfluss will auch noch Kunsts Staatssekretär Martin Gorholt im April bei der Landratswahl im Havelland für die SPD kandidieren. Damit sei die komplette Führung des Wissenschaftsministeriums in Auflösung, ausgerechnet eines Ministeriums, das sich mit der Zukunft des Landes befasst, bemängelt die CDU- Opposition. Dies sei ein Zeichen, dass Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) die Regierungsbildung vor einem Jahr nicht so gut gelungen sei, wie er nach außen vermittelt habe, so CDU-Landeschef Ingo Senftleben.
Auf Sabine Kunst hatte man fest gesetzt. Zu ihrem erneuten Ministeramt nahm sie 2014 dann auch das SPD-Parteibuch an. Sollte sie nun tatsächlich nach Berlin in die Wissenschaft zurückwechseln, wird sie es kaum noch brauchen. Es sei denn, sie will erneut weiter, zurück in die Politik zum Beispiel. Zuzutrauen wäre es ihr. (mit dpa)
Update 19. Januar, 10 Uhr: Sabine Kunst wurde zur neuen Präsidentin der Humboldt-Universität gewählt. Lesen Sie hier weiter >>
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