Rechtsextremismus in Cottbus: „Hochgradig gewaltorientiert“
Cottbus ist das Zentrum der rechtsextremistischen Szene in Brandenburg. Die PNN zeigen, wie breit die rechte Szene vor Ort inzwischen aufgestellt ist. Ein Überblick.
Cottbus, die kreisfreie Stadt im Süden Brandenburgs, zählt etwas mehr als 100 000 Einwohner, ist Universitätsstadt – und nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden ein Hotspot der rechtsextremistischen Szene im Land. Fast jede fünfte der 2016 in Brandenburg verübten 167 rechten Gewalttaten registrierte der Verfassungsschutz in der Stadt. 145 Rechtsextremisten zählte die Behörde allein in der Stadt, die umliegenden Regionen nicht eingerechnet. „Die dortige rechtsextremistische Szene ist hochgradig gewaltorientiert“, sagte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) jüngst. „Sie bündelt Neonationalsozialisten, Rocker, Angehörige des Bewachungsgewerbes, Kampfsportler, Hass-Musiker sowie Hooligans.“ Die PNN geben einen Überblick und zeigen, wie die Szene vor Ort aufgestellt ist.
Hooligans
Eine Machtdemonstration der Neonazi-Szene erlebte Cottbus am 13. Januar: Nachts versammelten sich 120 vermummte Neonazis in der Innenstadt, sie marschierten mit Fackeln durch die Bummelmeile „Sprem“. Die Polizei konnte nichts ausrichten, kam zu spät. Nur drei Neonazis konnten dingfest gemacht werden. In der Folge gründete die Polizei eigens eine Ermittlungsgruppe. Schnell gerieten dabei die rechtsextremen Hooligans des FC Energie Cottbus in den Fokus. Im kürzlich vorgestellten Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2016 werden die Hooligan-Gruppen „Inferno Cottbus“ und ihre Nachwuchstruppe „Unbequeme Jugend“ erstmals als Neonazi-Strukturen aufgeführt, neben Kameradschaften, Bruderschaften und sogenannten Freien Kräften. Zu den beiden Gruppen gehören insgesamt 55 gewaltbereite Fans der „Kategorie B“ und etwa 20 Gewaltsuchende der „Kategorie C“, wie das Innenministerium jetzt auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Fraktion im Landtag antwortete. Damit bewegen sich die Zahlen auf dem Niveau der Vorjahre. Szenebeobachter sagten den PNN, dass auch die Fan-Gruppe „Frontside Cottbus“ vermehrt im Stadtbild präsent ist. Ihre Aufkleber würden zusammen mit Motiven wie „Defend Cottbus“ (siehe „Identitäre Bewegung“) oder „I like HTLR“, was offenbar für Hitler steht, verklebt. Nach Einschätzung des Innenministeriums sind etwa 20 Mitglieder der Gruppe gewaltbereit („Kategorie B“).
Recherchen von PNN und rbb hatten im Mai gezeigt: Die beiden Hooligan-Gruppen „Inferno“ und „Unbequeme Jugend“ haben ein kriminelles Netzwerk aufgebaut, verbreiteten unter den Fangruppen in der Stadt ein Klima der Angst. Gezielt bedrohten sie andere Energie-Fans. Kurz nach den Berichten löste sich „Inferno Cottbus“ nach mehr als 18-jährigem Bestehen auf – offenbar um einem Vereinsverbot zuvorzukommen. Im Fokus der Ermittler stehen sie aber weiter, sagte Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke.
Innenminister Schröter hatte nach den Berichten auch die Vereinsführung des FC Energie Cottbus für sein zu zögerliches Vorgehen gegen die Neonazis in den vergangenen Jahren kritisiert. Inzwischen habe man aber auch im Verein erkannt, „dass es dort ein Problem gibt“, hatte Schröter erklärt. „Es hat sich etwas verändert, man verdrängt das Thema nicht mehr.“ In der Vergangenheit habe es zahlreiche Gespräche und Hinweise der Sicherheitsbehörden gegeben. „Wenn der Verein das nicht umsetzt, muss man sich auch nicht wundern, wenn aus einem kleinen Krebsgeschwür eine große Wucherung entsteht“, hatte der Innenminister gesagt. Eine klare Verbesserung der Situation sei es, dass der Energie-Vorstand Kontakt mit dem Außerdem will der Verein ab 2018 eine hauptberufliche Sachbearbeiterstelle „für Vielfalt und Toleranz“ schaffen.
Aus Sicht der Grünen-Innenexpertin Ursula Nonnemacher greift der Verein gegen die Rechtsextremisten allerdings noch nicht mit ganzer Härte durch. „Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob die Fußballvereine hinreichend von ihrem Hausrecht Gebrauch machen“, sagte sie. Gewalttätige Personen müssten mit Stadionverboten belegt und dies auch „mit aller Konsequenz“ durchgesetzt werden. Insgesamt gibt es laut Innenministerium derzeit 47 Stadionverbote gegen Personen aus der Cottbuser Fanszene. Wie viele davon auf „Inferno“ und die „Unbequeme Jugend“ entfallen, blieb unklar. Die beiden Gruppen sind allerdings mit einem Erscheinungsverbot belegt. Das bedeutet: Ihre Mitglieder dürfen zwar ins Stadion, ihre Gruppensymbole aber nicht zeigen.
