zum Hauptinhalt
Was jetzt? Matthias Platzeck geht.
© Manfred Thomas

Brandenburgs Ministerpräsident tritt zurück: Platzeck geht

Brandenburgs Ministerpräsident legt aus gesundheitlichen Gründen alle Ämter nieder Nachfolger soll Innenminister Dietmar Woidke werden. Dessen Vereidigung ist für den 28. August geplant - die Flughafengesellschaft sucht offenbar externen Fachmann.

Potsdam - In Brandenburg endet eine Ära: Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) tritt aus gesundheitlichen Gründen infolge eines Schlaganfalls zum 28. August zurück. Das verkündete der 59-Jährige am Montagabend offiziell auf einer Pressekonferenz im Landtag. Nachfolger soll auf seinen Vorschlag Innenminister Dietmar Woidke (SPD) werden, der am gleichen Tag vom Landtag als neuer Regierungschef Brandenburgs vereidigt werden soll. Der 51-jährige Woidke soll kurz vorher auf einem Sonderparteitag der Landespartei nominiert werden, auch den Vorsitz der Landes-SPD übernehmen und im kommenden Jahr Spitzenkandidat für die Landtagswahl im Herbst 2014 werden. Er werde die Ämter „mit Hingabe“ ausüben, sagte Woidke. „Wir sind gut aufgestellt, in der Landesregierung, den Koalitionsfraktionen, in der eigenen Partei.“ Auch den Vorsitz des Flughafen-Aufsichtsrates wird Platzeck, der ihn Anfang Januar übernommen hatte, bis Ende August niederlegen.

Alle Hintergründe, Reaktionen und Interviews lesen Sie in der DENSTAGAUSGABE der POTSDAMER NEUESTEN NACHRICHTEN oder in unserem e-paper

Seine Nachfolge dort ist offen. Woidke selbst wird definitiv nicht in das Kontrollgremium gehen. Die Gesellschafter des Flughafens sind dem Vernehmen nach bereits bemüht, einen externen Fachmann für den Job zu finden. Eine einvernehmliche Lösung werde angestrebt, hieß es.

Der 59-jährige Platzeck hatte Brandenburgs Regierung seit 2002 geführt und war einer der dienstältesten Landeschefs in Deutschland. Ehe Platzeck und Woidke auf einer Pressekonferenz am Abend den Wechsel verkündeten, waren SPD-Landtagsfraktion und Landesvorstand kurzfristig zu einer Sondersitzung im Landtag zusammengerufen und informiert worden. Der erweiterte Landesvorstand nominierte Woidke einstimmig als designierten Ministerpräsidenten. Er habe „mit Lust und Leidenschaft 24 Jahre Politik gemacht“, in fünf Landesregierungen Brandenburgs, eine „dicke Haut ist mir nicht gewachsen“, sagte Platzeck als scheidender Regierungschef. Der Rückzug falle ihm schwer, er habe mit sich gerungen, für sich aber keine Alternative gesehen. Zwar gehe es ihm seit dem Schlaganfall vor sechs Wochen deutlich besser und er könne er nach Angaben seines Arztes problemlos 40/50 Stunden arbeiten, aber eben „nicht 80 Stunden pro Woche.“ Das aber sei mit dem Amt des Ministerpräsidenten unvereinbar. Sein Direktmandat als Abgeordneter der Uckermark will Platzeck im Landtag weiter ausüben. Was er weiter tun wird, ließ er offen.

Platzeck, der nach einem Schlaganfall im Juni und einem dreiwöchigen Genesungsurlaub am Montag seinen Dienst antrat, hatte seit dem Morgen bereits Parteifreunde, die Koalitionsspitzen, aber auch Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich über seinen Rückzug informiert. Enge Parteifreunde im Bund und in Berlin waren bereits am Sonntagabend von Platzeck vertraulich informiert worden. Vor seinem Urlaub hatte Platzeck bereits eine Rückkehr von einer „vollständigen Genesung“ abhängig gemacht, die trotz Fortschritten aber nicht im für das Amt erforderlichen Maße eintrete, hieß es.

Mit dem Wechsel in Brandenburg sind weitere SPD-Schlüsselpersonalien verbunden, für die am Montag bereits die Entscheidungen fielen. Auf Vorschlag Woidkes wird der bisherige Chef der Landtagsfraktion Ralf Holzschuher, von Hause aus Jurist, neuer Innenminister. Der bisherige SPD-Generalsekretär Klaus Ness übernimmt den Fraktionsvorsitz. Neue Generalsekretärin wird Vizeparteichefin Klara Geywitz, die sich als frühere Chefin der Enquete-Kommission zur SED-Diktatur und jetzt als Vorsitzende des BER-Sonderausschusses profiliert hatte.

Für die rot-rote Regierungskoalition in Brandenburg soll ein Jahr vor der Landtagswahl der Wechsel keine Auswirkungen haben, hieß es von Spitzenpolitikern beider Parteien. Woidke selbst kündigte an, dass die Arbeit der „überaus erfolgreichen“ Kolition fortgesetzt werde. Linken-Landtagsfraktionschef Christian Görke sagte den PNN: „Ich bin mir sicher, dass es mit dem neuen Regierungschef Woidke in der Koalition eine vertrauensvolle, berechenbare Zusammenarbeit geben wird.“

Der Rückzug Platzecks wurde in der Bundespolitik, in Brandenburg und Berlin mit Respekt und Bedauern aufgenommen. Die Opposition aus CDU, FDP und Grünen in Brandenburg verwies aber auf einen Berg von Problemen, den Platzeck in Brandenburg hinterlasse, mit dem Flughafen BER, aber auch in der Bildungspolitik. CDU-Landeschef Michael Schierack sagte, Nachfolger Woidke verdiene eine „ehrliche Chance“. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bedankte sich für die „von Vertrauen geprägte Zusammenarbeit“. Platzeck sei immer ein verlässlicher Partner gewesen, „trotz gelegentlich unterschiedlicher Interessen“. Als Stimme Ostdeutschlands sei er weit über Brandenburg hinaus gehört worden. Der Berliner CDU-Innensenator und Parteichef Frank Henkel bewertete den Rückzug Platzecks als einen „konsequenten Schritt, der dem Vollblutpolitiker nicht leichtgefallen sein dürfte. Vor dem Hintergrund seiner angegriffenen Gesundheit verdient diese persönliche Entscheidung aber besonderen Respekt“, sagte Henkel dieser Zeitung. In mehr als 20 Jahren habe Platzeck als Abgeordneter, Minister, Oberbürgermeister und Ministerpräsident viele politische Funktionen im Land Brandenburg innegehabt, „die er auch immer verantwortungsbewusst wahrnahm“. Mit seinem Rücktritt zeige Platzeck, dass diese Verantwortung auch für ihn persönlich gelte. Henkel, zugleich Mitglied im BER-Aufsichtsrat, betonte, er habe in dem Gremium mit Platzeck „stets gut zusammengearbeitet und ihn als verlässlichen Kollegen erlebt“. SPD-Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte, Platzeck sei „ein großartiger Ministerpräsident für Brandenburg“ gewesen, sei oft bis an die Grenzen seiner eigenen Kräfte gegangen. Auch Nachfolger Woidke sei ein Mann „mit Herz und Verstand“.

Zur Startseite