Linke in Brandenburg: Streit um Verfassungsschutz überschattet Parteitag
Brandenburgs Linke stellt an diesem Wochenende die Weichen für die Landtagswahl, bei der sie mit dem Spitzenduo Kathrin Dannenberg und Sebastian Walter punkten will. Der Parteitag in Wildau wird überschattet vom Koalitionsstreit über die Aufstockung des Verfassungsschutzes.
Potsdam - Der SPD-Innenminister bestimmt die Tagesordnung: Beim Parteitag der Brandenburger Linken am Samstag in Wildau (Dahme-Spreewald) beginnt Co-Landesvorsitzende Anja Mayer ihre Rede vor 109 Delegierten mit einer Mahnung an den Koalitionspartner. "So nicht Herr Schröter", ruft Mayer. Der Minister habe nach vier Jahren im Amt offenbar nicht begriffen, was es heiße, in einer Koalition zu arbeiten. "So geht man nicht miteinander um", sagt Mayer.
Ärger über Schröters "Egotrip"
Am Tag zuvor hatte Schröter wie berichtet im Alleingang angekündigt, den Verfassungsschutz im Land um 27 Stellen aufstocken zu wollen, die er bei der Polizei abziehen will - und löste damit eine rot-rote Koalitionskrise aus. Denn mit den Linken war das Vorgehen nicht abgestimmt. Die Linke pocht darauf, erst über eine mögliche Neuausrichtung des Verfassungsschutzgesetz zu sprechen, wenn die Auswertung des NSU-Untersuchungsausschusses im Landtag vorliegt. Im Haushalt wurden keine zusätzlichen Stellen für den Nachrichtendienst bewilligt. Anja Mayer, die gemeinsam mit der als Gesundheitsministerin im Zuge des Lunapharm-Skandals zurückgetretenen Diana Golze den Landesverband führt, verweist auf das offensichtliche Versagen des Verfassungsschutzes beim Weiterleiten von Informationen zum rechtsextremen NSU-Terrortrio und auch auf den Fall Anis Amri in Berlin, der bei dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz zwölf Menschen töte. Obwohl Amri als Gefährder bekannt war, wurde er nicht gestoppt. Mehr Personal beim Verfassungsschutz, so die Lesart der Linken, hätte daran wohl nichts geändert. In jedem Fall, so Mayer, müssten die Erkenntnisse aus beiden Fällen genutzt werden, um daraus ein neues Verfassungsschutzgesetz zu gießen. Die SPD müsse sich fragen, was ihr wichtiger ist, sagt die Landesvorsitzende: Der "Egotrip" ihres Ministers oder die bundesweiten Erkenntnisse aus den NSU-Untersuchungen abzuwarten und daraus Schlüsse zu ziehen. In Brandenburg war der NSU-Untersuchungsausschuss am Freitag zu seiner letzen öffentlichen Sitzung zusammengekommen. Beim Thema des Verfassungschutz sei "das letzte Wort noch nicht gesprochen", betont Mayer. Das klingt zwar nach Verärgerung, aber nicht nach einem Aufkündigen von Rot-Rot.
Woidke stellt sich hinter Schröter
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte sich am Freitag hinter seinen Minister gestellt. Um der aktuellen Bedrohungslage durch Extremisten aller Couleur gewachsen zu sein, müsse der Verfasungsschutz gut aufgestellt sein. Hinter den Kulissen wird versucht zu vermitteln, die Linke wieder einzufangen, die vor allem deshalb düpiert ist, weil die Gespräche mit dem Koalitionspartner schon weit vorgeschritten gewesen sein sollen, ein Kompromiss möglich schien. Aus Schröters Sicht, der für die Sicherheit in Brandenburg verantwortlich ist, aber nicht schnell genug.
Spitzenduo für den Wahlkampf
Auch die beiden Spitzenkandidaten für die Landtagswahl, Kathrin Dannenberg und Sebastian Walter, kommen in ihren Reden nicht ohne Seitenhiebe auf Schröter aus. Nach Schröters Ankündigung vom Freitag habe sie gedacht, dass er doch besser in Rente gehen solle, so Dannenberg, die Vizevorsitzende der Landtagsfraktion ist und als ehemalige Lehrerin eigentlich beim Thema Bildung zu Hause ist. Nun spricht sie auch zur Sicherheitspolitik in Brandenburg. "Wir haben auch mehr Polizisten auf die Straße gebracht und bilden mehr Polizisten aus", betont die 52-Jährige. Gut ausgebildete Beamte trügen mehr zur Sicherheit bei als zusätzliche Kameras, Schleierfahndung oder Staatstrojaner "oder was auch immer die SPD an Grundrechtsverletzungen durchsetzen will", sagt sie mit Verweis auf das geplante neue Polizeigesetz, um das SPD und Linke seit vielen Monaten ringen. Und bei dem die Linke erreichte, dass der ursprünglichen Entwurf abgemildert wurde. Auch einen "Verfassungsschutz, der uns bespitzelt", wolle die Linke nicht. "Wir wollen einen starken Staat - einen Sozialstaat", so Dannenberg, die mit 89 Prozent der Stimmen auf Listenplatz 1 gewählt wurde.
