Bald beitragsfreie Kindertagesstätten in Brandenburg?: Gratis-Kita für SPD kein Tabu mehr
Der Druck in Brandenburg wächst – durch Elterninitiativen, den Linke-Koalitionspartner und das Vorbild Berlin. Nun wollen die Sozialdemokraten 2017 ein Stufenkonzept für den Einstieg die Beitragsfreiheit vorlegen.
Potsdam – Nun stellen auch Brandenburgs Sozialdemokraten die Weichen für beitragsfreie Kindertagesstätten. Sie wollen bei der Förderung der Kindertagessstätten im Land nachlegen, bei der das Land etwa gegenüber Berlin deutlich hinterherhinkt. Nach einem den PNN vorliegenden Beschlussentwurf für den Landesparteitag im Oktober wird nun erstmals eine Kita-Beitragsfreiheit wie in Berlin, was für die Regierungspartei bislang ein Tabu war, als Ziel angepeilt. Eine entsprechende Vorlage haben der Landesparteivorstand und die Landtagsfraktion am Mittwochabend auf einer gemeinsamen Klausur in Neuruppin einstimmig beschlossen.
Danach soll bis Herbst 2017 „ein Stufenkonzept für den Einstieg in die Beitragsfreiheit und die weitere Verbesserung der Betreuungsqualität“ erarbeitet werden – und darüber dann auf einem Parteitag entschieden werden. Und kurzfristig soll die Betreuung der Kitas verbessert werden. Und zwar, indem „noch in der laufenden Legislaturperiode“ zusätzliches Geld für die Kita-Leitung zur Verfügung gestellt wird, „unabhängig von der Kita-Größe“. Dies verbessere die Qualität der Kitas und die Betreuungssituation, heißt es.
Innerparteilicher Konflikt entschärft
Das Papier „Brandenburg – unser Plan für Bildung“ war am Mittwochabend auf der SPD-Klausur in erstmals vorgestellt und diskutiert worden. Damit wurde der innerparteiliche Konflikt der letzten Wochen rechtzeitig vor dem Landesparteitag im Oktober entschärft.
Verfasst hat es die Arbeitsgemeinschaft für Bildung (AfB), geführt von der Bildungsexpertin Manja Schüle, die als Büroleiterin von Bildungsminister Günter Baaske arbeitet. Zu den Mitautoren gehören die Vorsitzenden von drei mitgliederstarken und damit einflussreichen Unterbezirken, nämlich der Potsdamer Sozialbeigeordnete Mike Schubert, der Landtagsabgeordnete Erik Stohn (Teltow-Fläming) und Staatssekretär Martin Gorholt (Havelland).
Den Anstoß gab ein Antrag der Havelland-SPD
Die Kita-Debatte war durch einen weitgehenderen Vorstoß aus dem Gorholt-Unterbezirk Havelland ausgelöst worden, der unter dem Druck von Elterninitiativen der Region in einem Antrag für den Parteitag „die Einführung des beitragsfreien Vorschuljahres im gesamten Land Brandenburg noch in dieser Legislaturperiode“ fordert – so wie es zuvor auch der Koalitionspartner Die Linke getan hat. Damit hat sich dieser Antrag für den Landesparteitag der Sozialdemokraten höchstwahrscheinlich erledigt.
Bislang hatte sich Ministerpräsident und Landesparteichef Dietmar Woidke zu beitragsfreien Kitas skeptisch geäußert. Im PNN-Sommerinterview hatte er dazu gesagt: „Aber ich bleibe dabei, ein beitragsfreies Kita-Jahr zu Lasten der Qualität der Kinderbetreuung darf es nicht geben. Wir müssen erst in die Kitas investieren, zuerst den Betreuungsschlüssel weiter verbessern.“ Nun schwenkt auch er aus Rücksicht auf die Stimmung in der Partei ein.
SPD will gegen Flickenteppich bei Kita-Beiträgen vorgehen
Der Druck in und außerhalb der SPD wächst. So wird in dem Beschluss-Papier der landesweite „Flickenteppich der Kita-Beiträge“ – eine Folge der Kommunalzuständigkeit – problematisiert: „Wir dürfen die Beitragsgerechtigkeit nicht aus dem Blick verlieren.“ Weiter heißt es: Dass Mindeste sei die Verständigung auf landesweite Standards mit empfehlendem Charakter. Zudem wird vom Bund gefordert, eine Regelfinanzierung für eine beitragsfreie Kita einzuführen. Wenn der Bund dieser Verpflichtung nicht nachkomme, „werden die brandenburgischen Sozialdemokraten die Debatte über den Einstieg in die Beitragsfreiheit führen. Wir werden ein Modell entwickeln, das die Familien entlastet und die Bildungsinstitution Kita stärkt.“
Denn nicht nur innerhalb Brandenburgs, auch in der Hauptstadtregion wird das Gefälle immer größer. In Berlin, wo seit einigen Jahren schrittweise die Beitragsfreiheit eingeführt wurde, werden Eltern ab 2018 überhaupt nichts mehr für die Kitabetreuung ihrer Kinder bezahlen müssen. Die Berliner SPD will als nächstes beitragsfreie Horte einführen.
In Brandenburg besuchen 57 Prozent der unter Dreijährigen und 98 Prozent der Drei- bis Sechsjährigen eine Kita, für die SPD ein Wert an sich: „Damit stehen wir bundesweit an der Spitze.“ Und die jüngste beschlossene Verbesserung des Kita-Betreuungsschlüssels – auf eine Erzieherin für fünf Kleinstkinder in den Krippen – und die Absenkung auf 1:11 bis 2018 in den Kitas (Ist: 1:12) wird als „Quantensprung“ beschrieben. Im bundesweiten Vergleich gehört Brandenburg mit diesen Kita-Gruppengrößen allerdings bisher zu den Schlusslichtern.
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