Geplante Kreisreform in Brandenburg: Neugliederungsbefehl
Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter treibt die umstrittene Kreisreform voran, ein erster Gesetzentwurf ist fertig. Doch die Kommunikation Schröters bestätigt die Kritiker in ihrer Ablehnung.
Potsdam - Widerspruch schert diesen Mann nicht, sondern stachelt ihn erst an. Und das zeigte Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) wieder einmal deutlich. Ja, er sprach es selbst ganz offen aus. „Ich bin ja manchmal als bockig und stur verschrien. Da mag etwas dran sein“, sagte der 62-Jährige irgendwann bei diesem Auftritt. „Seien Sie versichert: Ich werde festhalten an dieser Reform. Ich will, dass es eine Reform wird und kein Reförmchen. Meine Strecke ist der Marathon. Und nicht der Halbmarathon.“
Die Kreisstrukturen passen nicht mehr zum Land
Und genauso sieht auch der weitere Fahrplan samt Gesetz für die umstrittene Kreisgebietsreform in Brandenburg aus, den Schröter am Donnerstagmorgen im Innenministerium in Potsdam auf einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz verkündete. „Für die nächste Etappe“, wie Schröter sagte. „Der Zug rollt. Es geht nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um das Wie.“ Erst vor ein paar Wochen hatte er gemeinsam mit Finanzminister Christian Görke (Linke) die geplante neue Verwaltungs-Landkarte für Brandenburg vorgestellt, wie das Land nach den rot-roten Plänen ab 2019 künftig aussehen soll. Danach soll es noch neun Großkreise geben und die Landeshauptstadt Potsdam als einzige kreisfreie Stadt – statt bisher 18 Gebietskörperschaften. Die Begründung: Die Kreisstrukturen, das letzte Mal gestrafft 1993, passen nicht mehr zu einem Land, in dem vor allem in den berlinfernen Regionen immer weniger Menschen, im Speckgürtel aber immer mehr leben werden.
Dagegen laufen viele Sturm. Eine Volksinitiative ist gestartet, maßgeblich von der CDU-Opposition getragen, auch von der FDP und den Freien Wählern. Nach den ersten Zwischenständen wird sie keine Schwierigkeiten haben, die nötigen 20 000 Unterschriften zu sammeln. In den größeren Städten Brandenburg/Havel, Frankfurt (Oder) und Cottbus ist der Unmut groß, dass sie in den Großkreisen aufgehen sollen. In der Lausitz findet es kaum Zuspruch, dass sie zu einem einzigen Kreis – größer als das Saarland – fusioniert werden soll.
Trotzdem bleibt alles so. Der jetzt fertige allererste Referentenentwurf für das „Gesetz zur Neugliederung der Landkreise und kreisfreien Städte“ sieht keine Korrekturen vor. Er hat knapp 480 Seiten und soll laut Schröter nun weiter beraten und ausgefeilt werden, erst in der Regierung, dann im Parlament, um dort 2017 verabschiedet zu werden. Ziel ist es, dass die neuen Kreise mit der Kommunal- und Europawahl 2019 in Kraft treten können, sagte Schröter. Das Gesetz selbst regelt viele Detailfragen, zu Personal, zu Finanzen, da geht es um Sicherungen, damit die Reform nicht wie die in Mecklenburg-Vorpommern am Verfassungsgericht scheitert. Es ist die Stunde der Juristen, der Techniker, der Bürokratie.
Brandenburg/Havel: "Ein Land schafft seine Städte ab"
Und prompt gerät die politische Kommunikation dieser Reform – auch auf dieser Pressekonferenz – wieder einmal aus dem Ruder. Und bestätigt Reformgegner, etwa in den Städten Brandenburg, Frankfurt und Cottbus, die einen Bedeutungsverlust fürchten. Gerade haben die drei Stadtoberhäupter Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) zu einem Spitzentreffen gebeten. Nun konnte Brandenburgs Stadtverwaltung prompt die auf der Pressekonferenz verteilte Landkarte mit den „Namen der künftigen Landkreise“ twittern, auf der die großen Städte – außer Potsdam – tatsächlich nicht einmal mehr enthalten sind. Der Kommentar aus dem Rathaus der Havelstadt: „Ein Land schafft seine Städte ab.“ Da ist in den ausgereichten Unterlagen tatsächlich von „Neugliederungsbefehlen“ die Rede. Da fielen auf der Pressekonferenz schon einmal Begriffe wie „untergehende Landkreise“. Und Markus Grünewald, zuständiger Ministerialbeamter der Kommunalabteilung im Innenministerium, kündigte an, dass es für die Sitze der Kreisstädte, in den Regionen ein Aufreger, nun „ein irgendwie geartetes Bewerbungsverfahren“ geben soll. Das heißt, selbst Brandenburg, Cottbus und Frankfurt (Oder) müssten sich erst noch bewerben, damit sie wenigstens Sitz der Kreisverwaltungen werden. Ein solches Bewerberverfahren hatten die rot-roten Koalitionäre im Landtag intern ausgeschlossen, um nicht noch Öl ins Feuer zu gießen. Und Grünewald hatte noch im Februar 2016 in einem publik gewordenen internen Vermerk wegen schlechter Vorbereitungen einen „Neustart“ der Reform gefordert, verfassungsrechtliche Bedenken geäußert. Nein, einen Widerspruch sehe er darin nicht, sagte er nun. Man habe damals bewusst eine hohe Messlatte formuliert. Im Gesetzentwurf habe man das alles berücksichtigt .
Freilich, so zügig Schröter – früher selbst lange Landrat – die Kreisfusionen vorbereitet: In eigener Sache ist das Land im Rückstand. Der zweite nötige Gesetzentwurf für die Reform, mit dem Landesbehörden teils kommunalisiert, also 22 bisherige Landesaufgaben samt Personal auf die neuen Kreise übertragen werden, ist nicht zeitgleich fertig geworden. Das soll nun im Januar der Fall sein. Trotz erheblicher Widerstände in den Landeseinrichtungen will Schröter auch da hart bleiben. „Es wird dabei bleiben.“ Er sei „kein Mann für halbe Sachen“.
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