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Dak bei Stabsveterinärin Kim Birrenbach.
© Ottmar Winter

Veterinärstation in Potsdam: So arbeiten die Bundeswehr-Tierärzte in Eiche

In Potsdam-Eiche werden Tiere aus ganz Ostdeutschland untersucht - so wie Dak, der Sprengstoffhund.

Potsdam - Stillgestanden! Dak ist Sprengstoffspezialist, trainiert für gefährliche Einsätze im In- und Ausland, hart im Nehmen. Doch nun hat er etwas im Auge und steht unruhig auf dem Untersuchungstisch aus Metall. Sein Hundeführer von den Berliner Feldjägern legt dem Malinois einen ledernen Maulkorb an. Dann nähert sich Kim Birrenbach mit einem in rote Flüssigkeit getunkten Stäbchen der Pupille, greift zur Lupe. „Eine Rötung, aber die Hornhaut ist intakt“, sagt die Stabsveterinärin, die Uniform und Pferdeschwanz trägt.

Tierärzte bei der Armee? Auf dem Gelände der Havelland-Kaserne in Potsdam-Eiche, dort, wo auch das Landeskommando Brandenburg beheimatet ist, hat eine Dienststelle der Bundeswehr ihren Sitz, die weitgehend unbekannt ist. Sie trägt den sperrigen Namen Überwachungsstelle für Öffentlich-Rechtliche Aufgaben des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Ost (ÜbwST Ost), kurz Öra genannt. Insgesamt vier solcher Überwachungsstellen gibt es in ganz Deutschland, für jede Himmelsrichtung eine. München versorgt den Süden, Koblenz den Westen und Kronshagen bei Kiel ganz Norddeutschland.

Die Potsdamer Stelle mit Schwerpunkt Veterinärwesen ist für alle ostdeutschen Bundesländer und Berlin zuständig. Sie kontrolliert nicht nur, ob es den Diensthunden gut geht, sie ist für Tierseuchenbekämpfung und die Einhaltung von Hygiene- und Arbeitsschutzbestimmungen in Einrichtungen der Bundeswehr zuständig. In den Kasernen schauen die Hygieniker unangemeldet in die Kochtöpfe, kontrollieren die zivilen Lebensmittellieferanten und die sanitären Einrichtungen. Auch im Bundeswehrkrankenhaus in Berlin und den Kitas der Wehr rücken die Kontrolleure aus Potsdam an.

Ein bisschen wie die Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter der Landkreise könne man sich die Einrichtung vorstellen, sagt der Dienststellenleiter, Oberstveterinär Michael Nippgen. Auf seiner Schulterklappe prangt neben dem Eichenlaub eine Schlange – das Zeichen der Veterinäre. Die Humanmediziner haben als Erkennungszeichen einen Äskulapstab, bei den Pharmazeuten windet sich über einer Apothekerschale eine Schlange. Der 50-jährige Nippgen ist Fachtierarzt für Lebensmittelhygiene und öffentliches Veterinärwesen, promoviert hat er über Lebensmittelsicherheit. „Durch Messung der Luft in Küchen kann man herausfinden, ob jemand eine Fußpilzinfektion hat“, erklärt er sein Spezialgebiet. Insgesamt 35 Bedienstete arbeiten in der Potsdamer Überwachungsstelle mit vier Abteilungen, bis auf eine Schreibkraft sind alle Soldaten – mit einem Studium in Tiermedizin, Pharmazie und Lebensmittelchemie.

„Ich wusste vorher nicht, dass es Tierärzte bei der Bundeswehr gibt“, sagt Jens Oltersdorf, streift sich trotz der Hitze einen weißen Kittel über und macht sich auf den Weg zur nur wenige Meter vom Öra-Gebäude gelegenen Kantine auf dem Kasernengelände. Der 36 Jahre alte Oberstabsveterinär hat Veterinärmedizin an der Universität Leipzig studiert. Gegen Ende des Studiums habe er davon erfahren, dass es auch bei der Bundeswehr Einsatzmöglichkeiten gibt – und sich für zunächst zehn Jahre verpflichtet. Ihn habe vor allem gereizt, dass er für die Kontrollen viel reisen kann, auch ins Ausland. Viermal im Jahr sei er in Litauen, wo die von der Bundeswehr geführte Nato-Battlegroup stationiert ist. Auch im Kosovo sorgte er schon dafür, dass die Hygienestandards eingehalten werden.

