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Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD).
© dpa

Coronakrise: Politik will Eltern und Firmen helfen

Eltern, die wegen geschlossener Kitas und Schulen nun zu Hause bleiben müssen, fürchten um ihre Jobs. Das Land sichert Hilfe nun - dabei gibt es in der Landesverwaltung selbst Unmut in der Mitarbeiterschaft.

Potsdam - Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) appelliert an Unternehmen im Land, diese Woche Eltern keine Schwierigkeiten zu machen, die wegen geschlossener Kitas und Schulen selbst ihre Kinder betreuen und deshalb nicht zur Arbeit kommen. Die gesetzliche Verpflichtung, in diesen Fällen den Lohn weiter zu zahlen, war mit dem Sonntag abgelaufen. Deshalb meldete sich Steinbach eindringlich zu Wort.

Programm zur Lohnfortzahlung in Arbeit 

„Wir brauchen noch fünf Tage, bis es ein Programm zur Lohnfortzahlung in diesen Fällen geben wird“, sagte Steinbach den PNN. „Ich rufe alle Unternehmerinnen und Unternehmer dazu auf, die Löhne weiter zu zahlen, von Kündigungen abzusehen und von Arbeitnehmern keinen Urlaub zu erzwingen. Bitte handelt mit Toleranz und Augenmaß!“

Zwischen Bund und Ländern wurde auch am Wochenende an solch einem Hilfsprogramm der öffentlichen Hand gearbeitet, das kommende Woche Bundesregierung, Bundestag und Länder unter Dach und Fach bringen wollen. Es war auch Thema der Telefonschaltkonferenz zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Länderchefs über das weitere Corona-Krisenmanagement.

Gerade im Land Brandenburg mit bundesweit einer der höchsten Betreuungsquoten – fast alle Drei- bis Sechsjährigen besuchen Kitas – ist das Problem akut. Wegen geschlossener Kitas und Schulen fürchten viele Eltern, die betroffen sind und die Kinderbetreuung nicht anders organisieren können, einen drohenden Verdienstausfall und andere Nachteile. 

Rundschreiben des Innenministeriums sorgt für Unmut

Zwar wird für Kinder, wenn beide Elternteile die „kritische Infrastruktur“ im Land – Gesundheitswesen, Polizei, Verwaltung – am Laufen halten, eine Notbetreuung gewährleistet. Dort werden nach Angaben der Landesregierung etwa acht bis zehn Prozent der Kinder betreut, die sonst Kitas und Schulen besuchen. Für die große Masse aber wird das Problem mit jedem Tag größer.

Und selbst das Land mit seinen mehr als 40 000 Bediensteten ist da zumindest bisher als Arbeitgeber auch kein Vorbild. In einem den PNN vorliegenden Rundschreiben des zuständigen Innenministeriums an alle Behörden, datiert vom 17 März, hieß es als Vorgabe zum Umgang mit den Schließungen im Landesdienst in bürokratisch kühlem Ton: „Der Arbeitnehmer trägt grundsätzlich das Ausfallrisiko selbst; er ist grundsätzlich verpflichtet, die Kinderbetreuung so zu organisieren, dass er seine arbeitsvertragliche Pflicht erfüllen kann oder sich durch Urlaub oder den Abbau von Überstunden, Ausgleichstagen, die Inanspruchnahme von Gleitzeit von seiner Arbeitspflicht freistellen zu lassen.“ Wenn das alles nicht möglich sei, so das Rundschreiben, sei das Innenministerium im Einvernehmen mit dem Finanzministerium einverstanden, dass Tarifbeschäftigten zum Zwecke der Kinderbetreuung eine Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Entgeltes „von bis zu zehn Arbeitstagen“ gewährt werden kann. Und „das bis einschließlich 19.April 2020“ und auch nur unter bestimmten Voraussetzungen, eine lautet: „Es stehen der Gewährung keine dienstlichen Gründe entgegen.“ In der Landesverwaltung sorgt dieses Schreiben für Unmut und Unruhe.

Linke warnt vor Änderungen von Arbeitsverträgen 

In der Wirtschaft wiederum wachsen Existenzängste, dass es zu Auswüchsen führt. Beim „Runden Tisch“ zur Coronakrise von Steinbach mit Kammern und Gewerkschaften waren erste Fälle bekannt geworden, wo Unternehmer wegen Corona bereits Mitarbeiter fristlos kündigten. „Abgesehen davon, dass das keinen rechtlichen Bestand haben wird: Es ist auch die falsche Reaktion“, sagte Steinbach am Sonntag im Inforadio und verwies auf die anlaufenden Hilfsprogramme von Bund und Land.

„Wir warnen auch vor schnellen Änderungen von Arbeitsverträgen“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion, Sebastian Walter, am Sonntag. Es gebe keine Notwendigkeit für fristlose Kündigungen, Änderungskündigungen oder Ähnliches, sagte Walter weiter, der vor seinem Wechsel in die Politik selbst DGB-Gewerkschaftssekretär war: „Wir empfehlen allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, keine Änderungsverträge oder andere Vertragsänderungen zu unterschreiben.“ Soforthilfen für Unternehmen im Land seien notwendig und wichtig, „wer aber die jetzige Unsicherheit ausnutzt, um Arbeitnehmer unter Druck zu setzen oder gar zu kündigen, darf von diesen Hilfen nicht profitieren“.

In Brandenburg sollen ab kommenden Mittwoch Soforthilfen an Kleinst- und Kleinunternehmer, Solo-Selbstständige und Freiberufler Corona-Soforthilfen von 5000 bis 60 000 Euro ausgezahlt werden, die laut Steinbach nicht zurückgezahlt werden müssen. Die Höhe richtet sich nach der Betriebsgröße. Für Unternehmen mit bis zu zwei Mitarbeitern werden 5000 Euro überwiesen, bei bis zu fünf Mitarbeitern sind es 10 000 Euro. Die Formulare findet man laut Steinbach auf den Internetseiten von Wirtschaftsministerium und Investitionsbank Brandenburg (ILB). Es seien dafür „nur wenige Fragen“ zu beantworten, sagte er. Der in der ILB dafür zuständige Abteilungsleiter Bernd Arnim Schmidt sagte dazu im Inforadio: „Es ist das schlankeste Förderprogramm, das wir je hatten.“ Nötig seien etwa Handelsregisterauszug, Gewerbeerlaubnis, eine Lohnübersicht oder etwas Gleichwertiges zum Nachweis der Zahl der Beschäftigten. Schmidt sicherte eine zügige Bearbeitung und Überweisung der Gelder zu. Er wies darauf hin, dass in der Reihenfolge der Anträge ausgezahlt wird, „nach dem Windhundverfahren.“ Mit diesem Sofortprogramm – bereit stehen 6,5 Millionen Euro – soll kurzfristig eine Woche überbrückt werden, bis ab 1.April Geld aus dem von Landesregierung und Kenia-Koalition im Landtag geplanten Rettungsschirm für Brandenburg in Höhe von mindestens 500 Millionen Euro fließen kann.

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