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Interview nach Waldbrand bei Fichtenwalde: „Kameraden hatten Angst in den Augen“

Sebastian Klamt löschte den Großbrand bei Fichtenwalde. Als er mit acht weiteren Kameraden vor Ort ankam, waren die Flammen 15 bis 20 Meter hoch. Seine Eindrücke und Lehren aus dem Einsatz.

Herr Klamt, Sie waren auf dem ersten Löschfahrzeug, das den Waldbrand bei Fichtenwalde erreichte. Wie lief das ab?

Die erste Meldung bekam ich von einem Kameraden aus Werder über Whatsapp. Die Feuerwehr dort wurde zuerst gerufen und näherte sich dem Brand von der Autobahn. Wir wurden neun Minuten später alarmiert und sind sofort mit zwei Löschfahrzeugen ausgerückt. Wir haben den Weg von der Gemeindeseite gewählt.

Wie muss man sich den Brand zu diesem Zeitpunkt vorstellen?

Es war sehr brisant. Die Flammen waren 15 bis 20 Meter hoch und breiteten sich rasend aus. Wir hielten rund 30 Meter vor dem Feuersaum und wollten mit dem Löschen beginnen, da hatte uns das Feuer schon erreicht. Zweimal mussten wir uns zurückziehen. Ich habe dann sofort jedmögliche Verstärkung angefordert.

Haben Sie so etwas schon einmal erlebt?

Ich glaube nicht. Ich hatte größten Respekt und habe auch Angst in den Augen meiner Kollegen gesehen. Wir waren anfangs nur zu neunt. Da fühlt man sich absolut allein. Dramatisch wurde es, als wir für einen Augenblick Kontakt zu einigen Kameraden verloren, die vom Feuer überrascht wurden und im Rauch die Orientierung verloren hatten. Mit einem Löschfahrzeug konnten wir sie aber befreien. Es war äußerst gefährlich.

Das klingt nicht so, als ob sie auf die Situation vorbereitet waren.

In der Anfangsphase war es enorm schwierig, eine Koordination herzustellen. Es war großes Glück, dass die Einsatzkräfte an mehreren Stellen eintrafen, geplant war das nicht. Die erste Zeit wusste niemand genau, wo welche Löschzüge waren und wie weit sich das Feuer ausgebreitet hatte. Das ist bei Bränden dieser Dimension aber normal, man kann nicht bei jedem Alarm direkt 40 Löschfahrzeuge ausrücken lassen. Später war die Koordinierung dann sehr professionell.

Inzwischen gibt es eine politische Diskussion, ob die Feuerwehren für Waldbrände ausreichend ausgerüstet sind. Wie war Ihr Eindruck in Fichtenwalde?

Es waren extreme Bedingungen, nicht zuletzt durch die Munition im Boden. Es kam aber modernste Technik zum Einsatz und wir konnten schnell viele Feuerwehrkräfte abrufen. Zumindest in der Gemeinde Beelitz sind wir gut ausgerüstet.

Es gibt Bilder von Feuerwehrmännern, die oberkörperfrei löschen. Waren die Schutzanzüge zu schwer?

Es gibt generell zwei Arten von Feuerwehr-Schutzbekleidung. Eine schwere für Atemschutzgeräteträger, welche nur für die Gebäudebrandbekämpfung ausgebildete Kameraden bekommen. Die leichte Schutzkleidung hat in Brandenburg standardisiert jeder Feuerwehrmann. Die Temperaturen waren aber enorm, deswegen erlässt die Einsatzleitung immer dann eine sogenannte Marscherleichterung, wenn sichergestellt ist, dass es keinen Funkenflug und offene Flammen mehr gibt.

Experten, aber auch die Grünen fordern nun, dass der Bund ein Löschflugzeug anschaffen sollte. Halten Sie das für sinnvoll?

Was will der Bund in Hitzesommern wie diesem mit einem Löschflugzeug? Wenn, dann bräuchte es eine Staffel mit mindestens sechs Flugzeugen. Ob sich das wirtschaftlich lohnt, bezweifle ich. Im Moment erleben wir solche Sommer nur alle fünf bis acht Jahre.

Die Löschhubschrauber, die bei Fichtenwalde zum Einsatz kamen, waren aber doch hilfreich.

Die Unterstützung hat uns sehr geholfen. Der erste Hubschrauber der Bundespolizei kam aber erst am Abend, der von der Bundeswehr dann in der Nacht. Da sollte man darüber nachdenken, ob das Innenministerium für solche Lagen nicht einen schnelleren Zugriff sicherstellen sollte.

Hätte man präventiv einen solchen Brand verhindern können?

Es wird immer Waldbrände geben, aber natürlich kann man das Risiko weiter senken. In Fichtenwalde haben wir eine hohe Bodenvegetation erlebt, das war zusätzliches Futter für die Flammen. Da wäre Waldweide, bei der Tiere die Vegetation niedrig halten, eine Alternative. Aber auch über Waldbrandriegel sollten wir nachdenken. Wo schwer brennbare Eichen und Buchen dicht gepflanzt werden, geht im Prinzip kein Waldbrand durch.

Für die Waldweide hat sich auch der Feuerökologe Johann Goldammer ausgesprochen. Er beklagt, dass die Ausbildung der deutschen Feuerwehren zu wenig auf Waldbrände fokussiert sei. Wie sehen Sie das?

Die Brandbekämpfung wird in der Ausbildung nicht vernachlässigt. Natürlich gibt es lokale Stärken. Wehren, die Autobahnabschnitte besetzen, fokussieren sich mehr auf das Bergen, wir in Beelitz frischen jährlich die Ausbildung der Vegetationsbrandbekämpfung auf. Das hat uns in Fichtenwalde sehr geholfen.

Klimabedingt prognostizieren Experten, dass Deutschland ein Waldbrandland wird. Müssen wir nicht jetzt reagieren?

Sollte es feste Anhaltspunkte geben, dass die Forscher recht haben und wir häufiger Waldbrände haben, müssen Teile der Feuerwehr umstrukturiert oder ergänzt werden. Dann bräuchten wir Löschflugzeuge oder Hubschrauber, die schnell vor Ort sind und Einheiten, die auf Flächenbrände spezialisiert sind.

Also wie in Spanien, wo Waldbrände von Spezialkräften bekämpft werden?

Das sind hochausgebildete Einheiten, die beim Forst angesiedelt sind. Ich bin oft auf Mallorca und habe erlebt, wie effektiv die sein können. Es sind aber kleine Einheiten, wenn es dort flächendeckend brennt, haben die keine Chance. Bei uns sind in kurzer Zeit 400 bis 500 Feuerwehrkräfte im Einsatz. Diese Dichte ist weltweit fast einmalig und unsere größte Stärke.

Noch! Bei den Freiwilligen Feuerwehren im Land sank die Zahl der Mitglieder in den vergangenen 15 Jahren um 12 000 Personen.

Das ist für uns die größte Herausforderung, hier muss die Politik handeln. Die vorgeschlagenen Prämien werden nicht reichen. Im Moment gibt es noch zu viele Schlupflöcher für Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter nicht abstellen wollen. Wir bräuchten bei dieser Witterung wieder eine Sitzbereitschaft wie in der DDR, denn aktuell ist das alles viel zu lasch.

Ein Grund für den Rückgang könnte aber auch in der mangelnden Wertschätzung Ihrer Arbeit liegen, oder?

Punktuell, wie jetzt in Fichtenwalde, wird unsere Arbeit größtmöglich honoriert - immer öfter die Ausnahme. Wenn wir auf den Autobahnen zu Rettungseinsätzen fahren, werden wir teils übelst verflucht. Das können wir nicht verstehen und es sorgt für viel Frust. Man überlegt sich dann schon, warum man sich das antut. Trotzdem liegt unser Fokus dann letztlich auf denen, die gerettet werden müssen.

Sebastian Klamt ist Ortswehrführer der Feuerwehr Fichtenwalde und war im ersten Einsatzwagen. Hauptamtlich arbeitet der 36-Jährige für die Feuerwehr in Brandenburg/Havel

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Bericht: Einsatzleiter beklagt Unwissenheit der Feuerwehr beim Löscheinsatz in Fichtenwalde.

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