Weihnachtsmann aus Leidenschaft: Nach der Arbeit Rauschebart
Wer heutzutage einen Weihnachtsmann engagieren will, muss lange suchen – auch hier herrscht Fachkräftemangel, private Agenturen verlangen saftige Preise. Oliver Bruhn hingegen beschert aus Passion.
Briesen - Wer zum Freundes- und Bekanntenkreis von Oliver Bruhn gehört, hat speziell zu Heiligabend Glück. Denn dann schlüpft der hauptberufliche Bezirksleiter einer Kaffeefirma in sein Weihnachtsmann-Outfit und beschert die Kinder dieser Familien. Zuerst zieht Bruhn die roten Samtpluderhosen an, darüber die Lederstulpen mit den Schellen. Dann kommen der künstliche Stoffbauch und die Polsterung für den Allerwertesten. „Ein richtiger Weihnachtsmann braucht einen dicken Bauch und ein ebenso dickes Hinterteil“, ist Bruhn überzeugt.
Den roten Samtmantel mit Brokat-Stickerei und Fellbesatz hat er sich übers Internet in Großbritannien besorgt, ebenso den gedrehten Stab und die runde Hornbrille. Die weißgelockte Perücke und der Bart sitzen perfekt, ebenso wie die buschigen weißen Augenbrauen, die angeklebt werden. Dass Bruhn bei seinem selbst gewählten Nebenjob regelmäßig ins Schwitzen kommt, glaubt der Betrachter bei diesem Anblick sofort. Eine große Handglocke scheppert so laut, dass die Ankunft des Weihnachtsmannes nicht zu überhören ist.
Weihnachtsmann mit Nivau
Angefangen hat der 53-Jährige aus Briesen (Oder-Spree) seine Mission vor 30 Jahren bei seinen eigenen Söhnen. Die beiden sind längst aus dem Haus, doch den Weihnachtsmann mimt Bruhn noch immer. „Ich finde diese Rolle toll – wenn du sie mit Niveau spielst“, betont der leidenschaftliche Musiker, der in seiner Freizeit in „Joes Bigband“ Fürstenwalde (Oder-Spree) singt. Sieben, acht Familien besucht er jedes Jahr am 24. Dezember. Wenn er in voller Montur über die Dörfer bis nach Frankfurt (Oder) fährt, ist er vom frühen Nachmittag bis zum späten Abend unterwegs. Natürlich hat der ausgebildete Barista in seiner langen „Weihnachtsmann“-Karriere immer wieder Kinder erlebt, die zweifeln, ob es den bärtigen Alten überhaupt gibt. Spätestens dann zückt Bruhn sein dickes goldenes Buch. Darin stehen Insider-Informationen, die ihm die Eltern vorher gegeben haben. „Wenn Du dem Dreikäsehoch dann etwas von seinen jüngsten Dummheiten erzählst, bleibt ihm der Mund offen stehen“, erzählt er. Sich Respekt zu verschaffen, damit hat der 53-Jährige kein Problem. Die Stimme ist tief, laut, geschult durch Jahrzehnte als Rock-Sänger und voller Inbrunst, die Erscheinung dank Kostüm imposant. Gemeinsames Singen mit Kindern und Eltern – kein Problem. „Eine Strophe eines Weihnachtsliedes muss drin sein, sonst gibt es kein Geschenk.“
Das Timing ist alles
Erlebt hat er da schon so einiges, beispielsweise bei einer norwegischen Familie, die in Frankfurt (Oder) zu Gast war. „Die war so begeistert, wollte mit dem Singen gar nicht mehr aufhören, so dass mein Zeitplan gehörig durcheinander geriet.“ Dieses Timing einzuhalten, sei mittlerweile die eigentliche Herausforderung an Heiligabend, sagt Bruhn, der vom festen Stamm seiner Familien niemandem absagen möchte. „Wenn da jedes Jahr ein anderer Weihnachtsmann kommt, ist das ja unglaubwürdig.“ In der Familie von Antje Gollnisch in Sieversdorf (Oder-Spree) gehört sein Besuch seit Jahren dazu. „Erst wenn Oliver da war, ist wirklich Weihnachten“, sagt die dreifache Mutter.
Bruhn ist zweifellos ein Glücksumstand. Denn eigentlich herrscht in der Weihnachtsmann-Branche Fachkräftemangel. Selbst Studenten, die sich am 24. Dezember gern etwas Geld verdienen wollten, haben nach Auskunft von Arbeitsagenturen und Studentenwerken kein Interesse mehr. Darsteller sind offenbar kaum noch zu finden, so dass die Arbeitsagenturen, die noch vor Jahren Weihnachtsmänner vermittelten, diesen Service längst eingestellt haben.
Zu Hause hat er eine Wunschzettelsammlung
„Unsere Aufgabe ist es, Arbeitslose in möglichst dauerhafte sozialversicherte Beschäftigung zu bringen und nicht in Jobs für einen Tag“, stellt Holger Wenk, Sprecher der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg, klar. Für diese Art der Arbeitsvermittlung gebe es private Agenturen, sagt er. Auch über soziale Medien kann fündig werden, wer einen Weihnachtsmann sucht.
„Die Kinder freuen sich jedes Jahr total auf ihn. Unsere Jüngste ist neun und glaubt dank Olli immer noch an den Weihnachtsmann“, erzählt Antje Gollnisch. Um eine passende Antwort ist Bruhn nie verlegen. Als er von einem Kind gefragt wurde, wo er denn Schlitten und Rentiere gelassen habe, entgegnete der gebürtige Frankfurter, dass er aus Rücksicht immer am Ortsrand parke. Geld nimmt der gelernte Polsterer und Sattler für seine „Bescherdienste“ nicht. Aber über eine „gute Flasche Rotwein“ freut er sich immer, auch wenn er „im Dienst“ stets nüchtern bleibt. „Um eine Bezahlung geht es mir nicht. Ich genieße die Rolle, freue mich das ganze Jahr drauf und habe eine tolle Wunschzettel-Sammlung“, sagt er.
Jeanette Bederke dpa
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