Kitas in Brandenburg: Kinder, Kinder ...
Brandenburgs Landtag entscheidet über ein beitragsfreies letztes Kitajahr. Aber vorher wird gestritten. Und wie.
Potsdam - Gerrit Große verbiegt sich nicht. Die Linke-Bildungsexpertin im Landtag hat schon für bessere Kindertagesstätten gefochten, als noch SPD und CDU in Brandenburg regierten. Eine Zeit, in der Arbeitslose gefälligst ihre Kinder aus den Einrichtungen holen sollten. Und seit Rot-Rot hat sie den Koalitionspartner, und auch die eigenen Genossen genervt, dass es mit nötigen kleineren Kitagruppen und Entlastungen der Eltern in Brandenburg viel zu langsam geht. Nein, ihr braucht niemand zu erzählen, was alles noch im Argen liegt.
Und so kritisierte Große am Dienstag nicht nur, dass sich Kommunen und Landkreise als eigentlich Zuständige bei der Kita-Finanzierung immer zu sehr aus der Verantwortung stehlen, sondern auch, dass Kita-Träger am heutigen Mittwoch bei der angekündigten Demonstration mit Kindern vor den Landtag ziehen wollen: Sie habe ein „grundsätzliches Problem“ damit, „wenn Kinder für Trägerinteressen instrumentalisiert werden.“
Bei der Demonstration vor dem Landtag, der an diesem Tag einen rot-roten Gesetzentwurf zur Einführung des beitragsfreien letzten Kitajahres in Brandenburg beschließen will, wollen Träger für eine bessere Kitafinanzierung durch das Land demonstrieren, ehe man Eltern entlastet. Konkret geht es um eine Kostenbeteiligung des Landes für zehn Stunden tsatt bisher für 7,5 Stunden, die so genannte dritte Betreuungsstufe.
SPD, Linke, Grüne und CDU werden für das beitragsfreie letzte Kitajahr stimmen
Den Einstieg in die Beitragsfreiheit wird der Aufstand der Träger nicht mehr aufhalten. Nachdem am Dienstag die Fraktionen tagten, steht nichts mehr im Wege. Neben SPD und Linken werden auch CDU und Grüne für die Einführung des beitragsfreien letzten Kitajahres stimmen. „24 970 Kinder, und damit 24 970 Familien im Land profitieren davon“, sagte Große. Sie verwies auf die jüngste Bertelsmann-Studie, wonach Brandenburg bei der Höhe der Elternbeiträge auf Platz 5 in Deutschland liegt, und vor allem ärmere Familien überproportional belastet werden, trotz sozialer Staffelungen. Vielleicht schaffe das beitragsfreie letzte Kitajahr für Familien Spielräume, sagte Große, „ die Arbeitszeit zu verkürzen, damit die Kinder nicht zehn Stunden und länger in der Kita bleiben müssen.“
Auch das provozierte prompt Widerspruch. „Wir wollen nicht, dass sich Familien Gedanken über ihre Arbeitszeiten machen müssen“, sagte CDU-Fraktionschef Ingo Senftleben. „Wir wollen familienfreundliche Öffnungszeiten.“ Auch er sprach Klartext, legte sich fest. Nämlich, dass die CDU für das beitragsfreie Vorschuljahr ist. Aber er stellte zugleich klar, dass danach für die Union familiengerechte Öffnungszeiten und gute Betreuungsstandards Vorrang vor weiteren Beitragsentlastungen haben. Man sollte erst einmal das Eine richtig machen, ehe man zu viel verspreche, so Senftleben. Er warf Rot-Rot vor, Träger und Eltern gegeneinander auszuspielen.
„Werbung für die Politik der SPD in Brandenburg“?
Und so werden CDU und Grüne erneut einen Antrag einbringen, quasi die Wiedervorlage der Wiedervorlage, die auch von Kommunen und Trägern geforderte dritte Kita-Betreuungsstufe endlich einzuführen. „Wir halten das nach wie vor für richtig“, sagte Grünen-Fraktionschefin Ursula Nonnemacher. Die Große–Kritik an Kinder-Demonstranten? Finde sie „überproblematisiert“. Auch SPD-Fraktionschef Mike Bischoff wollte den Vorwurf nicht teilen. Das habe aber nichts damit zu tun, sagte er auf Nachfrage, dass auch die AWO mit Landesgeschäftsführerin Anne Baaske zu der Demo aufgerufen hatte. Baaske, eine der kommenden Frauen in der SPD, war jüngst zur Chefin einer Partei-Kommission gegen den Pflege-Notstand berufen worden. Bischoff verwies auf die rot-roten Kita-Investitionen in dieser Legislatur, auf 2000 neue Stellen.
Das war auch der Tenor eines Schreibens von Bischoff an Kita-Träger im Land, mit dem er vor dem Tag der Entscheidung und der Protestdemo für Irritationen sorgte. Darin lobte die Fraktion die eigenen Verdienste und lud Elternvertreter ein, am gestrigen Dienstag „über die aktuellen Entwicklungen im Bereich der frühkindlichen Bildung und insbesondere die beschlossenen Maßnahmen“ unter Anwesenheit von Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) zu diskutieren. Es handle sich „offensichtlich um eine Werbung für die Politik der SPD in Brandenburg“, heißt es in einem Antwortschreiber eines Trägervertreters aus Bad Liebenwerda (Elbe-Elster) an Bischoff, das den PNN vorliegt. Er bitte darum, künftig die Zusendung von Werbematerial zu unterlassen. Dass im Bischoff-Schreiben die Einführung der Beitragsfreiheit schon als gesetzt dargestellt werde, zeuge zudem „von Mißachtung der demokratischen Spielregeln ohnegleichen“.
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