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2162 Brandenburger Polizisten wurden im vergangenen Jahr Opfer von Straftaten.
© Carsten Rehder/dpa (Archiv)

Kriminalitätsstatistik 2019: Gewalt gegen Polizisten hat stark zugenommen

Die Kriminalität in Brandenburg ist insgesamt auf ein Rekordtief gesunken. Aber: Die Gewalt gegen Beamte hat stark zugenommen, wie die Statistik zeigt.

Potsdam - Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) und der amtierende Polizeipräsident Roger Höppner stellten am Mittwoch in Potsdam die Kriminalitätsstatistik 2019 vor. Die Zahl der registrierten Straftaten ist zum sechsten Mal in Folge gesunken – auf den niedrigsten Stand seit Bestehen des Landes. Insgesamt wurden 171828 Straftaten gezählt, bei minimal auf 56,3 Prozent gestiegener Aufklärungsquote. Das entspricht einem Rückgang von 1000 Straftaten (0,6 Prozent) gegenüber dem Vorjahr. Negative Entwicklungen gibt es allerdings bei der Gewalt gegen Polizisten sowie bei Rauschgiftdelikten. Senioren werden zudem immer öfter Opfer von Betrügern. Ein Überblick über die wichtigsten Befunde.

Gewalt gegen Polizisten

Innenminister Stübgen spricht angesichts eines Anstiegs bei Körperverletzungen von einer „zunehmenden Verrohung von Teilen der Gesellschaft“, die sich besonders in einem Phänomenbereich zeige: der steigenden Zahl von Angriffen auf Polizisten. Im vergangenen Jahr wurden 1262 Fälle registriert, 283 mehr als noch 2018 (plus 28,9 Prozent). Dabei wurden 2162 Polizisten Opfer von Straftaten, 454 mehr als im Jahr zuvor. In 60 Prozent der 1255 aufgeklärten Fälle standen die Tatverdächtigen unter Alkoholeinfluss.

Angriffen sind Beamte sowohl in der Öffentlichkeit, etwa bei Demonstrationen oder Verkehrskontrollen, aber auch bei Einsätzen in Privaträumen ausgesetzt. So zum Beispiel im Dezember 2018 in Oranienburg: Unter dem Vorwand, im Haus befänden sich Einbrecher, wurden Polizisten zu einer Wohnung gerufen. Dort habe ein Deutscher Mitte 20 einen Polizisten von hinten mit dem Messer angegriffen, so Höppner. Der Fall ging als versuchter Mord in die Statistik 2019 ein. Ein anderes Beispiel: Im September 2018 drohte ein Radfahrer ebenfalls in Oranienburg bei einer Verkehrskontrolle damit, die Polizisten zu töten und zückte ein Cuttermesser.

Zum besseren Schutz der Polizisten sollen diese noch im ersten Halbjahr 2020 in einem Pilotprojekt mit kleinen Videokameras am Körper, sogenannten Bodycams, sowie Elektroschockern (Tasern) ausgerüstet werden. Das Polizeigesetz ermögliche den Einsatz dieser Geräte, von denen er sich eine deeskalierende, abschreckende Wirkung erhoffe, so Stübgen. Taser waren bislang den Sondereinsatzkommandos vorbehalten, nun sollen sich auch von Polizisten im Wach- und Wechseldienst mitgeführt werden. Darüber hinaus würden die Beamten weiter geschult, um auf Angriffe im Einsatz besser vorbereitet zu sein. „Es wird ein verändertes gesellschaftliches Klima spürbar, in dem die Hemmschwellen für verbale wie körperliche Aggression sinken“, sagte die innenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Inka Gossmann-Reetz. „Hier sind wir als Politik, aber auch als Gesellschaft gefordert, eine klare Kante gegen Gewalt an unseren Einsatzkräften zu zeigen“, betonte der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Björn Lakenmacher, der selbst Polizist ist.

Gewaltkriminalität

Nicht nur die Gewalt gegen Polizisten ist ein Problem in Brandenburg, die Gewaltkriminalität insgesamt ist mit 5018 Fällen um 2,4 Prozent gestiegen. Sowohl Körperverletzungs-, als auch Raubdelikte und Vergewaltigungen haben zugenommen. 38 Fälle von versuchtem Totschlag oder Totschlag wurden registriert – 13 mehr als im Vorjahr. Zudem wurden 18 Morde beziehungsweise versuchte Morde verzeichnet – sechs mehr als im Jahr zuvor. Wie im Vorjahr wurden auch 2019 zwei Fälle von Körperverletzung mit Todesfolge gezählt.

Diebstahl

Der Rückgang der Gesamtstraftaten ist vor allem darauf zurückzuführen, dass weniger Betrugsdelikte registriert, aber auch weniger Diebstähle begangen wurden. 59079 Diebstahlsdelikte gab es laut Statistik 2019 – die niedrigste Zahl seit dem Jahr 2000, damals lag sie noch mehr als doppelt so hoch. Sowohl beim Diebstahl von und aus Kraftfahrzeugen als auch aus Büros, Gärten, Lauben und Bungalows gab es einen Rückgang. Ein Grund zur Entwarnung besteht aber nicht: Einbrecher sind in Brandenburg immer noch aktiv. Die Zahl der Wohnungseinbrüche ist auf 2654 Fälle leicht gestiegen. Allerdings, betont Innenminister Stübgen, zeigten Präventionsveranstaltungen und Tipps für Wohnungs- und Hausbesitzer Wirkung: In 41 Prozent der Einbruchsversuche ziehen die Täter unverrichteter Dinge wieder ab. Vor zehn Jahren scheiterten nur 38 und vor 20 Jahren nur gut 22 Prozent der Einbrüche.

