Mehr Sozialarbeiter und Polizisten: Rot-rot reagiert mit Großaufgebot auf Gewalt in Cottbus
Die Landesregierung will die aufgeheizte Stimmung in Cottbus deeskalieren und entsendet kurzfristig 30 bis 40 Migrationssozialarbeiter für die Lausitzstadt. Innenminister Schröter kündigt vermehrte Zivilstreifen an.
Cottbus - Um die nach Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und jungen Flüchtlingen angespannte Lage in Cottbus zu deeskalieren, finanziert die rot-rote Landesregierung Brandenburgs kurzfristig 30 bis 40 zusätzliche Migrationssozialarbeiter für die Lausitzstadt. Das teilten Sozialministerin Diana Golze (Linke) und Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) am Dienstag nach einer Kabinettssitzung mit.
„Das ist kein Aktionismus“, betonte Golze. Es sei vielmehr Teil eines länger vorbereiteten und ohnehin beschlussreifen 16 Millionen Euro schweren Landesprogramms, mit dem in Brandenburg rund 320 zusätzliche Sozialarbeiter zur Integration von Flüchtlingen geschaffen sollen, rund 240 gibt es bisher. Schröter kündigte eine weitere Verstärkung der Polizeipräsenz in Cottbus an, nachdem bereits zehn Bereitschaftspolizisten dorthin beordert worden sind. Man werde verstärkt Zivilstreifen einsetzen, sagte er. Außerdem werden je ein Polizist und ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes auf Streife gehen, womit die Präsenz verdoppelt werde. Nach Cottbus sollen wie berichtet keine weiteren Flüchtlinge geschickt werden, da die Stadt in den Vorjahren weit über das Kontigent hinaus Solidarität gezeigt habe, sagte Schröter. Der Familiennachzug sei davon unberührt.
Verteilstopp laut Flüchtlingsrat "das falsche Signal“
Während die designierte Linken-Chefin Diana Golze und SPD-Minister Schröter am Dienstag große Einigkeit demonstrierten, gab es aus der Linksfraktion Kritik. Die Äußerungen des Innenministers zu einem Zuzugsstopp vom Freitag seien nicht mit dem Koalitionspartner abgesprochen gewesen, sagte Fraktionschef Ralf Christoffers. Schröter genieße dennoch sein Vertrauen, die Verstärkung der Polizeipräsenz sei richtig. Er sehe es aber kritisch, dass im Vorfeld der asylfeindlichen Demonstration am Samstag in Cottbus dem Ruf nach einem Zuzugsstopp aus Teilen der Bevölkerung nachgegeben worden sei. „Das impliziert, dass man nur eine bestimmte Anzahl an Demonstranten aufbieten muss, um in Brandenburg Forderungen durchzusetzen“, so Christoffers.
Der Verteilstopp sei „das falsche politische Signal“, sagte auch die Sprecherin des Brandenburger Flüchtlingsrats, Ivana Domazet, dem Evangelischen Pressedienst. Damit werde unterstellt, dass von Flüchtlingen grundsätzlich eine Gefahr ausgehe. „Das befeuert die rechte Stimmung in Cottbus weiter“, so Domazet. Zudem werde suggeriert, dass sich mit einem Verteilungsstopp die Probleme in der Stadt lösen lassen würden.
Schröter: Cottbus darf keinen Nachteil aus seiner Solidarität haben
Zuspruch für Schröter gab es von den oppositionellen Grünen. „Ein Zuweisungsstopp in der derzeitigen Situation war richtig“, sagte Fraktionschef Axel Vogel. Auf Dauer seien solche Maßnahmen aber nicht die Lösung. Die Landesregierung dürfe nicht alle derartigen Wünsche erfüllen, sonst gäbe es bald an vielen Orten Brandenburgs ähnlich gelagerte Demonstrationen.
„Cottbus darf keinen Nachteil aus seiner Solidarität haben“, begründete Schröter – dem eigentlich der Ruf eines Law-and-Order-Politikers anhängt – sein Nachgeben. Cottbus, die nach Potsdam zweitgrößte Stadt im Land, habe über das gesetzlich gebotene Maß hinaus freie Wohnungen für Flüchtlinge gemeldet. Andere Kommunen hätten hingegen ihr Aufnahmesoll nicht erfüllt. Nach Angaben der Stadt hat Cottbus mit rund 100400 Einwohnern einen Ausländeranteil von 8,5 Prozent. Landesweit liegt er bei 4,5 Prozent.
Neben dem Sozial- und dem Innenministerium will auch das Bildungsressort in Cottbus aktiv werden. Schulen und Kitas mit besonders hohem Anteil von Kindern aus Zuwandererfamilien sollen durch speziell ausgebildete Fachkräfte unterstützt werden. Als Zeichen für ein friedliches Miteinander ruft das in der Staatskanzlei angesiedelte „Tolerante Brandenburg“ für den 15. Februar zur Teilnahme an einem Sternmarsch des „Cottbuser Aufbruchs“ auf.
Cottbuser SPD-Landtagsabgeordnete Kerstin Kircheis forsert Residenzpflicht für Geflüchtete
Für die CDU-Fraktion kommen die Maßnahmen spät. „Cottbus hat mehrfach Signale an das Land ausgesendet, dass es Unterstützung braucht“, sagte der aus der Lausitz stammende Fraktionschef Ingo Senftleben. Mit einem Antrag für die Landtagssitzung kommende Woche will die CDU erreichen, dass das Land nach Vorbild Bayerns und Baden-Württembergs eine Wohnsitzauflage für Flüchtlinge einführt, also Asylsuchenden, deren Lebensunterhalt nicht gesichert ist, einen Wohnort mit guten Integrationsangeboten auferlegt. Die Landräte und die Oberbürgermeister seien gegen eine solche Auflage gewesen, erklärte Sozialministerin Golze. Die Cottbuser SPD-Landtagsabgeordnete Kerstin Kircheis hatte gegenüber dem rbb zuvor eine Residenzpflicht für Flüchtlinge gefordert. Diese sei wünschenswert, aber rechtlich beim Bund nicht durchzusetzen, kommentierte SPD-Fraktionschef Mike Bischoff den Vorstoß aus den eigenen Reihen.
Der für seine oft knapp am justiziablen vorbeischrammenden Äußerungen bekannte Thüringische AfD-Fraktionschef Björn Höcke nutzte die Vorfälle in Cottbus am Dienstag für seien Zwecke aus. „Ausländergewalt: Cottbus ist überall!“, schreibt Höcke bei Facebook. Viele Flüchtlinge stammten aus Gesellschaften, in denen das Recht des Stärkeren gelte, behauptet Höcke. Was der AfD-Rechtsaußen unerwähnt lässt: In Cottbus häuften sich auch Übergriffe auf Flüchtlinge. In der Neujahrsnacht verfolgte wie berichtet eine Gruppe Deutscher vier Afghanen bis in ihre Unterkunft hinein und malträtierte sie. Er sei zuversichtlich, dass auch der Fall bald aufgeklärt sei, so Innenminister Schröter. Nach der Messerattacke auf einen 16-jährigen Deutschen vor einem Einkaufszentrum seien inzwischen zwei Verdächtige in Untersuchungshaft.
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