Nun inspiziert er die Bundeswehrkantine der Havelland-Kaserne. Auf der Karte steht Schweinegulasch nach Frühlingsart, im Sommer. Oltersdorf nimmt Klemmbrett und Stift, überzeugt sich von der Sauberkeit an der Essensausgabe, wo Mitarbeiterinnen mit weißen Häubchen gut gefüllte Teller an die Soldaten ausreichen. Dann geht Oltersdorf in den Küchen- und Kühlbereich, nimmt eine Packung Käse aus dem Regal, prüft, ob das Haltbarkeitsdatum noch nicht abgelaufen ist, die Temperaturen im Raum stimmen. „Tiptop“, sagt er. Die Standards, die bei der Bundeswehr gelten, finde man sonst im manchen Sternelokal nicht.

Das Nebeneinander verschiedener Aufgaben, Hygieneüberwachung und Tierbehandlung, mache für ihn den Reiz aus, sagt er. Wer allerdings auch gerne Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen und Hamster verarzten will, sei als Veterinär bei der Bundeswehr vielleicht nicht ganz richtig, schränkt Oltersdorf ein. Aber trotzdem sind es nicht nur Diensthunde wie Dak, mit denen die Soldaten mit der Schlange auf der Schulterklappe zu tun haben. Auch echte Schlangen kriechen ihnen manchmal über den Weg. 

Beißende Spinnen im Auslandseinsatz

Bei den Auslandseinsätzen nämlich, zu denen die Kontrolleure aus Brandenburg gerufen werden. Die Veterinäre überprüfen, ob es den Soldaten und den Diensttieren in Mali, Afghanistan, Irak oder wo auch immer auf der Welt gut geht. Sie inspizieren die Feldküchen, sorgen dafür, dass die Soldaten auch im Ausland nach deutschen Hygienestandards versorgt werden, die Bettwäsche sauber, das Wasser legionellenfrei und die gelieferten Lebensmittel einwandfrei sind. Und haben es dann auch mal mit tierischen Eindringlingen zu tun. „Es kommt schon vor, dass dann mal Schlangen oder Warane eingefangen werden müssen, die sich ins Lager verirrt haben“, erzählt Dienststellenleiter Nippgen. Berüchtigt ist auch die sogenannte Camel Spider, eine Walzenspinne, deren Biss für den Menschen sehr schmerzhaft ist und große Schwellungen durch Infektionen hervorrufen kann. US-Soldaten haben die Spinne im Irakkrieg so genannt, weil sie glaubten, sie könne Kamele töten.

Schafe gehören ebenfalls zu den Tieren, die die Veterinäre versorgen

Auf heimischem Territorium begegnen den Veterinären im Flecktarn da eher harmlosere Tiere: Schafe etwa, die auf den Truppenübungsplätzen weiden. Auch für sie sind die Potsdamer Kontrolleure zuständig, ebenso für Hirsche, Rehe und Wildschweine, die sich in den Wäldern auf Bundeswehrterritorium wohlfühlen. Am meisten beschäftigt die Veterinäre dabei zur Zeit eine Aufgabe: den Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest möglichst zu verhindern, die für den Menschen zwar ungefährlich ist, aber große Schweinebestände dahinraffen kann. „Da sind wir in enger Absprache mit den Zivilbehörden“, erklärt Michael Nippgen. Gemeinsam wurde ein Notfallplan erarbeitet, in dem festgelegt ist, was bei einem Seuchenausbruch zu tun ist.

Auch Mulis und Haflinger gibt es bei der Bundeswehr. Sie werden als Lastentiere in unwegbarem Gelände eingesetzt, wenn für Fahrzeuge kein Durchkommen mehr ist. Aber für die Lastentiere ist die Potsdamer Stelle nicht zuständig. Kim Birrenbach und ihre Kollegen sind spezialisiert auf Spürnasen wie Dak. Der belgische Schäferhund bekommt eine Salbe für sein tränendes Auge, dann kann er an der Leine seines Hundeführers die Praxis auf dem Kasernengelände verlassen. Bereit für den nächsten Einsatz. 

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Hintergrund

Im Land Brandenburg sind etwa 9000 Menschen bei der Bundeswehr beschäftigt, davon sind 7700 Soldaten. Das Landeskommando Brandenburg hat seinen Sitz in Potsdam-Eiche, aber auch einige Dienststellen von überregionaler Bedeutung befinden sich in der Region. Die 5. und 6. Kammern des Truppendienstgerichts Nord haben ihren Sitz in der Berliner Straße in Potsdam. Die Kammern sind zuständig für alle Dienststellen mit Sitz in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt und verhandeln Disziplinarverfahren gegen Berufs- und Zeitsoldaten. Aus dem gesamten Bundesgebiet kommen Fahrschüler zum Kraftfahrausbildungszentrum der Bundeswehr in Potsdam. Dort machen Soldaten aller Streitkräfte ihren Führerschein für Bundeswehrfahrzeuge. In Schwielowsee ist der Sprachmittlerdienst angesiedelt. Die Mitarbeiter des Referats übersetzen und dolmetschen für die Bundeswehr in Englisch, Französisch, Russisch und Polnisch.

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