Nicht weiter kommentieren wollte das Innenministerium, dass das umstrittene Unternehmen „Ostdeutscher Sicherheitsdienst“ (OSD) weiter für den Ordnerdienst im Stadion des FC Energie Cottbus zuständig ist. Dessen ehemaliger Chef ist vorbestraft, er hatte einen Kripo-Beamten bestochen. Immer wieder wird dem OSD vorgeworfen, vorbestrafte und gewalttätige Hooligans als Ordner einzusetzen. Ebenfalls keine Angaben machte das Ministerium zur Frage, ob der OSD zeitweilig das Subunternehmen „MSM Security“ mit Verbindungen in die örtliche Kickbox-Szene einsetzte. Dazu lägen keine Informationen vor.
Identitäre Bewegung
Erst vor wenigen Wochen, Anfang Juli, hat sich in Cottbus eine Ortsgruppe der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ gegründet. Für das Jahr 2016 war der Verfassungsschutz noch von brandenburgweit 20 Unterstützern der Gruppe ausgegangen. „Der von der ,Identitären Bewegung‘ propagierte Ethnopluralismus ist geeignet, als zunächst wohlklingende Hülse rassistische Überzeugungen zu verdecken und geschönt zu transportieren“, heißt es im Verfassungsschutzbericht.
Seit Monaten tauchen im Stadtbild zudem Aufkleber mit dem Slogan „Defend Cottbus“ („Cottbus verteidigen“) auf, im gleichen Look werden auch Stoffbeutel mit dem Spruch „Cottbus bleibt deutsch“ hergestellt. „Verteidigen“ wollen die Rechtsextremisten dabei Cottbus offenbar vor Zuwanderern. Mitte Juli trug der Anführer der „Identitären Bewegung Berlin-Brandenburg“, Robert Timm, den „Defend Cottbus“-Slogan auf einer Cottbuser Anti-Asyl-Demonstration. Internationale Ableger der Identitären nutzen das Motto „Defend Europe“ für eine Kampagne, mit der sie Flüchtlingsretter auf dem Mittelmeer behindern wollen.
Initiative "Zukunft Heimat"
Seit Ende Mai demonstriert in Cottbus regelmäßig der Verein „Zukunft Heimat“ gegen die Asylpolitik. Zuvor war der Verein, der sich einen bürgerlichen Anstrich gibt, seit 2015 vor allem im Spreewald aktiv gewesen. Berichten der „Lausitzer Rundschau“ zufolge nahmen zuletzt etwa 400 Personen an der Demonstration teil, einen erheblichen Teil sollen dabei örtliche Rechtsextremisten, Hooligans und Kampfsportler ausgemacht haben. Der Verein „bietet dabei Gegnern der Flüchtlingspolitik bis tief in die rechtsextreme Szene eine gemeinsame Aktionsplattform“, heißt es in dem Bericht. Allgemein, ohne konkreten Bezug zu „Zukunft Heimat“, stellt der Verfassungsschutz in seinem Bericht fest: „Besorgniserregend sind insbesondere die Versuche von Rechtsextremisten, bürgerliche asylkritische Demonstrationen zu beeinflussen.“ In den vergangenen zwei Jahren seien die Grenzen zunehmend verwischt worden, an immer weniger Orten bestünden Berührungsängste zwischen Bürgerinitiativen, Rechtspopulisten und Rechtsextremisten. „Für die Öffentlichkeit nicht sichtbar, kümmern sich Rechtsextremisten im Hintergrund um Logistik, Infrastruktur und Planung.“ Die Szene habe schnell gemerkt, dass sie aus der Deckung mehr Personen mobilisieren könne.
Rechtsextreme Hass-Musik
Der Verfassungsschutz erwähnt in seinem Bericht vier rechtsextreme Hass-Musiker aus Cottbus. Hinzu kommt das in der Stadt angesiedelte Musik-Label „Rebel Records“, dieses sorge dafür, dass „rechtsextremistische Bands ihre Botschaften bei Konzerten oder über Tonträger an das Publikum bringen können“. Die aus Cottbus stammende Rechtsrock-Band „Frontalkraft“ spielte demnach im vergangenen Jahr auf fünf Konzerten – in Thüringen, Sachsen und der Schweiz. Die Band „Hausmannskost“ kam auf zwei Konzerte, brachte aber auch zwei neue Platten raus. Vom Verfassungsschutz heißt es: „Alle genannten Musiker verbreiten – teils offen, teils verdeckt – rechtsextremistische, antisemitische sowie fremdenfeindliche Propaganda, hetzen gegen ihre politischen Gegner und Polizisten und stacheln zu Gewalt an.“ Im April 2016 konnten die Behörden außerdem ein in Cottbus geplantes Neonazi-Konzert verhindern. Nicht näher bezeichnete Aktivitäten stellte die Behörde zudem von den beiden aus Cottbus stammenden Neonazi-Liedermachern „Sten“ und „AK-Solingen (47)“ fest.
NPD
Der Kreisverband Lausitz der NPD, der in der Region Cottbus aktiv ist, zählt laut dem Verfassungsschutzbericht „zu den aktiveren Kreisverbänden“ der NPD in Brandenburg. Den Angaben zufolge hat er 65 Mitglieder, Facebook dient dem Verband der verfassungsfeindlichen Partei als zentrales Kommunikationsmittel. Im Dezember 2016 verteilten ihre Anhänger Pfefferspray vor einem Cottbuser Einkaufszentrum. Außerdem veranstaltet die Partei immer wieder Infostände und Stammtische. Abgesagt hat die NPD in diesem Jahr aber ihre bisher traditionelle Gedenkdemonstration anlässlich der Bombardierung von Cottbus durch die Alliierten im Zweiten Weltkrieg. Im vergangenen Jahr konnte die Partei nur noch 47 Anhänger mobilisieren.
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