Brandenburg: Regierungsbefund: Brandenburg hat Intoleranz-Problem
Ein aktueller Bericht für den Landtag gesteht ein, was die Atmosphäre im Land vergiftet
Potsdam -Das Regierungsprogramm „Tolerantes Brandenburg“ will sich auf dramatische Umwälzungen im Land einstellen, weit über den Rechtsextremismus hinaus. Das geht aus einem am Freitag veröffentlichten Bericht der Landesregierung zur Bilanz des Programms hervor, das vor 20 Jahren gegründet worden war. „Wachsender Rechtspopulismus mit dem verstärkten Zuzug von Flüchtlingen seit 2014 ist das Wasser, in dem auch wieder Rechtsextreme schwimmen“, sagte Staatskanzleichef Martin Gorholt (SPD) am Freitag auf einer Pressekonferenz. Die Gründung des „Toleranten Brandenburg“, zu dem ein Netzwerk aus Vereinen und mobilen Beratungsteams gehören, wird heute mit einem Festakt im Beisein von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Cottbus gefeiert. Die Stadt hat in jüngster Zeit mit Gewalttaten gegen Flüchtlinge und von Flüchtlingen bundesweit für Schlagzeilen gesorgt.
Vor der Gründung 1998 hatte es im Land Brandenburg keine Woche ohne brutale Neonazi-Überfälle auf Asylbewerber gegeben. Nachdem die Regierung in den ersten Jahren das „braune“ Problem beschönigte – ähnlich wie es heute in Sachsen der Fall ist – hatte der damalige Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) nach einem viel beachteten öffentlichen Eingeständnis zum Ausmaß des Rechtsextremismus auf eine konsequente Auseinandersetzung gedrängt.
Jetzt sieht der Bericht der Regierung von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) „grundlegende Probleme für Politik und Gesellschaft“, nämlich: „Obgleich in jüngster Vergangenheit viele Initiativen zur Förderung von Toleranz und Willkommenskultur gegründet wurden, lässt die sich heute wieder offenbarende gesellschaftliche Akzeptanz fremdenfeindlicher und rassistischer Vorurteile bedenkliche Parallelen zur gesellschaftlichen Atmosphäre im Land Brandenburg der 1990er Jahre erkennen“, heißt es. „Hinzu kommt, dass Teile der Bevölkerung in hohem Maße die Lösungsfähigkeit von Politik und Staat für aktuelle Probleme in Frage stellen, was die gemeinsame Aushandlung von politischen Entscheidungen beeinträchtigt oder sogar verunmöglicht.“ Es werde „von Teilen der Bürgerschaft in Bezug auf die Problembewältigung eine enorme Erwartungshaltung an Staat und Politik herangetragen, an der beide gerade in aufgeheizten Situationen zu scheitern drohen“.
Demokratie-Arbeit wird also noch komplizierter. Es bestehe, so ein Befund, „zunehmend ein fließender Übergang zwischen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus“, was die kritische und zielgenaue Auseinandersetzung erschwere. Hinzu kommen Begleitphänomene der Flüchtlingskrise: „Zum einen stellen die islamistischen Vorfälle eine Erschwernis dar, wenngleich nur eine Minderheit der Muslime und Muslimas den Islam als extremistische politische Weltanschauung deutet.“ Dennoch würden derartige Vorfälle, „aber auch die mehrheitlich bestehende Unkenntnis über die Religion Islam“, die Zunahme von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Rechtsextremismus antreiben. Zugleich erstarke Antisemitismus, neben dem von Rechts auch der von Geflüchteten, was wiederum über die pauschale Zuschreibung rassistische und muslimfeindliche Instrumentalisierungen zusätzlich befördere. Und mit sozialen Medien, Fake News und anonymen Hasskommentaren ergebe sich eine „Dynamik zwischen Online- und Offline-Welt“, welche die Arbeit gegen Rechtsextremismus, islamistischen Extremismus und Antisemitismus ebenfalls sichtbar erschwere. „Politik muss klar und vernehmbar Haltelinien formulieren, bis wohin ein gesellschaftlicher Diskurs zulässig ist und ab wann die öffentliche Ordnung und ein ziviles Miteinander bedroht sind“, lautet das Fazit. „Die Politik der klaren Haltung muss glaubwürdig bleiben. Tatsächlich bestehende Probleme dürfen nicht kleingeredet werden.“
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