Warten auf das Urteil: Mietpreisbremse vor dem Landgericht
Eine Schlamperei im Infrastrukturministerium könnte sich nachteilig für Mieter in Brandenburg auswirken.
Potsdam - Gilt die Mietpreisbremse endlich auch in Brandenburg? Das Landgericht Potsdam verhandelt am 5. Juni letztinstanzlich über einen Mietstreit in Potsdam-Babelsberg. Noch im September 2018 hatte das Amtsgericht entschieden, dass der klagende Mieter keinen Anspruch auf eine günstigere Miete hat. Dessen Anwältin legte Berufung ein.
Überraschende Begründung vom Gericht
Es geht um eine Villa nahe der ehemaligen Sternwarte in Babelsberg. Für die Drei-Zimmer-Wohnung in der ersten Etage mit 107 Quadratmetern zahlen die Mieter bislang monatlich 1035 Euro. Im September 2016 rügten sie den Preis und forderten, die Miete im Einklang mit der Mietpreisbremse auf 893,33 Euro zu senken. Außerdem wollen sie eine Erstattung zu viel gezahlter Miete über 708,35 Euro, plus fünf Prozent Zinsen. Die Begründung: Ihrer Ansicht nach liegt der Mietpreis weit mehr als 10 Prozent über der in Potsdam üblichen Vergleichsmiete und den Zahlungen des Vormieters.
Das Amtsgericht wies die Klage des Mieters im vergangenen Jahr zurück – mit einer für viele überraschenden Begründung. Denn diese rückt die Arbeit des zuständigen Ministeriums für Infrastruktur und Landesplanung (MIL) und seiner Ministerin Kathrin Schneider (SPD) in ein schlechtes Licht.
Das Gericht erklärte die Mietpreisbremse in Brandenburg für unwirksam, weil die Landesregierung es versäumte, die Begründung für die sogenannte Mietpreisbegrenzungsverordnung vom 8. Dezember 2015 zu veröffentlichen. Erst am 4. April diesen Jahres holte das Infrastrukturministerium das Versäumnis nach, veröffentlichte die Begründung und setzte die Mietpreisbremse damit in Kraft.
Begründung spät veröffentlicht
Reinhard Schuster, Chef des Babelsberger Mietervereins, ist empört: „Es ist eine Schande und ein Skandal, dass die Landesregierung so lange gebraucht hat, um die Begründung zu der Verordnung zu veröffentlichen.“
Die Bundesregierung verabschiedete das Gesetz zur Einführung der Mietpreisbremse im März 2015. Sie ermächtigte die Länder darin, Städte und Gemeinden mit angespannten Wohnungsmärkten festzulegen. Dort soll der Mietanstieg gesetzlich gedeckelt werden. Ausnahmen gelten bei Bestandsmieten, Neubauten und Wohnungen, die frisch saniert wurden. Die märkische Landesregierung erließ die entsprechende Verordnung zwar am 8. Dezember 2015, veröffentlichte jedoch die Begründung nicht. Ein Sprecher von Ministerin Schneider sagte auf PNN-Anfrage: „Grundsätzlich gibt es beim Erlass von Verordnungen eine Begründungs- aber keine Veröffentlichungspflicht.“ Die Mietpreisbremse in Brandenburg sei nur deshalb nachträglich für unwirksam erklärt worden, weil es nach einer Entscheidung des Landgerichts Hamburg eine Änderung in der Rechtsprechung gegeben habe.
Die Berliner Anwältin Sabrina Krause widerspricht. Im Babelsberger Mietstreit vertritt sie die Klägerseite – und wirft der Landesregierung vor, nicht sorgfältig gearbeitet zu haben: „Meine Mandanten hätten im Berufungsverfahren deutlich bessere Chancen, wenn die Landesregierung die Begründung für die Mietpreisbremse früher veröffentlicht hätte.“ Sie gehe davon aus, dass die Mietpreisbremse in Brandenburg in diesem Fall längst gültig gewesen wäre. „Das Land hat viele Mieter mehr als drei Jahre lang um günstigere Mieten gebracht“, Krause.
Unstrittig ist: Die Mietpreisbremse ist seit dem 4. April auch in Brandenburg in Kraft. In dem Berufungsprozess geht es im Kern um die Frage, ob betroffene Mieter rückwirkend oder erst zukünftig ihre Ansprüche geltend machen können. Außerdem muss das Gericht klären, ob die Preisbremse womöglich nur für Mietverträge gilt, die ab 2019 geschlossen wurden.
Hoffen auf ein mieterfreundliches Urteil
Rainer Radloff, Chef des Mieterbundes Brandenburg, verweist auf die Verantwortung der Landesregierung: „Sollte das Gericht entscheiden, dass die Mietpreisbremse erst ab 2019 wirksam ist, muss man die Landesregierung dafür kritisieren, dass sie die Begründung nicht längst veröffentlicht hat.“ Darunter leiden würden ihm zufolge die betroffenen Mieter, die sich vor Gericht nicht gegen eine unzulässige Mieterhöhung wehren könnten.
Der Geschäftsführer des Mietervereins Potsdam, Benjamin Nowak, hofft, dass das Gericht zugunsten der Mieter entscheidet – und auch rückwirkend Ansprüche ermöglicht: „Auf das Urteil könnten sich viele Mieter in Potsdam und Umgebung berufen und gegen unzulässige Mieterhöhungen vorgehen.“
Spätestens Anfang Juli will das Potsdamer Landgericht das Urteil verkünden. Der einzige Verhandlungstag ist am 5. Juni angesetzt.
Mehr Rechte für Mieter seit 1. Januar
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz
informiert auf seiner Internetseite über die Rechte von Mietern. Das am 29. November vom Deutschen Bundestag verabschiedete und am 1. Januar 2019 in Kraft getretene Mieterschutzgesetz sieht entscheidende Änderungen vor: Vermieter sind verpflichtet, Mieter noch vor Abschluss des Mietvertrags in Textform unaufgefordert zu informieren, ob im konkreten Fall eine Ausnahme von der Mietpreisbremse vorliegt. Zum Beispiel wegen einer umfassenden Modernisierung der Wohnung. Für Mieter ist es nun einfacher, gegen eine zu hohe Miete vorzugehen. Bislang war es für die Rüge notwendig, dass der Mieter begründet, warum die verlangte Miete zu hoch ist. Jetzt reicht ein einfaches „Ich rüge die Höhe der Miete!“ aus. Hat der Vermieter Auskunft über eine Ausnahme von Mietpreisbremse erteilt, muss sich die Rüge des Mieters auf diese Auskunft beziehen. Weitere Infos unter www.mieterschutz.bund.de. (mak)
Jochen Gößmann
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