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Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) warnt vor der Entlassung des BER-Chefs Karsten Mühlenfeld.
© Patrick Pleul/dpa

Kommentar zur Lage in Brandenburg: Kreisreform: Warum Woidke einlenken muss

Die Lage ist ernst: Der Tillich-Rücktritt in Sachsen, die Bundestagswahl, in Brandenburg die Kreisreform. Sie würde das Land weiter polarisieren. Ministerpräsident Woidke sollte die Gebietsreform abblasen. Es geht um Brandenburgs inneren Zusammenhalt. Ein Kommentar.

Was für aufgewühlte Zeiten! In Sachsen tritt plötzlich Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) ab. Und in Brandenburg rückt die Landtagsabstimmung über die Kreisgebietsreform näher, von deren Ausgang das Schicksal von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und seiner rot-roten Koalition abhängt. Sie sind angetreten, die Verwaltungen an sinkende Einwohnerzahlen in den Regionen fernab von Berlin und Potsdam anzupassen. Dass Kreise fusionieren sollen, weckt Ängste, nachdem aus vielen Dörfern schon Post, Arztpraxis, Laden und Schule verschwanden. Es wird als Demütigung empfunden, dass Cottbus, Frankfurt (Oder) und Brandenburg/Havel, alle hochverschuldet, in Kreise eingegliedert werden sollen. Es hat sich einiges zusammengebraut. Woidke musste in der SPD-Landtagsfraktion warnen, dass es um alles geht. Es sieht so aus, dass nun die rot-rote Mehrheit für die Kreisreform-Abstimmung steht. Aber was dann?

Eine solche Konfrontation in Brandenburg gab es noch nie

Die Kreise, Städte und Gemeinden samt ihren Verbänden sind gegen diese Reform. Kreistag auf Kreistag sagt Nein, mit den Stimmen von SPD und Linken. Die Anhörungen im Landtag sind ein Spießroutenlauf für Innenminister Karl-Heinz Schröter. Es sind nicht mehr die üblichen Widerstände wie 1993 bei der Kreisreform, bei der Gemeindereform 2003. Die kommunale Ebene legt geschlossen ihr Veto ein. Eine solche Konfrontation gab es in Brandenburg noch nie. Dazu läuft das Volksbegehren, nachdem eine Volksinitive in kürzester Zeit 130 000 Unterschriften sammelte.

Warum die Reform verunglückte? Das haben vor allem die Macher geschafft: mit miserablem Handwerk, Provokations-Kommunikation, vorneweg der Innenminister, mit dem Fahrplan, alles über Jahre zerreden zu lassen. Klar, auch die CDU, die überall in Deutschland für solche Reformen stand und sie als Regierungspartei genauso durchgezogen hätte, hat mit ihrer Blockade aus Eigennutz dazu beigetragen. Um die Partei zu konsolidieren, Kampagnenfähigkeit für die nächste Brandenburg-Wahl zu trainieren.

Nach einem Landtagsbeschluss werden die Probleme dieser Reform nicht aufhören. Wer soll sie eigentlich machen? Wer soll beim absehbaren Volksentscheid dafür mobilisieren, etwa die verunsicherte SPD-Basis? Eine Werbekampagne wie 1996 vor der gescheiterten Fusion mit Berlin?

In diesen Zeiten darf Politik nur tun, was vermittelbar ist

Es läuft zudem alles auf einen Volksentscheid nicht allein über die Kreisreform hinaus, sondern einen über die ländlichen Regionen. Wie sich das dort verbreitete Gefühl des Abgehängtseins entladen kann, wenn sich eine Gelegenheit bietet, hat die Bundestagswahl gezeigt: Die AfD wurde noch vor der SPD zweitstärkste Partei. Aber die Rechtspopulisten lagen auch nur 95 000 Stimmen hinter der CDU, die für die Wahl 2019 – neben dem Siegestraum – erst einmal die nächste Ernüchterungswoge einkalkulieren kann. Nämlich die über Merkels Jamaika-Regierung. Und in der Lausitz womöglich noch mehr, falls in Berlin ein Ausstieg aus der Braunkohle vor 2030 beschlossen werden sollte. Das alles kann unkalkulierbar, schwer beherrschbar werden in Brandenburg, für SPD, Linke und die CDU.

Die Kreisreform würde das Land weiter polarisieren. Diese lähmende Konfontration ist nicht gut für Brandenburg. Dieser Preis ist zu hoch. Wenn sich die Zeiten so ändern, kann Politik nur das tun, was möglich, verantwortbar und der Bevölkerung auch vermittelbar ist. Deshalb sollten Ministerpräsident Woidke und die rot-rote Koalition eine Verwaltungsreform machen, aber die Gebietsreform abblasen. Alle sollten sich bewegen, auch die CDU, auch die Kommunen. Ein Kompromiss könnten Pflicht-Kooperationen sein, etwa gemeinsame Ämter, gekoppelt an Entschuldungshilfen. Man könnte es befristen, für den Fall, dass es nicht ausreicht, neue Kreisgrenzen auf Wiedervorlage in einigen Jahren legen. Dietmar Woidke hat als Ministerpräsident einen Amtseid geleistet, Schaden vom Land abzuwenden. Es geht um Brandenburgs inneren Zusammenhalt.

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