Brandenburg: Kanal voll
Nach Karlsruhe-Urteil zu Altanschließern: Innenminister Schröter (SPD) lehnte schnelle Lösungen ab
Potsdam - Die von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) geführte rot-rote Regierung tut sich weiterhin schwer, Konsequenzen aus dem bereits vor acht Monaten ergangenen Abwasser-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu ziehen, wonach etwa Hunderttausend Bürger im Land über ein Jahrzehnt durch grundgesetzwidrige Politik und Rechtsprechung in Brandenburg bei Kanalisationsbeiträgen zu Unrecht abkassiert worden waren. Im Landtag sorgte am Freitag der Umgang mit dem Karlsruher Paukenschlag-Spruch erneut für heftigen Streit.
Die Opposition aus CDU, Grünen, AfD und Freien Wählern mahnte erneut schnelle und möglichst landeseinheitliche Lösungen an, und zwar eine Rückzahlungen an alle, scheiterte mit entsprechenden Anträgen aber an der rot-roten Koalitionsmehrheit. „Es reicht nicht, dass mir der Innenminister im Foyer des Landtags sagt: Die CDU kann keine Opposition. Das könnte das Land verkraften“, sagte der CDU-Abgeordnete Sven Petke. „Was das Land nicht verkraftet: Wenn eine Regierung nicht regieren kann.“ Und die Regierung sei in der Pflicht, eine Lösung zu präsentieren.
Die CDU, aber auch Grüne und Freie Wähler plädieren für eine Rückerstattung der Anschlussgebühren für die Kanalisation an alle Betroffenen, und nicht nur an jene, deren Bescheide zum Zeitpunkt des Karlsruhe-Urteils – durch Widersprüche oder Klagen – noch nicht rechtskräftig waren. Das würde allerdings die Zweckverbände rund 600 Millionen Euro kosten, sonst sind es rund 200 Millionen Euro, warnte der SPD-Abgeordnete Peter Kurth. „Alles zurückzuzahlen ist weder finanzierbar, noch gerecht.“
Und Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) sagte: „Es wird in diesem Land keinen einheitlichen Königsweg geben. Denn es ist kein flächendeckendes Problem in Brandenburg.“ Es müsse zudem erst der zweite Teil eines Gutachtens abgewartet werden, von dem Empfehlungen zu Rückzahlungen erwartet werden. Der soll im Spätsommer vorliegen. Schröter kündigte eine anschließende Mammutkonferenz zum weiteren Vorgehen an, „mit allen Landtagsabgeordneten sowie den Vertretern der Zweckverbände und der Kommunen“. Er wies Forderungen nach einem Runderlass seines Ministeriums zurück, um alle Zweckverbände zur Rückzahlung der Gelder zu bewegen. Das Land dürfe gar nicht zentralistische Vorgaben machen, es gehe um kommunale Selbstverwaltung.
„Es ist eine Schande, wie Sie sich vor der Verantwortung drücken“, sagte dazu der Abgeordnete Péter Vida (BVB/Freie Wähler). Das Ministerium habe schließlich auch Rundschreiben verschickt, in denen Zweckverbände vor einer Rückzahlung der Anschlussgebühren an Betroffene mit bestandskräftigen Entscheidungen gewarnt wurden. Ähnlich argumentierte auch der AfD-Abgeordnete Sven Schröder: „Die Zweckverbände dürfen nicht allein gelassen werden – das Land trägt durch seine Gesetzgebung Mitverantwortung.“
Anders als die SPD hat sich die Linke bereits positioniert, dass auch das Land in der Pflicht ist, die Zweckverbände mit der teuren Altlast nicht im Stich zu lassen. Im Gegensatz zu Schröter, der sich dazu nicht äußerte, sagte der Linke-Abgeordnete Hans-Jürgen Scharfenberg: „Das wird sich auch im Haushalt niederschlagen.“ Scharfenberg warnte vor übereilten Entscheidungen. Die habe es in der Vergangenheit schon zu oft gegeben. „Wir dürfen nicht neue Fehler machen.“
Die Grünen-Abgeordnete Ursula Nonnemacher sprach von einer „Tragik des Rechtsstaates“. Die Materie sei „extrem schwierig“, wozu eine „eigentümliche Rechtsprechung“ der hiesigen Gerichte – Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg und Landesverfassungsgericht – beigetragen hätte. An deren Vorgaben hätten sich Zweckverbände, Kommunen und Landesebene gehalten, ehe das Bundesverfassungsgericht alles für rechtswidrig erklärte. Der Kern bestehe darin, dass nur nicht bestandskräftige Bescheide rückabgewickelt werden müssen, was diejenigen, die bezahlt haben, benachteilige. „Der Ehrliche ist der Dumme.“ Daher treten auch die Grünen dafür ein, eine Rückzahlung an alle im Sinne der Befriedung des Landes als „Option ernsthaft zu prüfen“. Und Péter Vida von den Freien Wählern, deren Wahlerfolg 2014 auch mit dem Frust über die Abwasserpolitik zusammenhing, erinnerte daran, dass auch von der Politik damals die Aufforderungen zur Zahlung der Beiträge gekommen seien. Jetzt den Leuten zu sagen, dass sie ja Widerspruch einlegen können, sei eine Sauerei. „So kann man mit Bürgern nicht umgehen. Das kann keine soziale, keine sozialdemokratische, keine linke Politik sein.“
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität