Serie zur Landtagswahl 2019: „Irgendwann ist Schluss“
Wegen steigender Mieten fürchten auch in Brandenburg viele Menschen verdrängt zu werden – vor allem im Berliner Speckgürtel. Peter Streich aus Elstal wehrt sich nun.
Herr Streich, Sie wohnen in Elstal, einem Ortsteil von Wustermark, unweit von Berlin. Woran merken Sie, dass Sie „im Speckgürtel“ leben?
Ganz einfach daran, dass immens viel gebaut wurde in den letzten Jahren. Richtige Grünflächen sind eigentlich nicht mehr vorhanden. Früher konnte man morgens noch Rehe sehe. Das ist jetzt vorbei.
Vor fünf Jahren hatte Elstal noch gut 3400 Einwohner, jetzt sind es fast 1000 mehr. Was macht den Ort so attraktiv?
Wir haben ein großes Naturschutzgebiet vor der Tür, die Döberitzer Heide, da ist natürlich noch viel grün. Und Elstal ist verkehrsgünstig angebunden. Bis zur Berliner Stadtgrenze sind es noch nicht mal zehn Kilometer, mit der Bahn ist man in 20 Minuten in Spandau.
Wie haben Sie die Veränderungen in Elstal miterlebt?
Ich bin Ur-Elstaler, 1964 im Ort geboren, hier groß geworden. Damals war hier noch Wald, Wald, Wald. Es war wunderschön. Nach der Wende wurden Schilder aufgestellt: „Wohnen im grünen Elstal“, jetzt haben sie das grün rausgestrichen, jetzt steht da nur noch „Wohnen in Elstal“.
Wer kommt überwiegend?
Junge Leute, viele Berliner, die kaufen sich ein Grundstück und dann wird gebaut.
Was wird gebaut?
Meistens Eigentumswohnungen. Auf einem riesengroßen Feld haben sie innerhalb eines Jahres 80 Häuser raufgekloppt: Haus an Haus, Eigentum an Eigentum. Und es ist auch kein Ende in Sicht. Überall entstehen neue Wohnungssiedlungen. Vor ein paar Jahren haben sie uns ein Outlet-Center hier hingestellt. Jetzt sanieren sie auch noch das Olympische Dorf.
Dort, wo 1936 die Sportler für die Olympischen Spiele untergebracht waren. Was ist daran verkehrt?
An sich nichts, aber es entstehen da überwiegend Luxuswohnungen. Das ist das Problem in Elstal: Je mehr teure Wohnungen entstehen, desto mehr wollen die Immobiliengesellschaften auch bei den Bestandsmieten in den anderen Siedlungen was draufschlagen.
Wie ist denn der Zustand Ihrer Wohnung?
Seit 20 Jahren wurde nichts modernisiert. Der Fußboden und die Scheuerleisten sind teilweise kaputt. Das ist nicht so der Zustand, den man sich eigentlich vorstellt.
Wie hoch ist Ihre Miete?
Wir zahlen 661 Euro, kalt, für eine Drei-Zimmer-Wohnung mit 81 Quadratmeter.
Das klingt ja noch halbwegs moderat.
Mag sein, aber wir haben in den letzten drei Jahren jeweils Mieterhöhungen von 20 Prozent bekommen. Und es wird noch weitergehen.
Warum?
Weil unsere Siedlung, die Scharnhorstsiedlung, verkauft worden ist.
An wen?
Gerüchten zufolge an eine Tochtergesellschaft der Deutschen Wohnen. Die soll sich auch die Eulenspiegelsiedlung einverleibt haben.
Aber es ist doch nur ein Gerücht.
Das hat uns ein Kommunalpolitiker versichert. Ich habe auch bei der Deutschen Wohnen angefragt, aber die wissen natürlich von nichts.
Und jetzt fürchten Sie steigende Mieten?
