Nach Kreisreform-Aus: Kommunen in Brandenburg wollen nicht zusammenrücken
Vor sechs Monaten stoppte die Landesregierung in Brandenburg die Kreisreform – und setzte auf verstärkte freiwillige Kooperationen. Doch viele Kommunen sehen da kaum Bedarf.
Potsdam - Sechs Monate nach dem Aus für die Kreisreform in Brandenburg sehen viele Kommunen keinen Bedarf für eine deutlich engere Zusammenarbeit über Kreisgrenzen hinweg. Dies ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. Dabei hatte Regierungschef Dietmar Woidke (SPD) nach der Absage des Projekts gesagt: „Die Kreise und die kreisfreien Städte haben die Überzeugung vertreten: Wir können die notwendigen Veränderungen im Rahmen der gegebenen Strukturen selbst vornehmen.“ Die Reform hatte vorgesehen, mehrere der 18 Kreise und kreisfreien Städten zu größeren Einheiten zusammenzulegen, um auch bei einem anhaltenden Bevölkerungsschwund in berlinfernen Regionen eine moderne Verwaltung anbieten zu können.
„Derzeit besteht kein Änderungsbedarf in der Struktur der Kreisverwaltung“, sagte Uckermark-Landrat Dietmar Schulze (SPD). Allerdings gehöre die Optimierung der Aufgabenwahrnehmung zum täglichen Geschäft des Landrats. Seit längerer Zeit gebe es etwa eine gute Zusammenarbeit mit dem Landkreis Barnim – zum Beispiel bei der Regionalen Planungsgemeinschaft Uckermark-Barnim oder der gemeinsamen Anschaffung eines Einsatzleitwagens für den Katastrophenschutz. Die Reform hatte vorgesehen, dass Uckermark und Barnim fusionieren.
„Interne Strukturveränderungen gibt es unabhängig von den großen Reformen“
Gut aufgestellt sieht sich auch die Stadt Cottbus, die mit dem Kreis Spree-Neiße fusionieren sollte. „Interne Strukturveränderungen gibt es fortlaufend und unabhängig von den großen Reformen“, sagte ein Sprecher. Konkret angeschoben worden sei ein Zweckverband Kommunales Rechenzentrum, dessen Dienstleistungen landesweit angeboten werden könnten. Bei der Analyse der Kooperationen mit dem Kreis Spree-Neiße habe sich allerdings gezeigt, dass etwa bei der gemeinsamen Ausländerbehörde das Land Brandenburg die Unterstützung, die eigentlich jeder Behörde in einem Kreis zustehe, faktisch halbiert habe.
Für den Landkreis Oberspreewald-Lausitz erklärte Vize-Landrätin Grit Klug: „Strukturveränderungen wurden seit dem Ende der Reform nicht in Angriff genommen.“ Man habe bereits in der Vergangenheit auf Zusammenarbeit gesetzt – Beispiele seien der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg, der Tourismusverband Spreewald oder auch die Regionalleitstelle der Feuerwehr in Cottbus. Niemand werde sich einem Reformbedarf verschließen. „Jedoch ist in jedem Falle zunächst die Landesregierung Brandenburg gefragt, notwendige Veränderungen als Vorschläge, die auch umsetzbar sein müssen, den Landkreisen und kreisfreien Städten zu unterbreiten.“
Kooperationen in Frankfurt (Oder) mit Nachbarkreisen bei Adoptionen oder der Landwirtschaft
Auch der Landkreis Oder-Spree sieht sich allein gut aufgestellt: „Sowohl was die Verwaltungskraft, als auch die Finanzkraft anbelangt, weisen wir keinen Reformbedarf auf, der eine Kreisgebietsreform erfordert hätte – im Gegenteil: Der Landkreis sollte aufgrund seiner guten haushaltswirtschaftlichen Rahmendaten als Nothelfer für die durch hohe Kassenkredite belastete Stadt Frankfurt (Oder) fungieren“, erklärte ein Sprecher. Landrat Rolf Lindemann (SPD) meinte, derzeit sei zunächst das neue Finanzausgleichsgesetz des Landes abzuwarten. „Wenn es zu einer gemeinsamen Problemlösung kommen soll, muss dem Kreistag überzeugend dargelegt werden, wo die Vorteile für den Landkreis liegen – denn jede Kooperation ist auch mit dem Risiko belastet, dass man sich weitere Aufgaben- und Finanzierungsprobleme auf den Tisch zieht“, sagte Lindemann.
Eine Sprecherin von Frankfurt (Oder) erklärte, Kooperationen mit den Nachbarkreisen seien schon früher angegangen worden – bei Adoptionen oder der Landwirtschaft. Zur Frage neuer Projekte meinte sie nur: „Änderungsbedarfe wird es immer geben. Die öffentliche Verwaltung entwickelt sich weiter und muss auf neue Herausforderungen reagieren.“
Gespräche, wenn gemeinsame Ziele nicht erreicht werden
„Es waren nach der Absage der Reform in Potsdam-Mittelmark keine Strukturveränderungen nötig“, erklärte ein Sprecherin des Landkreises Potsdam-Mittelmark, der auch nach den Reformplänen weitgehend in seinen bisherigen Grenzen bestehen bleiben sollte. Landrat Wolfgang Blasig (SPD) meinte: „Eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Landkreisen und kreisfreien Städten erfordert keine Gebietsreform, der Wille zur Zusammenarbeit ist der Schlüssel für gewinnbringende Kooperationen. Wir werden auch künftig aktiv mit unseren Nachbarn weitere Handlungsfelder ermitteln, wo gemeinsame Ziele konkret erreicht werden können.“
Der Prignitzer Landrat Torsten Uhe (parteilos) meinte, auch vor der abgesagten Reform habe es Kooperationen gegeben. „Zwischenzeitlich sind neue hinzugekommen, wie die gemeinsame Clearingstelle für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge mit dem Landkreis Ostprignitz-Ruppin in Wittstock.“ Der Landkreis Prignitz unterstütze zudem den Nachbarkreis bei der Ausbildung von Lebensmittelhygienikern und es gebe Gespräche mit dem Nachbarn, im Bereich der IT-Sicherheit zu unterstützen.
Der Landkreis Oberhavel erklärte, auch bei einer Reform wäre der Kreis unverändert geblieben. Trotzdem gebe es eine enge Zusammenarbeit, etwa beim Rettungsdienst oder bei Adoptionen. Aus Teltow-Fläming hieß es, man sei von Anfang an davon ausgegangen, dass der Kreis das Potenzial zur Eigenständigkeit habe – mit zuletzt knapp 170 000 Einwohnern. Der Stopp der Reform sei richtig gewesen. Nun müssten aber alle Kräfte gebündelt werden, um Land und Kommunen demografiefest zu machen, sagte eine Sprecherin. Das funktioniere nur über die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung. dpa
Rochus Görgen
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