Brandenburg: Immer mehr Islamisten in Brandenburg Verfassungsschutz jedoch bei Terrorabwehr durch Landesgesetz beschränkt. Opposition fordert Novelle
Potsdam - Die Zahl der Islamisten in Brandenburg steigt. Bis Mitte 2017 hatten die Sicherheitsbehörden bereits 130 Islamisten registriert, „die Tendenz ist weiter steigend“, heißt es in einer Antwort des Innenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der CDU-Landtagsfraktion.
Potsdam - Die Zahl der Islamisten in Brandenburg steigt. Bis Mitte 2017 hatten die Sicherheitsbehörden bereits 130 Islamisten registriert, „die Tendenz ist weiter steigend“, heißt es in einer Antwort des Innenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der CDU-Landtagsfraktion. Bis Ende 2016 waren es noch 100 Islamisten im Land. Mit 51 kommen die meisten aus der russischen Föderation, vornehmlich aus dem Kaukasus, konkret Tschetschenien. 40 kommen aus Syrien und 16 aus Afghanistan.
Die Zahl der sogenannten islamistischen Gefährder, denen jederzeit eine Gewalttat oder ein Terroranschlag zugetraut wird, liegt weiterhin im unteren zweistelligen Bericht. Bislang war von unter 20 die Rede. Daneben gibt es im Bereich des Islamismus und des Rechtsextremismus knapp zehn „relevante Personen“, das sind Führungskader, Unterstützer, Logistiker und andere Akteure. Die Mehrzahl der Islamisten mit Wohnsitz in Brandenburg sind laut Innenministerium „irreguläre Migranten“, die sich nach Berlin orientierten und in Einzelfällen Kontakte ins Ausland pflegten. Gefährder und relevante Personen „im niedrigen einstelligen Bereich“ sitzen laut Innenministerium in Haft.
Die Sicherheitsbehörden beobachten nur wenige Versuche von Islamisten, in Brandenburg Nachwuchs zu rekrutieren. Ein Beispiel ist der Verein „Sächsische Begegnungsstätte“, der der Muslimbruderschaft nahesteht und in Brandenburg versucht hat, eine Moscheegemeinde aufzubauen. Ein Gebetsraum wurde eingerichtet, doch Bestrebungen zur Radikalisierung sind dem Verfassungsschutz bislang nicht bekannt. Auch sonst seien bei der vermehrten Einrichtung von Gebetsstätten im Land, die von der Religionsfreiheit des Grundgesetzes gedeckt sei, keine extremistischen Predigten und radikalen Tendenzen bekannt geworden.
Einige Fälle gibt es dennoch: In einem Asylbewerberwohnheim seien Flyer der Al-Nur Moschee, „einem salafistischen Hotspot in Berlin“, festgestellt worden. Zudem hätten sich Islamisten „quasi als Sozialarbeiter“ betätigt und „durch Dienstleistungen zumindest zur Rekrutierung beigetragen“. Dabei sei es um Beratung und Begleitung im Umgang mit Behörden, Dolmetscher- und Übersetzertätigkeiten, religiöse Missionierung, Streitschlichtungen zwischen Muslimen, Vermittlung von salafistischen Anlaufadressen und Ansprechpartnern in Berlin gegangen.
Islamistische Extremisten träten in Brandenburg bislang vereinzelt auf, seien aber vernetzt, teilte das Innenministerium mit. Organisierten Netzwerke des Islamischen Staats (IS) oder anderer im syrisch-irakischen Grenzgebiet aktiver Terrororganisationen gebe es in Brandenburg bislang nicht
Einzelne hätte jedoch im Namen des IS und dessen Partnergruppen „Radikalisierungs- und Rekrutierungshandlungen“ vorgenommen und für die Ausreise in das Einflussgebiet des IS geworben. Auch wurden Geldtransfers - möglicherweise für den IS - in die Kriegsregionen registriert. Zudem gebe es konkrete Anhaltspunkte dafür, dass in Brandenburg Personen aktiv sind, die dem IS und der „Jabat Fatah as-Sham“, die bis Mitte 2016 al-Qaida nahestand, dann dem IS, zuzurechnen sind. Die Erkenntnisse ziehen die Behörden aus Ausreisen in die Kampfgebiete und aus Fotos von Personen, die mit der IS-Fahne oder beim Zeigen des „Tauhid“-Fingers, dem IS-Gruß, zu erkennen sind.