Klar, dafür ist die Deutsche Wohnen doch bekannt, dass sie die maximale Mietsteigerung rausholen, alle drei Jahre die 20 Prozent draufschlagen. Und dass sie auch Sanierungen machen, die nicht notwendig sind. Es sind halt Miethaie, die wir hier nicht wollen.
Noch ist ja nichts passiert. Und Sie haben doch selbst gesagt, dass Ihre Wohnung in einem schlechten Zustand ist. Wäre eine Modernisierung da nicht angebracht?
Wir haben doch gesehen, was die Deutsche Wohnen in Berlin macht. Es ist ja auch nicht nur die Miete, die steigt, die Nebenkosten steigen ja auch. So kann man doch nicht leben auf Dauer, das geht doch nicht. Wenn mein Gehalt so steigen würde, wie die Miete, na toll, dann würde ich mich freuen.
Wer wohnt denn überwiegend in den Siedlungen?
Ich würde mal sagen, ganz normale Mittelschicht, auch ein paar Hartz-IV-Empfänger. Aber durch die Mietsteigerungen der letzten Jahre werden die immer mehr verdrängt. Die meisten können es sich nicht mehr leisten, hier in Elstal zu wohnen, wo es noch ein bisschen grün ist. Die müssen dann noch weiter wegziehen. Da geht dann auch ein Stück Lebensqualität verloren.
Was haben Sie unternommen?
Wir haben im Mai eine Mieterinitiative gegründet, der harte Kern besteht aus zwölf Leuten. Wir fragen uns jetzt erst einmal, wie wir unser Gesicht wahren können. Den Verkauf der Siedlungen verhindern, kann man nicht mehr. Aber wir wollen uns nicht alles gefallen lassen. Wenn der neue Vermieter kommt, wollen wir mitreden. Wir haben eine Petition aufgesetzt und 505 Unterschriften gesammelt. Die haben wir der Gemeindevertretung übergeben.
Was sind Ihre Forderungen?
Die Kommune sollte die Wohnsiedlungen kaufen. Zumindest teilweise. Irgendwie muss es ja reguliert werden.
Was kann die Landespolitik tun?
Sie könnte einen Mietspiegel für ganz Brandenburg einführen. Dann könnten die Vermieter nicht permanent tun, was sie wollen. Außerdem sollte sie mehr sozialen Wohnraum schaffen und der Kommunalpolitik mehr Einflussmöglichkeiten auf den Wohnungsmarkt und den Wohnungsneubau geben. Für uns in der Gemeinde Wustermark wäre es auch wichtig, wenn die Kappungsgrenzenverordnung auf unsere Gemeinde ausgeweitet werden würde.
Was würde das bedeuten?
Dann könnten die Mieten in den nächsten drei Jahren um nicht mehr als 15 Prozent steigen.
Eine Art Mietendeckel light also. Das Thema Wohnen scheint im Brandenburger Landtagswahlkampf nicht von großer Bedeutung. Das liegt vielleicht auch daran, dass die Mieten im Speckgürtel bislang eher moderat gestiegen sind.
Jemand, der in Berlin arbeitet und einen guten Job hat, der wird darüber lachen, weil die Mieten in Berlin noch viel höher sind. Aber da hat man ja auch bessere Löhne und eine bessere Infrastruktur. Da kannste dir abends noch einen Döner oder eine Pizza holen, das kannste hier nicht.
Sie sagten, Sie zahlen 661 Euro Miete. Können Sie das noch stemmen?
Ja, können wir noch. Aber wenn das jetzt alle drei Jahre weitergeht mit 20 Prozent, wird es knapp. Dann liegen wir bald bei 900 Euro, dann kommen noch die Betriebskosten dazu und irgendwann ist Schluss.
Und dann?
Dann müssten wir uns irgendwo anders eine günstige Wohnung mieten. Aber die Preise steigen ja überall. Wenn man immer weiter rauszieht, wird man auch keine Arbeit mehr in Berlin bekommen. Wo sollen wir dann hin?
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