Ministerpräsident entsetzt: "Riesenschaden" für Brandenburgs SPD nach Lügenskandal
Die Brandenburger SPD will den Schaden nach dem Lügenskandal um den bisherigen Europakandidaten Simon Vaut möglichst begrenzen. Ministerpräsident sprach von einem "Riesenschaden" für die Partei.
Potsdam -Die SPD in Brandenburg setzt nach dem Lügenskandal um ihren Europakandidaten Simon Vaut (41) auf Schadensbegrenzung - und auf ein neues Gesicht im Wahlkampf. SPD-Landeschef und Ministerpräsident Dietmar Woidke stellte am Mittwoch die frühere Chefin der Jungsozialisten (Jusos), Maja Wallstein (33), als Ersatzkandidatin vor. "Jetzt ist durch das Öffentlichwerden der Lügen, der Täuschung, die es gegeben hat, ein Riesenschaden für die Brandenburger SPD entstanden", sagte Woidke in Potsdam. "Wir werden dieses Kapitel abschließen, wir gucken nach vorne." Vaut werde schriftlich erklären, dass er sein Mandat nicht annehme.
Vaut arbeitet im Bundeswirtschaftsministerium. Das bestätigte eine Sprecherin des Ressorts der Deutschen Presse-Agentur. Auf die Frage nach möglichen dienstrechtlichen Konsequenzen verwies sie darauf, dass weitere Informationen aus Datenschutzgründen nicht zulässig seien.
Woidke schlug Konsequenzen für Kandidaten vor. "Wenn Menschen vorgeschlagen werden für politische Ämter (…), muss es einfach so sein, dass die Arbeit eine konsequente und auch eine längerfristige Arbeit sein muss", sagte der Landesvorsitzende. "Herr Vaut ist ja erst wenige Monate vor seiner Kandidatur überhaupt in Brandenburg an der Havel aufgetaucht." Der Landeschef zeigte sich trotz des Debakels zwei Monate vor der Europawahl zuversichtlich: "Ich gehe davon aus, dass wir trotz der Schwierigkeiten ein gutes Wahlergebnis erzielen können, wenn wir uns alle in dem Wahlkampf intensiv engagieren."
Ein unglaublicher Fall
Ein früherer Redenschreiber unter anderem von Ex-Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) ist bis dahin wenig bekannt in der Brandenburger SPD und wird als Europakandidat vorgeschlagen. Der gebürtige Hamburger hatte an der Universität in Potsdam studiert und als Referent im Sozialministerium gearbeitet. In Brüssel war er drei Jahre für das Verbindungsbüro der SPD im Bundestag zur Europäischen Union tätig. Er wird von den Unterbezirken Brandenburg an der Havel und Teltow-Fläming als Kandidat vorgeschlagen und im September 2018 von einem Parteitag gewählt. Im zweiten Wahlgang setzt er sich überraschend mit 63:56 Stimmen gegen die frühere Juso-Chefin Wallstein durch, die Favoritin der Landesspitze war.
Bei der Landesvertreterversammlung im September in Wildau hatte sich Vaut Genossen und Öffentlichkeit mit angeblicher Freundin präsentiert und gesagt, er sei ihretwegen nach Brandenburg an der Havel gegangen.
Alles nur gelogen
Am Dienstag hatte Vaut eingeräumt, dass er die SPD über seinen Wohnsitz und seine Freundin täuschte. Anders als angegeben, lebe er nicht in Brandenburg an der Havel, sondern in Berlin. Auch seine angebliche Partnerin sei nur eine Bekannte aus der Hauptstadt.
Vaut gab laut SPD-Landesgeneralsekretär Erik Stohn zunächst eine andere Adresse in Brandenburg an der Havel an. Danach sei die Geschichte entstanden, dass sich seine Lebensgefährtin von ihm getrennt habe und ihm die Koffer vor die Tür gestellt habe. Als er eine Übernachtungsmöglichkeit gesucht habe, habe ihm die Vizechefin des Unterbezirks Brandenburg an der Havel, Britta Kornmesser, helfen wollen. "Ich habe keinen Grund daran zu zweifeln und sie jetzt auch in Mithaftung zu nehmen", sagte Stohn.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil ist nach Woidkes Angaben über alle Schritte informiert. Die Bundespartei habe einen Ratschlag gegeben: "Wir müssen möglichst schnell klare Kante zeigen", sagte der Landeschef. Vaut ist auf Platz 22 der Bundeswahlliste gesetzt. Wallstein würde statt Vaut ins Europaparlament einziehen, wenn die SPD auf ein entsprechendes Wahlergebnis käme.
Der SPD-Landesvorsitzende sagte mit Blick auf die Genossen, die Vaut als Kandidaten vorgeschlagen hatten: "Diesen Menschen habe ich vertraut." Er wandte sich zugleich dagegen, bei Kandidaten nachzuforschen, ob ihre Angaben stimmen. "Ich werde niemanden dazu veranlassen, Leuten hinterherzuspionieren, weil es in irgendeiner Art und Weise Fragen gibt." Auf die Frage, ob ein Parteiausschluss für Vaut angestrengt werden soll, sagte Landesgeneralsekretär Erik Stohn: "Darüber haben wir bisher nicht entschieden."
Die Ersatzkandidatin Wallstein zeigte sich als überzeugte Europäerin. Sie wurde in Cottbus geboren und wuchs dort auf, arbeitete nach dem Abitur in der Pflege in Frankreich und studierte in Polen. "Ich bin nicht Opfer, ich bin die Ersatzkandidatin", sagte Wallstein. Sie arbeitet bei der Helmholtz-Gemeinschaft in Berlin, ist Mitglied des Landesvorstands der Brandenburger SPD und Fußball-Schiedsrichterin in Brandenburg. Sie wohnt in Potsdam. (dpa)
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