Das Innenministerium hat in Reaktion auf den wachsenden Extremismus Staatsschutz und Verfassungsschutz wieder aufgestockt. Statt um die 154 Stellen in den Jahren zuvor waren es bis Mitte 2017 genau 186 Stellen, davon drei unbesetzt. Auch das Landeskriminalamt (LKA) ist gestärkt worden – im Bereich Islamismus um 20 Beamte, bei Staatsschutz und Terrorabwehr um weitere 20 Beamte, wovon elf allein mit Islamismus befasst sind.
Beim Verfassungsschutz soll es künftig 93 Stellen geben, nachdem Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) wegen der angespannten Sicherheitslage den Druck auf die Koalition, insbesondere auf die Linke als Koalitionspartner deutlich erhöht hatte. Bislang sind es nur 90 Stellen beim Verfassungsschutz, davon sind aber vier nicht besetzt. Verstärkung kommt von der Polizei. Es werden immer mehr Beamte zum Verfassungsschutz abgeordnet, 2011 waren es noch sechs, aktuell sind es 14.
Einziges Problem für den Verfassungsschutz, für den Minister Schröter längst eine Gesetzesnovelle mit erweiterten Befugnissen vorlegen wollte: Der Behörde ist bei der Terrorabwehr weniger erlaubt als in anderen Bundesländern und im Bund. Zwar dürfen Brandenburgs Behörden standardmäßig Daten in der Anti-Terror-Datei speichern, Gefährderansprachen durchführen, bei Bedarf observieren, die Telekommunikation überwachen.
Doch das Innenministerium listet nun auf, was der Verfassungsschutz in Brandenburg alles nicht darf. Dazu gehört der Einsatz von sogenannten Imsi-Catchern, um den Standort eines Handys zu bestimmen und es abzuhören. Auch der verdeckte Zugriff „auf informationstechnische Systeme“ ist nicht erlaubt. Besondere Auskunftsverlangen gegenüber Luftfahrtunternehmen, Kreditinstituten, Finanzdienstleistern oder Telekommunikationsdiensten sind nicht möglich, ebenso können keine Bestandsdaten von den Telekommunikationsdiensten abgefragt oder eine Wohnraumüberwachung durchgeführt werden.
Der Innenexperte der CDU-Fraktion Björn Lakenmacher, einst selbst BKA-Beamter, warf der Landesregierung vor, zentrale Staatsaufgaben zu vernachlässigen. Die Sicherheitsarchitektur bleibe hinter den Notwendigkeiten zurück. Dabei seien seit Jahren „Anstiege bei gewaltbereiten Personen im rechts- und linksextremistischen Bereich“ und beim religiös motivierten Extremismus zu beobachten. Die Landesregierung schaffe es nicht, für ausreichend Personal bei Verfassungsschutz und Polizei zu sorgen. „Die Personaldecke ist so dünn, dass eine umfassende Observierung selbst bei einzelnen Gefährdern kaum noch zu leisten ist.“ Zudem seien Polizei- und Verfassungsschutzgesetz nicht mehr zeitgemäß und müssten überarbeitet werden. „Wir müssen unseren Sicherheitsapparaten das Handwerkszeug geben, das in Bund und anderen Bundesländern längst Standard ist“, sagte Lakenmacher. „Brandenburg hat bei der Inneren Sicherheit den Anschluss verloren und muss dringend aufholen.“
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