Kampfansage an die AfD
"Niemand in Brandenburg soll in Angst leben", sagt Sebastian Walter, mit 87,2 Prozent auf Listenplatz 2 gewählt. Aber auch der 28 Jahre alte Regionalgeschäftsführer des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) denkt dabei weniger an einen starken Verfassungsschutz, um den Menschen die Angst zu nehmen, sondern daran, dass sie von ihrem Lohn leben können, auch im Alter die Miete bezahlen können. "Wir wollen eine neue Sozialstaatsgarantie geben", sagt Walter. Doch ohne Schwenk zu Schröter kommt auch er nicht aus. Dem Rechtsruck im Land könne man nicht mit einer Stärkung des Verfassungsschutzes begegnen, sondern nur mit guter Sozialpolitik. Die SPD habe ihre Kompass verloren. "Man weiß nicht, was man bekommt, wenn man die SPD wählt", sagt Walter. Seit 2009 ist die Linke der Juniorpartner der SPD in einer rot-roten Koalition. Bei der Wahl am 1. September dürfte es eng werden für eine Wiederauflage, nach derzeitigen Umfragewerten reichen die Stimmen nicht mehr für klassische Zweierbündnisse. Die Linke liegt derzeit zwischen 17 und 18 Prozent, die SPD nur noch bei 23 bis 24. Die AfD hat gute Chancen, stärkste Kraft im einstigen SPD-Land Brandenburg zu werden. Da kommt ein Koalitionsstreit eigentlich zur Unzeit, weswegen auf dem Linken-Parteitag wohl auch niemand offen die Option anspricht: Die Koalition knapp acht Monate vor der Wahl platzen zu lassen. Walter lenkt dann auch den Blick wieder in eine andere Richtung: "Ich habe den Wunsch, dass der 1. September der Tag wird, an dem der Aufstieg der AfD beendet wird."
Finanzminister Görke mahnt Schröter
Finanzminister und Vize-Regierungschef Christian Görke, der bei der Wahl 2014 Spitzenkandidat war, kandidiert hinter der Landtagsabgeordneten Bettina Fortunato (77,6 Prozent der Delegiertenstimmen) auf dem vierten Platz. Bereits am Freitag verwies er Richtung Schröter darauf, dass Umschichtungen im Haushalt nicht ohne Zustimmung des Finanzministers möglich seien. Das wiederholt er am Samstag in Wildau: "Wer meint, mit eigenem Landrecht sich über modernes Haushaltsrecht zu stellen, dem sage ich: Man sieht man sich zwei Mal - man sieht sich immer zwei Mal im Leben."
Die weiteren Listenplätze
Auf die Listenplätze 5 bis 7 wurden die Landtagsabgeordneten Andrea Johlige, Thomas Domres und Isabelle Vandré gewählt. Auf den Plätzen 8 bis 10 folgen Landesschatzmeister Ronny Kretschmer, der sich in einer Kampfkandidatur gegen den Landtagsabgeordneten Matthias Loehr aus der Lausitz durchsetzte, sowie die Potsdamer Anwältin Marlen Block und Andreas Büttner. Büttner ist landespolitisch kein unbeschriebenes Blatt, saß schon einmal im Landtag - für die FDP, die mit Büttner als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2014 an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte und aus dem Parlament flog. 2015 trat er bei der FDP aus und bei der Linken ein. Seit Oktober 2018 ist der Polizist Staatssekretär im Gesundheitsministerium, nachdem Ministerin Diana Golze und ihre Staatssekretärin Almuth Hartwig-Tiedt (Linke) im Zuge des Pharmaskandals um gestohlene Krebsarznei ihre Posten räumten.
Katja Kipping Gastrednerin am Sonntag
Der Parteitag wird am Sonntag fortgesetzt. Dann werden Reden der Co-Landesvorsitzenden Diana Golze sowie der Bundesvorsitzenden Katja Kipping erwartet.
Marion Kaufmann