Betrugsdelikte gegen Senioren

Auch wenn Betrugsstraftaten insgesamt zurückgegangen sind: Senioren werden in Brandenburg immer öfter Opfer von Betrügern. 1191 Betrugsdelikte zum Nachteil älterer Menschen wurden 2019 registriert, 2018 waren es noch 989. Neben beliebten Maschen wie dem Enkeltrick oder den Anrufen angeblicher Polizisten, die Geld verlangen, verlegen sich die Ganoven inzwischen auch auf neue Methoden, die dann in der Statistik für 2020 auftauchen dürften. So gab sich in Oberhavel gab sich vergangenen Monat ein Mann gegenüber zwei Rentnerinnen als vermeintlicher Enkel aus, der sich aufgrund einer Erkrankung mit dem Coronavirus in Behandlung befinde und dafür Geld benötige. „Mit mehr Aufklärung und aktiver Präventionsarbeit müssen Senioren stärker in die Lage versetzt werden, Betrugsmaschen rechtzeitig zu erkennen und sich dagegen zu schützen“, fordert der innenpolitische Sprecher der oppositionellen Linksfraktion im Landtag, Andreas Büttner.

Rauschgiftkriminalität

Ernste Sorgen bereite ihm der Anstieg der Rauschgiftkriminalität, so der amtierende Polizeipräsident Höppner. Im Jahr 2019 wurden 9645 Fälle von Drogenkriminalität verzeichnet – ein Anstieg von 11,6 Prozent. Zwar handele es sich um ein Kontrolldelikt, der Anstieg sei also auch auf einen steigenden Ermittlungsdruck der Polizei zurückzuführen, so Höppner. Die Zahlen zeigten aber auch, dass Rauschgift in Brandenburg mittlerweile besser verfügbar sei als noch vor Jahren. In knapp der Hälfte der Fälle ging es um Cannabis. Enorme Anstiege der Fallzahlen verzeichneten die Polizeiinspektionen Barnim (plus 46 Prozent) und Oberhavel (plus 42 Prozent). Aber auch im Bereich der Polizeiinspektion Potsdam gab es eine Zunahme der registrierten Drogendelikte um fast 14 Prozent. Ein Schlag gegen einen internationalen Drogenhändlerring gelang Ermittlern von Polizei und Zoll in Brandenburg vergangenen Juni: Sie fingen eine Drogenlieferung aus Spanien ab. Beamte des Spezialeinsatzkommandos griffen zu, als ein Lastwagen an einer Lagerhalle in Großwoltersdorf im Norden des Landkreises Oberhavel die Ware abgeliefert hatte. Rund 100 Einsatzkräfte von Landeskriminalamt, Bereitschaftspolizei und Spezialeinheiten hatten sich im Umfeld versteckt, um die Ankunft des Lastwagens abzuwarten. Der Einsatz hat sich gelohnt. In der Tarnladung von 20 Tonnen Salat waren die Drogen versteckt, darunter 250 Kilogramm Marihuana. Die Täter haben in dem kleinen Dorf nicht nur ein Lager betrieben, sondern von dort aus auch die Auslieferung der Drogen professionell organisiert. Die Experten des Brandenburger Landeskriminalamtes schätzten den Straßenverkaufswert der gefundenen Drogen auf rund 3,4 Millionen Euro. Die Einsatzkräfte nahmen vier Tatverdächtige im Alter zwischen 32 und 47 Jahren fest. Es handelt sich um vier Deutsche, drei Männer und eine Frau, sowie zwei Litauer.

Cybercrime

Keine Entwarnung gibt es auch im Bereich Cybercrime. Die Zahlen stagnieren in etwa auf Vorjahresniveau, wobei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. 535 Fälle von Cybercrime im engeren Sinne, als Delikte, die sich gegen das Internet, Datennetze oder informationstechnische Systeme richten, wurden 2019 gezählt. 7939 Mal war das Internet Tatmittel, wurden also Straftaten mittels des Netzes ausgeübt. Riccardo Nemitz, Landesvorsitzender des Bunds Deutscher Kriminalbeamter (BDK), sieht die vorgestellte Kriminalitätsstatistik auch wegen der Cyberkriminalität nicht so positiv wie das Innenministerium. „Dass Kriminalität und somit die Ermittlungsverfahren mit dem gesellschaftlichen und technologischen Wandel – insbesondere mit der Digitalisierung – zunehmend komplexer und umfangreicher werden, wird nicht beleuchtet“, so Nemitz. Faktisch ändere sich nichts an der angespannten personellen Situation bei der Kriminalpolizei und somit an der Sicherheitslage. Der BDK halte, insbesondere auch vor der demnächst auf die Polizei zukommende Flut von tausenden Ermittlungsverfahren mit Bezug zur Hasskriminalität, nach wie vor eine Zielzahl bei der Polizei von 9000 Beamten für erforderlich. Die rot-schwarz-grüne Landesregierung strebt laut Koalitionsvertrag bis zum Ende der Legislatur eine Zahl von 8500 Polizisten an.

Kriminalität durch Zuwanderer

Die Zahl der Straftaten mit Tatbeteiligung von Zuwanderern ist leicht rückläufig. Im Jahr 2019 wurden 11569 Straftaten durch Zuwanderer erfasst. Das ist ein Rückgang um 0,7 Prozent. Ohne Berücksichtigung der ausländerrechtlichen Verstöße, also etwa illegale Einreise, fällt der Rückgang mit 4,3 Prozent noch stärker aus. Auf der anderen Seite ist auch die Zahl der Asylbewerber, die in Brandenburg Opfer von Straftaten wurden, von 838 auf 753 zurückgegangen.

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